Der Wort & Bild Verlag bekommt 2016 einen neuen Chef. Andreas Arntzen tritt als Chief Executive Officer (CEO) respektive Sprecher der Geschäftsführung die Nachfolge von Dr. Hartmut Becker an. Der 48-Jährige kommt von der NZZ-Mediengruppe und will Apotheken Umschau & Co. in die neue Zeit führen.
Arntzen tritt seinen Posten im März an und wird den Verlag gemeinsam mit dem Technischen Geschäftsführer Roger Schwarz (COO) und dem redaktionellen Geschäftsführer Dr. Dennis Ballwieser führen. Bei ihm sind außerdem die Geschäftsbereiche Vertrieb, Anzeigen, Finanzen/Controlling, Personal und Marketing angesiedelt.
1967 geboren, studierte Arntzen in Hamburg Betriebswirtschaftslehre mit Auslandsaufenthalten in den USA. 1998 startete er in einer Werbeagentur, bevor er für den Holtzbrinck-Verlag den damals nur in Schweden bekannten Online-Stellenmarkt Jobline launchte. Dem Medienkonzern blieb er bis 2006 treu, die Verantwortlichkeiten wechselten alle zwei Jahre: Zunächst betreute er als Investmentmanager die Unternehmensstrategie mit, danach leitete er als Geschäftsführer erst den Zeit-Verlag und dann die Verlagsgruppe Handelsblatt.
Danach leitete Arntzen die Madsack-Gruppe (Hannoversche Allgemeine, Neue Presse, Göttinger Tageblatt, Lübecker Nachrichten, Märkische Allgemeine, Leipziger Volkszeitung, Dresdner Neueste Nachrichten); hier gewann er Erfahrungen in TV und Radio (TVN Group) hinzu. 2009 trennten sich die Wege wegen „unterschiedlicher strategischer Auffassungen“. Nach einem Zwischenstopp beim Raumgestalter Art +Com kam er im September 2014 zur NZZ in die Schweiz, wo er für den Geschäftsbereich Business-Medien und Mergers & Acquisitions zuständig war.
Nebenher gründete er mehrere Start-ups im Medienbereich, allen voran Parship, aber auch Crane.tv, Voixen, Youval und Radio.de. Seine letzten Anteile an der Partnerbörse verkaufte er vor drei Monaten, an Apploft und Wesound ist er über seine Investmentfirma Earlyshare nach wie vor beteiligt.
Für Wort & Bild ist er mit diesem Hintergrund die perfekte Besetzung. Der Verlag arbeitet an neuen digitalen Formaten, die sich als Ergänzung zur Apotheken Umschau etablieren sollen. Bei der Expopharm in München hatte der Verlag vor einem Jahr eine iPad-App vorgestellt, die auf den Namen der jeweiligen Apotheke läuft und erstmals auch einen redaktionellen Bereich enthält. Bislang wurden zwar weniger als 200 Lizenzen verkauft. Doch für den Verlag ist „Elixier“ ein Experimentierfeld für künftige Projekte.
Arntzen geht es nach eigenem Bekunden darum, einerseits die Kultur und die bestehenden Werte zu wahren und andererseits den Verlag und seine Produkte „nachhaltig zukunftsfähig zu machen“. Wie Becker vertritt Arntzen die Auffassung, dass digitale Angebote aus der modernen Zeit nicht mehr wegzudenken sind.
Mit seinem breiten Hintergrund sieht er sich bestens gewappnet. „Ich werde meine Expertise einbringen. Welche Wege wir gehen, werden wir zu gegebener Zeit entscheiden.“
In Baierbrunn hatten Schwarz und Ballwieser seit Mai kommissarisch die Geschäftsleitung alleine übernommen. Damals zog sich Becker als Vertreter der Eigentümerfamilie aus dem operativen Geschäft zurück; parallel verließ Dr. Jens Emmer den Verlag überraschend. Der Apotheker galt als Vertrauter des Anfang 2014 verstorbenen Verlagsgründers Rolf Becker; mit dessen Sohn soll das Verhältnis dagegen nicht das Beste gewesen sein. Um ihm einen Gesichtsverlust zu ersparen, soll Becker seinen seit längerem geplanten Ausstieg vorverlegt haben.
Bis dahin hatte sich Becker als Herausgeber um alle redaktionellen Belange gekümmert; Emmer war in der Geschäftsführung für alle pharmazeutischen und wirtschaftlichen Themen verantwortlich. Schwarz war erst 2013 zum Verlag gekommen; er ist für die Bereiche Verlags-IT, Online und Herstellung zuständig. Ballwieser wurde im Vorfeld des doppelten Abgangs in die Geschäftsführung berufen. Der 35-Jährige hatte bis 2009 in München Medizin studiert und nebenher eine Redakteursausbildung absolviert.
Becker hatte den Verlag seit dem Abschied seines Vaters aus dem operativen Geschäft im Jahr 2007 alleine geleitet. Weitere Gesellschafter sind Nina Gühring, die bereits in der Marketingabteilung des Verlags gearbeitet hat, und Dr. Marc Becker, der als Laborarzt in einer Gemeinschaftspraxis in München tätig ist. Beide sind die Kinder von Dr. Thorsten Becker; der zweite Sohn des Firmengründers verstarb ebenfalls im vergangenen Jahr überraschend im Alter von 69 Jahren.
In der Verlagsdirektion sind Harald Pohl und Dr. Florian Schmidt-Wudy für den juristischen Bereich zuständig, Brigitta Hackmann leitet den Anzeigenverkauf. Vertrieb und Logistik sind bei Hans Endres angesiedelt, Verkaufsleiter ist Markus Allenstein. Die Werbung des Verlags betreut Ansgar Deelmann, um Herstellung/Einkauf/EBV kümmert sich Christian Kitzmüller.
1956 zum ersten Mal in einer Auflage von 50.000 Exemplaren erschienen, hat die Umschau in ihrer Geschichte ungefähr alle zehn Jahre ihre Auflage verdoppelt. Aktuell werden pro Monat rund 9,6 Millionen Exemplare in den Apotheken verteilt; vor vier Jahren hatte der Verlag kurzzeitig sogar die Marke von 10 Millionen Heften übersprungen. Seitdem hat sich Zahl stabilisiert. Rein rechnerisch kauft jede Apotheke dem Verlag knapp 230 Exemplare pro Ausgabe ab. Dazu kommen noch einmal knapp 250 Hefte von „Diabetes Ratgeber“ und „Senioren Ratgeber“ sowie „Baby und Familie“ und „medizini“ pro Monat.
Der Verlag beschäftigt rund 230 Mitarbeiter und erwirtschaftet Erlöse von rund 140 Millionen Euro, von denen schätzungsweise ein Drittel auf Anzeigenerlöse und zwei Drittel auf Abonnements entfallen.
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