Eine zentrale Bestellplattform für Apothekenkunden – diese Lösung schwebt vielen im Apothekenmarkt als Antwort auf Amazon vor. Doch noch gibt es kein gemeinsames Angebot, basteln verschiedene Player an ihren eigenen Instrumenten, so auch MVDA/Linda. Im Interview erklären MVDA-Präsidentin Gabriela Hame-Fischer und Präsidiumsmitglied Dr. Sven Simons, warum es zuerst einen Wettbewerb um das beste Konzept geben muss und warum niemand den Anspruch haben kann, im Alleingang den Apothekenmarkt aufzurollen.
ADHOC: Noweda und Burda wollen mit einer neuen Bestellplattform den Apothekenmarkt aufrollen. Was bedeutet das für die Zukunft von Kooperationen?
HAME-FISCHER: Wir haben die Absichtserklärung von Noweda und Burda selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Die Digitalisierung verändert den Apothekenmarkt bereits seit einiger Zeit. Wir haben mit unserer Linda-Kooperation bereits vor längerer Zeit das Konzept der Linda 24/7 ins Leben gerufen. Daher ist die Ankündigung von Noweda/Burda, einen ähnlichen Weg zu gehen, für uns eine Bestätigung. Welche Wirkung mit solch einem Ansatz auf dem Apothekenmarkt erzielt werden kann, ist abzuwarten.
ADHOC: Noweda lädt alle Apotheken ein, sich an der neuen Bestellplattform zu beteiligen. Ist das für Linda eine Option?
HAME-FISCHER: Ich glaube nicht, dass das ein großer Anreiz für unsere Kooperationspartner sein wird. Die Linda-Apotheken werden im neuen Jahr jedenfalls schon sehr geübt sein im Umgang mit dem Linda-Onlineservice. Wir nutzen ja bereits die Linda-App, wir haben die Anbindung der digitalen Filialen bereits umgesetzt.
ADHOC: Wie beurteilen Sie die Idee einer einheitlichen bundesweiten Bestellplattform für alle Apotheken?
HAME-FISCHER: Es gibt zurzeit bereits viele solcher Initiativen im Markt. Ob am Ende dabei eine Gesamtlösung für alle herauskommt, bleibt abzuwarten. Wir gehen davon aus, dass sich das für Apotheken beste Gesamtkonzept am Ende durchsetzen wird. Ich glaube aber nicht, dass ein einzelnes Unternehmen sagen kann: „Ich rolle jetzt mit meinem Konzept den gesamten Apothekenmarkt auf.“ Dies nehmen auch wir für uns nicht in Anspruch. Wir bieten unseren Linda-Apotheken in erster Linie ein schlagkräftiges Instrument zur Kundengewinnung und Kundenbindung – immer mit dem Fokus, die pharmazeutische Kompetenz mit dem Nutzerverhalten von heute zu verbinden. Wahrscheinlich wird es irgendwann nötig, dass sich dann später alle relevanten Marktpartner an einen Tisch setzen und über eine politische Lösung nachdenken.
ADHOC: Müssen Sie das Kooperationskonzept überdenken?
HAME-FISCHER: Ich sehe keinen Anlass, unser Kooperationskonzept zu überdenken. Wir starten im Oktober gemeinsam mit der Apotheken Umschau die Vermarktung unsers eigenen Konzeptes. Wir sind anderen Modellen daher schon einen Schritt voraus. Mit dem Linda-Onlineservice verfügen Linda-Apotheken zudem über ein Rundum-Konzept zur digitalen Kundenansprache, das bereits seit einigen Monaten am Markt angeboten wird. Rund 500 Apotheken bieten aktiv die Linda-App und die digitalen Filialen an. Die zentrale Vermarktung ist bereits gestartet. Unser Konzept verfolgt den Ansatz der integrierten Kommunikation. Dass andere Marktteilnehmer in ähnlicher Weise versuchen, den Markt ab 2019 zu bespielen, bestätigt uns, dass wir den richtigen Weg gehen. Linda-Apotheken sind hier somit Vorreiter und sprechen die Kunden frühzeitig sowie bedarfsorientiert an.
ADHOC: Bereits vor vier Jahren wollte Linda ein Interaktions-Register in den Markt bringen. Daraus ist nichts geworden. Jetzt soll es einen neuen Anlauf geben. Was ist geplant?
SIMONS: Das Projekt Interaktions-Register haben wir nie zu den Akten gelegt. Es war aber zwischenzeitlich unterbrochen, weil es ein technisch extrem aufwändiger Prozess ist, ein Instrument zu entwickelt, das warenwirtschaftsübergreifend anwendbar ist. Wir arbeiten hier mit der ADG und seit einiger Zeit mit dem zweiten Partner Noventi zusammen. Wir müssen hier sehr umfangreiche Datenschutzbestimmungen einhalten. Mit Professor Dr. Ulrich Jaehde von der Universität Bonn arbeiten wir ebenfalls zusammen. Aktuell befinden wir uns in ersten Apotheken damit in einer Pilotphase. Dort werden nicht nur die technischen Fragen abgeklärt. Es muss auch in den Apothekenalltag passen. Das Linda-Interaktionsmanagement soll einen konkreten Fortschritt zum Thema Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) leisten. Der Apotheker muss sich damit wohl fühlen und es muss einen konkreten Nutzen für die Apothekenkunden geben.
