Neuordnung bei VSA und ALG APOTHEKE ADHOC, 11.05.2018 15:11 Uhr
Die Münchener Noventi-Gruppe will das Rezeptabrechnungs- und IT-Geschäft unter einem Dach zusammenführen. Dem Vernehmen nach werden dazu die VSA und die ALG unter dem Dach der Firma Noventi Healthcare zusammengeführt. Dort befinden sich bereits die Abrechnungszentren AZH, ZRK und SRZH. Mit VSA-Geschäftsführer Roman Schaal soll Noventi Healthcare einen dritten Geschäftsführer erhalten.
Am Montag will sich Noventi offiziell zu den Veränderungen äußern. Mitarbeitern gegenüber wurde die unternehmensrechtliche Neuordnung bereits thematisiert. Hintergrund der Aktion sind unter anderem Kosten- und Effizienzbelange. Allein die Prüfung der Abrechnungszentren durch die Bankenaufsicht Bafin kostet in jedem Unternehmen jährlich sechsstellige Beträge. Dies ließe sich unter dem einheitlichen Dach zusammenführen. Bislang wird Noventi Healthcare von den beiden Geschäftsführern Susanne Hausmann und Victor J. Castro geleitet.
Dem Vernehmen nach sollen die Markennamen der Abrechnungszentren ebenso erhalten bleiben wie die Standorte. Das hat Tradition bei der Umstrukturierung der früheren VSA-Gruppe. Das Münchener Rechenzentrum ist die Keimzelle der Noventi-Gruppe, zu der auch das Softwarehaus Awinta gehört. Ob es zu Personalveränderungen kommt, ist nicht bekannt.
Die Noventi Healthcare betreut nach eigenen Angaben bislang mit den drei Geschäftsbereichen AZH, ZRK und SRZH bundesweit mehr als 26.000 Kunden im Bereich Abrechnung für sonstige Leistungserbringer. 4500 Kunden nutzen die Softwarelösungen für Praxismanagement, Rehasport und die Hilfsmittelversorgung. Mit VSA/ALG käme jetzt der Marktführer im Apothekenmarkt hinzu.
Unter dem Dach zählt das AZH (Abrechnungs- und IT-Dienstleistungszentrum für Heilberufe) zu den bundesweit führenden Abrechnungs- und IT-Dienstleistungsanbietern im Gesundheitswesen. Seit mehr als 30 Jahren ist sie spezialisiert auf die Abrechnung von Leistungen und Rezepten mit Krankenkassen, Pflegekassen, sonstigen Sozialversicherungsträgern sowie Privatpatienten. Sie bietet zudem Softwarelösungen und IT-Services an.
Das Softwarehaus Awinta gehört seit Frühjahr 2014 vollständig zur Gruppe. Noventi hatte die übrigen 50 Prozent der Anteile von Pro Medisoft übernommen. Anfang des Jahres wurde zudem der Konkurrent Asys vollständig übernommen. Im Juli 2014 kaufte die VSA außerdem die Mehrheit an dem Software-Anbieter BoS&S. Das Berliner Unternehmen gehört nach eigenen Angaben zu den fünf größten IT-Dienstleistern für ambulante Pflegedienste in Deutschland. Das Rechenzentrum ALG hatte die VSA 2005 aus Familienbesitz gekauft.
Die Firma AZH wurde 2002 gekauft und rechnet Leistungserbringer ab, die keine Apotheker sind. 2016 übernahm Noventi das Schweriner Apothekenrechenzentrum (SARZ) und das Schweriner Rechenzentrum für Heilberufe (SRZH). Mit dem 2012 gegründeten SRZH erweiterte Noventi die Zahl der Kunden um 4500 Heilberufler, darunter Ergotherapeuten, Hebammen, Logopäden, Medizintechniker und Friseure sowie Fahrdienste. Das Rechenzentrum hat seine Standorte in Schwerin, Berlin, Erfurt und Grimma. Mit 75 Mitarbeitern werden Erlöse von rund vier Millionen Euro erwirtschaftet.
Mit dem Kauf beider Unternehmen wollte Noventi die Marktführerschaft als Dienstleister im Gesundheitsmarkt weiter ausbauen. „Mit der Integration der SARZ und der SRZH können wir noch besser auf die zu erwartenden Herausforderungen des Gesundheitsmarktes in den kommenden Jahren reagieren“, so Noventi.
Bereits 2016 wurde die frühere Muttergesellschaft VSA neu strukturiert: Seit 2016 wurden dazu Awinta, die Rechenzentren VSA und ALG, AZH und der Softwareanbieter für ambulante Pflegedienste BoS&S unter der neuen Gesellschaft Noventi zusammengeführt. Dabei blieben die einzelnen Firmennamen ebenfalls bestehen.
Insgesamt 18 Rechenzentren konkurrieren in Deutschland um die Gunst der knapp 20.000 Apotheken. Beherrscht wird der Markt von den Big Five – den apothekereigenen Unternehmen: VSA (früher: Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken), NARZ (Norddeutsches Apothekenrechenzentrum), ARZ Haan, ARZ Darmstadt und Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker (RBA). 13 weitere mehr oder weniger große private Anbieter teilen sich den Rest. Doch der Markt steht vor Umbrüchen: E-Rezept und strengere Finanzaufsicht führen nach Ansicht von Branchenkennern zu Konzentrationsprozessen.
Inzwischen lassen etwas weniger als vier von fünf Apotheken ihre Rezepte bei einem der standeseigenen Rechenzentren abrechnen. Der Marktanteil der Big Five ist in den vergangenen Jahren nach Schätzung von Branchenkennern von 80 auf 75 Prozent gesunken. Das hängt auch mit der insgesamt sinkenden Apothekenzahl zusammen.
Auch die Marge schrumpft. Statt 0,4 Prozent vom Rezeptumsatz bleiben heute nur noch 0,2 bis 0,3 Prozent übrig, teilweise noch weniger. Einheitspreise gibt es nicht mehr. Nach Umsatz je Rezept oder Apotheke gibt es gestaffelte Sätze, auch für Hochpreiser. Die Konkurrenz ist hart, es wird um Dezimalstellen hinter dem Komma gefeilscht.
Und der Markt verändert sich: Mit der absehbaren Einführung des elektronischen Rezeptes steht ein radikaler Umbruch ins Haus. Papierrezepte müssen nicht mehr umständlich hin und her gefahren und eingescannt werden. Das Regionalprinzip bröckelt schon aus logistischen Gründen – bereits seit einiger Zeit wildern die Anbieter in fremdem Revier. Experten sind sich einig: Die Rechenzentren werden sich zu Clearingstellen mit angeschlossenem Bankgeschäft entwickeln.