Mit einem kostenfreien Probeabo stemmt sich die ABDA-Tochter Avoxa gegen den Niedergang der Neuen Apotheken Illustrierte (NAI) – und startet einen Angriff auf die Apotheken Umschau. Ab sofort können Apotheker, die noch kein Abo haben, 100 kostenfreie Exemplare je Ausgabe beziehen. In den letzten Jahren kämpfte die NAI gegen massive Ansehens- und Auflageverluste.
„Ja, wir bestellen garantiert kostenfrei und unverbindlich die Neue Apotheken Illustrierte für sechs Monate. Wir erhalten je Ausgabe 100 Hefte mit Extra-Rätselseiten und auf Wunsch mit unserem individuellen Firmeneindruck“, heißt es in der in der Pharmazeutischen Zeitung gedruckten Werbung. Apotheker müssen nur ein Kreuzchen setzen und das Probeabo ist gebucht. Außerdem haben Abowerber damit begonnen, Apotheker per Telefon direkt anzusprechen. Das Abonnement endet nach sechs Monaten und verlängert sich nicht automatisch, sichert die Werbung zu, „es gibt keine versteckten Kosten oder Gebühren – garantiert.“
Im Kleingedruckten steht zu lesen, dass das Angebot nur für diejenigen Apotheken gilt, die die NAI noch nicht abonniert haben. Auch eine Verrechnung innerhalb eines bestehenden Abos sei nicht möglich. Gemeint ist damit der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Ausgaben. Das Angebot gilt nur für Apotheken innerhalb Deutschland.
Pro Monat gibt es zwei Ausgaben von jeweils knapp 500.000 Exemplaren. Kostenfrei angeboten wird das „Mittelklasse“-Produkt der NAI mit Extra-Rätselheft. Bezogen werden kann auch NAI pur oder als Premiumversion NAI mit TV-Programm. Eine ganzseitige Anzeige kostet 19.900 Euro.
Das Einzelheft kostet in der Basisvariante ohne Rätsel und TV-Programm 21 Cent, das Heft mit Rätselteil kostet 30 Cent pro Exemplar, die NAI mit TV-Programm 34 Cent. Ab 200 Exemplaren sinken die Preise. Der Versand mit Trans-o-flex kostet ab 4,40 Euro pro Lieferung. Beim Branchenprimus Apotheken Umschau liegen die Heftpreise deutlich darüber.
Kostenfreie Probeabos sind in der mehrheitlich mit großen wirtschaftlichen Problemen kämpfenden Printpresse keine Seltenheit. Normalerweise werden Probeabos aber für kürzere Zeiträume angeboten. Viele kostenfreie Abos laufen nur einen oder zwei Monate. „Mit unserer zeitlich wie mengenmäßig begrenzten Aktion haben wir bereits im letzten Jahr ein Angebot entwickelt, das Apotheken, die die NAI bisher nicht beziehen, den Test ermöglicht, ob unser Produkt auch bei ihren Kunden gut ankommt. Solche Verfahren zur Neukundengewinnung, bei dem Zeitschriften über mehrere Ausgaben getestet werden können, sind im Zeitschriftenmarkt durchaus üblich“, erklärte dazu Maria Scholz, Leiterin Marketing, Vertrieb und Logistik bei Avoxa. Der Wettbewerb unter den Kundenzeitschriften sei „seit Jahren sehr intensiv“. Dies gelte gegenüber der Apotheken Umschau ebenso wie gegenüber den anderen Wettbewerbern in diesem Segment.
Mit dem sechsmonatigen Angebot dürfte die Verlagsführung bei den abonnierenden Apotheken wegen der Ungleichbehandlung für Ärger sorgen. Davon will Avoxa nichts wissen: Eine „Verärgerung der Abo-Kunden, konnten wir bislang nicht feststellen. Es gab hierzu nur wenige Rückfragen von bestehenden NAI-Abonnenten, mit denen wir stets im guten und persönlichen Austausch stehen“, so Scholz.
