Noventi schnappt sich Gerda Alexander Müller, 17.06.2019 10:21 Uhr
Bei der Umsetzung des E-Rezepts hat die Noventi den Zuschlag für die Softwareentwicklung im Modellprojekt „Gerda“ erhalten. Der Abrechnungs- und IT-Dienstleister macht sich die Hoffnung, damit den Grundstein gelegt zu haben, später dem Deutschen Apothekerverband (DAV) die bundesweite Lösung für das elektronische Rezept zu liefern. Dafür verpflichtet sich die Gruppe, kein eigenes Konzept auf den Markt zu bringen.
Im Rahmen des in Baden-Württemberg bereits laufenden Modellprojekts „Docdirekt“ geht im November das E-Rezept „Gerda“ an den Start. Dann können Ärzte in der Pilotregion Stuttgart und Tuttlingen erstmals elektronische Verordnungen ausstellen. Ab Februar 2020 soll dies dann im gesamten südwestlichen Bundesland möglich sein. Angestoßen wurde Gerda von der Landesapothekerkammer (LAK) und dem Landesapothekerverband (LAV) und dient auch als Modellprojekt für das E-Rezept der ABDA. Dessen Einführung ist ebenfalls für 2020 geplant.
Die Avoxa-Tochter NGDA (Netzgesellschaft Deutscher Apotheker) hat für die Software-Entwicklung wird externer Sachverstand hinzugezogen, die Entwicklungsleistungen wurden in einem Pflichtenheft definiert. Bei der begrenzten Ausschreibung kamen drei Dienstleister in die engere Wahl, Noventi HealthCare (NHC) erhielt den Zuschlag. Die Tochterfirma Noventi Healthcare hatte nach Anforderung der Unterlagen in relativ kurzer Frist beschrieben, wie man den Rezeptspeicher definieren und Statusübergänge definieren würde. Das hat den DAV offenbar überzeugt – die Zuschlagsvergabe ist voll warmer Worte des Lobes. Nach inhaltlichen, qualitativen und preislichen Kriterien habe Noventi das beste Angebot abgegeben.
Noventi konnte auf die Erfahrungen aus der Konzeptionsphase von Gerda aufbauen, was zum Start sicherlich kein Nachteil war. Dennoch soll es sich der DAV mit der Vergabe nicht leicht gemacht haben, die in diesem engen Markt immer auch ein Politikum bedeutet. Die NGDA teilt herizu mit: „Sowohl die Auswahlgespräche vor der Entscheidung als auch die Vertragsabwicklung und die ersten Schritte in der Umsetzung des Projektplans haben der NGDA den Eindruck gegeben, einen Dienstleistungspartner mit ausgezeichnetem Leistungsvermögen und höchster Professionalität für eine qualitäts- und termingerechte Umsetzung der gestellten Anforderungen gefunden zu haben.“
Die Noventi-Tochter werde bei Gerda „als reiner technischer Dienstleister im Auftrag der NGDA tätig“, betont die Avoxa-Tochter. Die Nutzungsrechte an den entwickelten Projekten gingen mit der Übergabe vollumfänglich an die NGDA über. Mehr noch: „Die Noventi Group hat sich darüber hinaus verpflichtet, künftig keinen eigenen E-Rezept-Fachdienst zu entwickeln, sondern bei Bedarf weitere Projekte in einer Partnerschaft mit der NGDA umzusetzen“, heißt es.
Just heute hat Noventi die Freigabe für den ersten Meilenstein der Entwicklung erhalten. Die Software für die Beta-Version steht, bis zum 15. Juli soll sie fertig sein, die Abnahme einen Monat später erfolgen. Diese Entwicklung aus dem Hause Noventi wird letztlich von der NGDA betrieben. Die Software steht dann auch allen anderen EDV-Anbietern zur Verfügung, die gegen die vorgegebene Schnittstelle testen können. Das soll in den kommenden zwei Wochen ermöglicht werden.
Die umfangreichen Spezifikationen lassen sich auf zwei Hauptfunktionen herunterbrechen: den Rezeptspeicher und die Statusübergänge. Damit muss beispielsweise sichergestellt werden, dass ein Rezept nur einmal in einer Apotheke abgegeben werden kann. Klingt trivial, aber es muss zum Beispiel einen technisch definierten Vorgang dafür geben, wenn der Patient das Rezept doch zurückfordert, weil er es in einer anderen Apotheke einlösen möchte. Zu den Funktionen zählt auch, wie der Patient eine Apotheke auswählen kann, wenn das Rezept auf dem Speicher hinterlegt ist – direkt digital oder indem er einen QR-Code selbst in die Offizin trägt.
Den Zuschlag hat Noventi zunächst für Gerda bekommen, aber die Hoffnung dahinter ist natürlich, weitere Modellprojekte zu ergattern und letztlich die allgemeine Lösung für den DAV zu liefern. CEO Dr. Hermann Sommer freut sich zwar über das Vertrauen, deutet aber an, dass man in seinem Haus noch Verbesserungsvorschläge hat: „Das Konzept muss aus unserer Sicht zwar noch etwas justiert werden, aber da sind wir im engen Austausch mit dem DAV. Wir sind jedenfalls froh, das Feld der digitalen Zukunft im Gesundheitswesen Deutschlands gemeinsam mit dem Verband zu gestalten.“
Dass Gerda erst im November an den Start geht, ist laut LAK der Einbindung in das Docdirekt-System der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg geschuldet. Los gehen soll es mit dem „normalen“ Muster 16 Rezept. BtM-Verordnungen und Heil- und Hilfsmittel sollen schrittweise folgen. Bei Docdirekt können sich Patienten per Videochat oder Telefon an einen Arzt wenden. Seit Mitte April 2016 haben sich rund 4000 Nutzer per Anruf an Docdirekt gewandt. Die Patienten erhalten über einen elektronischen Schlüssel Zugriff auf das Rezept und können es an eine Apotheke ihrer Wahl senden. Das Land fördert die E-Rezept-Entwicklung mit rund einer Million Euro.