ADHOC: Die Pilotphase läuft?
SIMONS: Ja. Wir wollen in absehbarere Zeit auf alle Linda-Apotheken bezüglich der Anbindung zugehen. Unsere Apotheken erwarten das mit Hochdruck.
ADHOC: Welche Vorteile bietet das Interaktions-Register?
SIMONS: Durch das Warenwirtschaftssystem werden Apotheker und PTA bereits heute auf Interaktionen hingewiesen. Alle Interaktionen werden durch unser System zentral gesammelt und datschutzrechtlich sicher über ein Trust-Center weitergeleitet an die Universität Bonn. Dort werden sie zum ersten Mal in einem tatsächlichen Real-Life-Überblick über das Auftreten von Interaktionen in Apotheken zusammengeführt. Das Besondere daran ist, dass wir keine Einwilligung der Patienten für die wissenschaftliche Auswertung benötigen, da das Trustcenter die Daten anonymisiert und somit zu wissenschaftlichen Zwecken verwertbar macht. Unser Angebot verstehen wird nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu anderen AMTS-Angeboten wie Athina und Armin.
ADHOC: Was hat der Apotheker davon?
SIMONS: Das Linda-Interaktionsmanagement bietet unter anderem ein Dokumentations-Tool am POS an. Dort können Apotheker und PTA nachhaltig dokumentierten, wie sie mit Interaktionen umgegangen sind. Mögliche Arztkontakte werden dokumentiert, ebenso der Austausch von Arzneimitteln. Bisher musste das aufwändig in Papierform erfolgen, jetzt läuft das automatisch. Dadurch werden die Mitarbeiter in den Apotheken sensibilisiert für das AMTS-Thema und sie können damit strukturierter umgehen. Das erleichtert und verbessert die Kundenberatung und führt schlussendlich zu einer Qualitätsverbesserung der pharmazeutischen Beratung vor Ort. Ein wesentliches Ziel ist es, die bereits jetzt schon erbrachte apothekerliche Leistung rund ums AMTS sichtbar zu machen.
ADHOC: Was geschieht mit den so gesammelten Daten?
HAME-FISCHER: Die Daten werden wissenschaftlich aufbereitet und nach einiger Zeit in die Apotheken zurückgespielt. Zudem erfolgt eine fachliche Begleitung durch die Universität Bonn. Wir werden Clusterauswertungen machen, die Daten in verschiedene Themen aufbrechen und untersuchen. Davon versprechen wir uns erhebliche Erkenntnisse über das Thema AMTS.
ADHOC: Welche Informationen erhält der Apotheker darauf?
SIMONS: Es gibt ja heute schon in den meisten Warenwirtschaftssystemen Ampel-Anzeigen über die Schwere der Interaktions-Probleme. Wir erhoffen uns aufgrund der ausgewerteten Datenmenge, dass wir diese Hinweise deutlich verfeinern und verbessern können hinsichtlich der Relevanz von Interaktionen. Wir wollen das nicht nur nicht nur für Rx-Arzneimittel anbieten, sondern auch für OTC.
ADHOC: Was kostet das Interaktions-Register?
SIMONS: Für Linda-Apotheken ist das im Kooperationsangebot kostenfrei enthalten.
ADHOC: Könne auch Nicht-Linda-Apotheken das Angebot nutzen?
SIMONS: Es ist für uns selbstverständlich, dass wir dieses Angebot zur AMTS-Verbesserung nach und nach allen rund 3000 MVDA-Apotheken anbieten werden. Wir starten zunächst aber als Linda-Projekt. Aber auch über MVDA und Linda hinaus ist eine Vermarktung denkbar. Darüber haben wir noch nicht entschieden.
ADHOC: Wie soll das Interaktions-Register heißen?
SIMONS: LIAM, die Abkürzung steht für Linda-Interaktions-Management.
ADHOC: Wie sieht es mit dem Linda-Konzept aus? Wird es demnächst „Linda-light“ geben?
HAME-FISCHER: Wir sind für unsere 3000 MVDA-Mitgliedsapotheken verantwortlich. Wir haben circa 1000 Linda-Apotheken, Hauptapotheken und Filialen, die alle die gleichen Leistungen anbieten können und sollen und von außen in der gleichen Art und Weise erkennbar sind. Wir haben innerhalb dieser 1000 Apotheken über das Projekt 2020+ mit den Pionierapotheken nochmal eine besonderer Qualitätsstufe. So gehen wir in die Zukunft.
ADHOC: Also kein Konzept Linda-light?
HAME-FISCHER: Richtig ist, dass wir für Filialapotheken unter Umständen etwas preisreduzierte Modelle anbieten. Das ist bereits jetzt schon der Fall. Das hat aber nichts mit den Leistungen und dem Außenauftritt zu tun. Wir planen aber derzeit kein spezielles Konzept für Filialapotheken.
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