Apothekenverträge: Keiner wusste irgendwas

Netzwerk Tamimi: 120 Euro Stundenlohn

, Uhr
Berlin -

Ein Mietvertrag mit kurzer Laufzeit, dazu diverse Beraterverträge und sogar eine Call-Option für den gesamten Geschäftsbetrieb – das Vertragskonstrukt der Bodensee-Apotheke in Friedrichshafen klingt apothekenrechtlich mindestens fragwürdig. Der Streit zwischen Inhaber und Investor hat es bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) geschafft. Kammer und Aufsicht sahen dagegen keine berufsrechtliche Komplikationen. Derweil werden neue Details bekannt.

Kurz vor der Übergabe an seinen Sohn hatte der langjährige Inhaber der Bodensee-Apotheke seinen Geschäftsbetrieb quasi verkauft und zurückgemietet. Dazu hatte er diverse Verträge mit mehreren Firmen von Omnicare-Gründer Oliver Tamimi geschlossen: Neben den Geschäftsräumen mietete er auch die Einrichtung und Software, dazu unterzeichnete er verschiedene Serviceverträge. Der Clou aber war ein Optionsvertrag, der Tamimis Firma das bedingungslose Recht einräumte, den Geschäftsbetrieb mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende für 50.000 Euro zu übernehmen.

Als das Verhältnis in die Brüche ging, vereinbarten beide Parteien einen Aufhebungsvertrag. Doch die Situation eskalierte: Nicht nur eröffnete der Apotheker prompt eigene Standorte, in die er auch das Personal mitnahm. Vielmehr weigerte er sich, mehrere Darlehen in Höhe von insgesamt 2 Millionen Euro zurückzuzahlen. Der Fall ging vor Gericht, wo zahlreiche Details zum Konstrukt offenbar wurden.

Aufsicht sieht keine Zuständigkeit

Doch weder Kammer noch Aufsichtsbehörde sehen Handlungsbedarf: „Uns liegen hierzu leider keine weitergehenden Informationen vor“, heißt es von der Kammer. Das Regierungspräsidium Tübingen antwortet dagegen auf Nachfrage: „Der Fall ist uns bekannt.“ Mangels Zuständigkeit hinsichtlich zivilrechtlicher Fragestellungen sei man aber nicht als Aufsichtsbehörde tätig geworden.

Omnicare wiederum ging nach der Veröffentlichung von APOTHEKE ADHOC gegenüber den Gesellschaftern hastig auf Distanz: Der Artikel stelle einen Bezug zur Omnicare her, der nicht bestehe. „Anlass der Berichterstattung ist ein seit Jahren bestehender Anspruch der myPharmacy auf Rückzahlung eines gewährten und ausgezahlten Darlehens gegenüber Bernd Nestle. Omnicare hat damit nichts zu tun.“

Die Rechtsgültigkeit dieses Anspruchs sei durch den BGH bestätigt worden. „Darüber hinaus hat der BGH keinen Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot festgestellt. Es ist aus unserer Sicht nicht viel Kreativität erforderlich, um eine naheliegende Intention des Beklagten erkennen zu lassen: den Missbrauch geltenden (Berufs-)Rechts, um der Rückzahlungspflicht erhaltener Darlehen zu entgehen. Es verwundert nicht, dass das BGH dieses Vorgehen nicht unterstützt hat.“

Hilferuf im Netzwerk

Tatsächlich hatte Tamimi sich noch vor zwei Jahren einen Hilferuf an seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Omnicare-Netzwerk geschickt: „Für ein Projekt, das wir mit der myPharmacy, also vollkommen unabhängig von der Omnicare begleiten, benötige ich persönlich dringend Unterstützung“, schrieb er im August 2021. Konkret geht es um den Betriebsübergang der Bodensee-Apotheke in der Ehlersstraße in Friedrichshafen auf die neue Inhaberin Claudia Thoma, die gerade die Betriebserlaubnis erhalten habe.

„Der ehemalige Inhaber hat bis auf 3 Mitarbeiter sämtliche Mitarbeiter dazu bewegt, dem Betriebsübergang zu widersprechen, da er eigene Pläne verfolgt, d.h. Frau Thoma, die Erwerberin steht gerade mit 3 Mitarbeitern allein in der Apotheke und kämpft um das ‚Überleben‘“, so Tamimi. „Ich würde mich freuen, wenn ihr mich bzw. die Geschäftsführung der myPharmacy und auch Frau Thoma dabei unterstützen könntet, die Apotheke in einen normalen Betrieb zu überführen.“

„Sehr attraktive Vergütung“

Man suche Ideen und konkrete Hilfestellungen, um festes Personal oder vorübergehende Aushilfen im HV und Wareneingang zu finden. „Die Situation wird sicher bis Ende des Jahres anhalten. Frau Thoma vergütet sehr attraktiv“, rechnete Tamimi vor:

  • Stundenlohn Apotheker/-innen: 120 Euro plus Mehrwertsteuer
  • Stundenlohn PTA: 35 Euro plus Mehrwertsteuer
  • Stundenlohn PKA: 25 Euro plus Mehrwertsteuer

Reisekosten würden erstattet und Unterkünfte organisiert.

„Ich würde mich über Eure Unterstützung sehr freuen. Ich bin mir sicher, dass es für jeden Helfer auch eine tolle Erfahrung ist und die aktuelle Stimmung ist trotz der herausfordernden Zeit sehr gut“, versicherte Tamimi.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr aus Ressort
ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick
Apothekenpläne: Muttis meutern bei dm
Kampagnenmotiv für Apotheken
Noventi verschickt Weihnachtsplakate

APOTHEKE ADHOC Debatte