Novartis: Wirkstoffproduktion in Tirol Alexandra Negt, 26.05.2020 14:43 Uhr
Das Ophthalmikum Beovu ist seit Mitte März in Deutschland erhältlich. Der Wirkstoff Brolucizumab soll in Kundl in Tirol hergestellt werden. Novartis investiert hierfür nach eigenen Aussagen über 27 Millionen Euro in den Standort. Bei dem monoklonalen Antikörper (MAK) handelt es sich um ein humanisiertes Einzelketten-Antikörperfragment (single-chain antibody fragment; scFv) das die Bildung neuer Gefäße im Auge hemmt. Beovu gilt als Konkurrenz zu Eylea (Bayer).
Die Herstellung des Wirkstoffes erfordere Spitzen-Know-how, so Landeschef Michael Kocher. „Die Investition in die globale Wirkstoffproduktion dieses neuen Wirkstoffs zeigt die zentrale Rolle der österreichischen Standorte im globalen Novartis-Netzwerk. Sie ist ein starkes Bekenntnis und wir sind überzeugt, dass wir es als Österreich-Team schaffen werden, auch weitere innovative Medikamente und ihre Produktion und Fertigung nach Tirol zu holen.“
Zum Ausbau des Tiroler Standortes mobilisiert Novartis über 27 Millionen Euro. Medizinisch erwarten sich die Experten laut den in den USA und Europa gelaufenen Zulassungsstudien eine starke Wirksamkeit des Wirkstoffs an den von pathologischer Feuchtigkeit betroffenen Stellen in der Netzhaut, was dazu führen könnte, dass Patienten weniger häufig therapiert werden müssen. An den damaligen Zulassungsstudien haben zwei wissenschaftliche Zentren aus Österreich mitgewirkt. Die Universitätsaugenkliniken Wien und Graz haben den Wirkstoff Brolucizumab auch mitentwickelt.
In den beiden Zulassungsstudien Hawk und Harrier konnte Novartis zeigen, dass unter der Anwendung von Brolucizumab weniger intravitreale Injektionen nötig sind als bei der Verbareichung von Aflibercept. Hierdurch könne Beovu die Compliance fördern und das generelle Therapieschema vereinfachen. Beim Nachweis der Krankheitsaktivität unter Brolucizumab wurde das Behandlungsintervall innerhalb der beiden Zulassungsstudien auf zwei Monate verkürzt und bis Studienende beibehalten. Die Patienten wurden mit 6 mg Brolucizumab oder 2 mg Aflibercept behandelt. Die Verbesserung der morphologischen Parameter hielt bis zur 96 Woche an.
Zu viele Nebenwirkungen
Erste Anwendungszahlen aus Amerika lassen befürchten, dass Beovu sich gegen die beiden Konkurrenzprodukte Lucentis (Novartis) und Eylea (Bayer) nicht durchsetzen wird. Das Präparat habe zahlreiche Nebenwirkungen, sodass US-Ophthalmologen das Präparat zur Behandlung der feuchten altersbedingten Makuladegeneration kaum einsetzen. In den USA ist Beovu seit Herbst zugelassen.
Brolucizumab
Bei dem monoklonalen Antikörper (MAK) handelt es sich um ein humanisiertes Einzelketten-Antikörperfragment (single-chain antibody fragment; scFv). Der Antikörper gehört zu den Vascular Endothelial Growth Factor Inhibitoren (VEGF-Inhibitoren). VEGF fasst Proteine verschiedener Gruppen zusammen, die als Signalmoleküle unterschiedliche Aufgaben in den vaskulären Geweben des Menschen erfüllen. VEGF-A ist wichtig für die Angiogenese (Bildung neuer Gefäße) im Auge. Brolucizumab bindet an alle Formen von VEGF-A und reduziert dadurch die Neubildung von Netzhautgefäßen und die Ausprägung von Retinaödemen. Der MAK besitzt ein geringes Molekulargewicht von 26 Kilodalton (kDa), wodurch die Gewebepenetration und die Clearance des Arzneistoffs verbessert wird.
Novartis hatte sich zuletzt zum Ziel gesetzt, auch in Sachen Biotechnologie voranzukommen. Bei der Impfstoffsuche gegen Covid-19 forscht Novartis nicht mit. 2014 entschloss sich der Konzern dazu, die Impfstoffe aus dem Portfolio herauszunehmen und verkaufte diese an GlaxoSmithKline (GSK). Im Gegenzug erhielt der Schweizer Konzern dafür die Krebsmedikamente des britischen Pharmakonzerns. GSK gab damals seine Onkologiesparte für 16 Milliarden Dollar an Novartis ab und bekam dafür das Impfstoffgeschäft der Schweizer – ohne Grippemittel, die an Seqirus gingen – im Wert von 7,1 Milliarden Dollar. Seit 2018 gehen beide Pharmariesen auch im OTC-Bereich wieder getrennte Wege – das Joint Venture wurde aufgelöst: Der Schweizer Pharmakonzern verkaufte seinen 36,5-prozentigen Anteil für 13 Milliarden US-Dollar an den bisherigen Partner.
Auch beim Thema Diagnostika spielt Novartis bei Covid-19 nicht mit. Konkurrenten wie Roche leisten durch die Entwicklung von Schnelltests aktuell einen Beitrag zur Coronakrise. Nach Einschätzungen von Experten deckt Roche zurzeit rund 40 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Molekulartests im Zusammenhang mit Sars-CoV-2. „Nachdem wir Mitte März unseren Hochdurchsatz-PCR-Test zum Nachweis der Erkrankung aufgrund einer aktiven Infektion eingeführt haben, werden wir nun Anfang Mai einen neuen Antikörpertest auf den Markt bringen. Jeder am Markt befindliche und zuverlässige Test erfüllt für die Gesundheitssysteme einen wichtigen Zweck, da sie bei der Bekämpfung dieser Pandemie helfen“, sagte CEO Severin Schwan.