Neutralität als Erfolgsrezept Benjamin Rohrer, 08.12.2010 11:14 Uhr
Einerseits ist Sebamed eine der bekanntesten dermatologischen Produktmarken Deutschlands. Andererseits wird der Name seit Jahrzehnten eher mit Drogerien verknüpft als mit Apotheken. Jetzt übernimmt Thomas Maurer, Sohn von Firmengründer Dr. Heinz Maurer, gemeinsam mit Dr. Rüdiger Mittendorff das Geschäft - und die Vision einer apothekenexklusiven Produktlinie.
Die Geschichte von Sebamed beginnt in den Rei-Werken in Koblenz. 1953 tritt Heinz Maurer in die Firma seines Bruders ein; als wissenschaftlicher Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung kann er ungestört mit Tensiden experimentieren. Der junge Dermatologe hat sich das Ziel gesetzt, eine Waschlotion mit dem physiologischem pH-Wert der Haut (5,5) zu entwickeln, die auch Neurodermitiker anwenden können. Nach vier Jahren geht das erste Waschstück in Produktion.
Als Rei 1965 an den Konsumgüterkonzern Procter & Gamble verkauft wird, sichert sich Maurer seine Patente und gründet im rheinland-pfälzischen Boppard sein eigenes Kosmetikunternehmen: Sebapharma. 1967 kommt Sebamed auf den Markt - und überzeugt Fachkreise wie Verbraucher.
Mit Aussagen wie „Die Menschen haben sich 2000 Jahre lang falsch gewaschen!“, oder „Meine Entdeckung ist die erste Seife ohne Seife“ verschafft sich Maurer die nötige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Der Begriff „pH-neutral“ wird zum marketingstrategischen Neologismus und ist bis heute fester Bestandteil des Werbewortschatzes der Kosmetikindustrie.
Maurer stellt einen Außendienst auf die Beine und bietet Sebamed in den Apotheken an. 13 Jahre lang bleibt die Offizin exklusiver Vertriebskanal. Dann machen die neu entstandenen Drogerieketten dem Arzt einen Strich durch die Rechnung.
Über den Großhandel decken sich Schlecker, Rossmann & Co. mit Sebamed ein. Maurer versucht, die Kanäle dicht zu machen, und zieht vor Gericht. Eine außergerichtliche Einigung - eine Million D-Mark für die Auslistung von Sebamed - lehnt er ab. Am Ende ebnen die Wettbewerbsgerichte den Drogerieketten den Weg.
Alle Versuche, die Gunste der Apotheker mit neu entwickelten Produkten zurück zu gewinnen, scheitern. Anfang der 1990er Jahre muss Maurer eine gebrochene Emulsion zurücknehmen, parallel greift Beiersdorf mit Eucerin an. Dann verpasst Maurer die Chance, den Vertrieb für die Firma Asche (Lefax) zu übernehmen und damit den Fuß zurück in die Apotheke zu bekommen.
Maurer versucht es mit neuen, apothekenexklsuiven Produktlinien wie Sebamed sensitiv oder Baby Sebamed. Übernahmeangebote, etwa von Johnson & Johnson, schlägt er aus. Doch der Markt ist schwierig geworden, es gibt viele pH-hautneutrale Lotionen, Seifen und Shampoos. „Es ist uns bis heute nicht gelungen, das Unternehmen bei den Apothekern wieder so zu etablieren, wie mein Vater es damals geschafft hatte“, resümiert Thomas Maurer.
Der Sohn des Firmengründers übernimmt jetzt gemeinsam mit Manager Mittendorff die Leitung des Familienunternehmens - und die Verantwortung für rund 200 Mitarbeiter, die zum Teil seit Jahrzehnten für Sebapharma arbeiten. Lange schwärmen Ehemalige von der Fairness des heute 89-jährigen Seniors - und den Weihnachtsfeiern im Hotel Jakobsberg des Haribo-Eigentümers Dr. Hans Riegel, mit dem Heinz Maurer persönlich befreundet ist.
Ein Verkauf kommt auch für die neuen Firmenchefs nicht in Frage; zu erfolgreich sei das Unternehmen: Im vergangenen Jahr setzte Sebapharma 106 Millionen Euro um; Sebamed hat im Bereich der medizinischen Haut- und Körperpflege einen Marktanteil von 35 Prozent. In über 80 Ländern wird die Traditionsmarke vertrieben, in einem Großteil davon apothekenexklusiv.