Novartis ist vorerst mit dem Versuch gescheitert, die Zulassung von Generika zu Tasigna (Nilotinib) juristisch zu stoppen. Das Verwaltungsgericht Köln (VG) sieht nicht, dass der Originalhersteller mit seinem Widerspruch gegen entsprechende Bescheide des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Erfolg haben wird.
Im Juli hatte das BfArM zunächst Aliud, später auch Mylan/Viatris und Ratiopharm die Zulassung für Generika zu Tasigna erteilt. Novartis hatte Widerspruch eingelegt und im Rahmen eines Eilverfahrens versucht, die auf aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Doch der Konzern scheiterte vor dem VG auf ganzer Linie.
Einerseits seien die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) über die Zulassung von Arzneimitteln objektiv-rechtlicher Natur und dienten alleine dem Zweck, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung für die Arzneimittelsicherheit zu sorgen. Sie vermittelten Mitbewerbern also keine subjektiv-öffentlichen Rechte: „Nicht geschützt sind damit die Wettbewerbsinteressen Dritter.“
Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass sich Hersteller nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Herstellung von Defekturen in der Apotheke wehren könnten: „Diese Rechtsprechung betrifft den Sonderfall eines Wettbewerbsvorteils, der sich daraus ergibt, dass gegenüber einem Konkurrenten die Zulassungsfreiheit seines Arzneimittels behördlich festgestellt wird. In diesem Fall soll nach dem Bundesverwaltungsgericht die Erteilung der Arzneimittelzulassung auch dem Schutz der Interessen des Zulassungsinhabers vor einer Umgehung des Zulassungsverfahrens durch Mitbewerber dienen.“
Der Antrag sei aber auch inhaltlich unbegründet: So sei es nicht zu beanstanden, dass Aliud bei seinem Präparat Hinweise zur Anwendung bei Schluckbeschwerden aus der Fachinformation gestrichen hat. Zwar müsse die Zusammenfassung der Produktmerkmale bei Generika laut europäischer Arzneimittel-Richtlinie in allen einschlägigen Punkten dem Original entsprechen. Ausgenommen seien laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) aber Punkte, „die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen und die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Generikums noch unter das Patentrecht fielen“.
Die Ausnahme diene laut EuGH dazu, „den Markteintritt von Generika nicht bis zum Ablauf aller Patente zu verzögern, die die vielfältigen Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels abdecken können, ohne dass die Anforderungen abgeschwächt werden, denen Arzneimittel in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit genügen müssen“.
Hintergrund ist eine geschützte Art der Anwendung von Tasigna: Für die orale Verabreichung von Nilotinib dispergiert in Apfelmus, unter anderem eingesetzt bei Patienten mit Schluckbeschwerden, besteht laut Konzern noch Patentschutz.
Bereits im Januar hatte Novartis beim Landgericht München I (LG) eine einstweilige Verfügung erwirkt, nach der die Generikafirmen verpflichtet sind, der Abgabe oder Verwendung von Nilotinib außerhalb ihrer beschränkten Zulassung „entgegenzuwirken“. Konkret: Sie dürfen keine Rabattverträge schließen, die die Verabreichung dispergiert in Apfelmus („püriertem Apfel“) nicht ausdrücklich ausschließen. Entsprechende bestehende Vereinbarungen müssen gekündigt werden; zuletzt gab es Open-House-Verträge mit zahlreichen Primär-, Ersatz- und Betriebskrankenkassen.
Außerdem wurden die Generikahersteller verpflichtet, spezifische Warnhinweise in den gängigen Datenbanken der Apotheken- und Praxis-EDV zu schalten, in welchen die Anwender darauf hingewiesen werden, dass die Verwendung von Nilotinib zur oralen Verabreichung dispergiert in Apfelmus aus patentrechtlichen Gründen nicht erlaubt ist.
Großhändler müssen bei der Bestellung von Nilotinib vertraglich verpflichtet werden, bei jeder Weitergabe an ihre Abnehmer solche Warnhinweise beizulegen. Mindestens einmal alle sechs Monate müssen außerdem spezielle Informationsschreiben an alle Fachärzte aus den Bereichen Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie in Deutschland verschickt werden, in denen wörtlich erklärt wird: „Tasigna ist das einzige Nilotinib-Präparat, das aufgrund dieses bestehenden Patentschutzes dispergiert in Apfelmus verabreicht werden darf. Wenn Sie einen Patienten, der keine Hartkapseln schlucken kann, aus medizinischen Gründen mit einem Nilotinib-Präparat behandeln möchten, verordnen Sie bitte Tasigna und schließen Sie die Substitution durch Apotheker ausdrücklich aus.“
Hintergrund ist, dass Tasigna eigentlich nicht zusammen mit Nahrungsmitteln eingenommen werden darf, da die Bioverfügbarkeit von Nilotinib durch Nahrung erhöht wird. Die Generikahersteller hatten zwar im Zulassungsverfahren die Auffassung vertreten, dass die unter nüchternen Bedingungen mit der ganzen Kapsel durchgeführte Bioäquivalenzstudie ausreichend sei, „um auch die Dispersion des Kapselinhalts in einem Teelöffel Apfelmus als zusätzlicher Verabreichungsform zu unterstützen.