Die NAI kommt auf knapp 900.000 verkaufte Hefte pro Monat sowie 200.000 Freiexemplare. Seit Ende der 90er-Jahre hat sich die Auflage halbiert. Vor allem die Konkurrenz der Apotheken Umschau mit ihrer massiven TV-Werbung hat die NAI Leser gekostet: Das Magazin des Wort & Bild Verlags kommt auf eine monatliche Auflage von rund 10 Millionen Exemplaren.
Herausgegeben wird die NAI von der ABDA-Tochter Avoxa. Anfang 2016 hatte die ABDA den Govi-Verlag und die Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker (WuV) zu Avoxa verschmolzen. Geschäftsführer sind Metin Ergül und Peter Steinke. Insgesamt sind im Unternehmen mit Sitz in Eschborn rund 185 Mitarbeiter beschäftigt.
Mit dem kostenfreien Probeabo soll die Auflage der NAI offensichtlich gepusht werden. Würden alle Apotheken das Angebot wahrnehmen, wäre einen Vervierfachung der Auflage auf 24 Millionen Exemplare im Halbjahr des Angebots möglich.
Apotheker sehen das Angebot mit gemischten Gefühlen: „Das wirft die Fragen nach der Verwendung der Avoxa-Erträge auf“, so Apotheker Gunnar Müller: „Was das wohl der ABDA weniger an Profit einbringt und dann von den Mitgliedsorganisationen über eine höhere Umlage eingezogen wird...?“
Müller wurde telefonisch von Avoxa-Werbern kontaktiert. Ihm wurde mitgeteilt, dass das Probeabo ab August lieferbar sei. Den Termin hält Müller für „völlig daneben“. Denn schließlich müssten noch bestehende Umschau-Abos beim Mitbewerber Wort & Bild-Verlag bis spätestens 31. August eines Jahres gekündigt werden. „Ein 1-Monatiger Bezug der NAI dürfte in aller Regel noch keine ausreichende Grundlage geben, eine Veränderung des Abos bezüglich ‚Umschau‘ zu überdenken“, so Müller.
Für Müller ist das Angebot daher wenig durchdacht und „wieder einmal nur operative Hektik bei ABDA/AVOXA anstelle einer wohl kalkulierten, starken Aktion und neue Kosten - ohne wirklich Aussicht auf Erfolg.“ Es bleibe aber die Hoffnung, dass sich die inzwischen in Inhalt und Layout verbesserte NAI „ihr teilweise pomadiges Auftreten endlich abgelegt hat“. Müller will jedenfalls ein Probeabo buchen.
Avoxa kommt auf Umsätze von knapp 45 Millionen Euro. Der Gewinn lag 2016 bei 7 Millionen Euro. 23 Millionen Euro steuert das Verlagsgeschäft zu den Erlösen bei, allerdings stand vor allem das Anzeigengeschäft zuletzt unter Druck. Neben der NAI werden auch die PZ sowie Fachbücher herausgegeben. 15 Millionen Euro entfallen auf den Geschäftsbereich ABDATA, 5 Millionen Euro auf Messen und Kongresse. Zur Avoxa gehört außerdem die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA).
Zuletzt traten bei der NAI zwei neue Chefredakteure ihren Dienst an. Rüdiger Freund und Peter-Erik Felzer übernahmen gemeinsam die Chefredaktion und auch die Leitung des Gesundheitsportals aponet.de. Die bisherige Chefredakteurin Jutta Petersen-Lehmann war nach mehr als 30-jähriger Tätigkeit für Govi/Avoxa in den Ruhestand gegangen. Petersen-Lehmann ist PTA und Apothekerin; sie begann ihre journalistische Karriere 1987 als Redakteurin bei der Pharmazeutischen Zeitung (PZ). 1992 machte der damalige Verlagschef Peter J. Egenolf sie zur Chefredakteurin der NAI; parallel war sie verantwortlich für die Ratgeber-Reihe „Gesundheit mit der Apotheke“. 2010 übernahm sie zudem die redaktionelle Leitung von aponet.de, dem „offiziellen Gesundheitsportal der deutschen Apothekerinnen und Apotheker“.
Die neue Doppelspitze kommt aus dem eigenen Haus: Felzer ist von Hause aus Volkswirt, er arbeitete zeitweise für lokale Radiosender und die Bild-Zeitung. Seit 1996 konzentriert er sich bei seiner journalistischen Arbeit auf medizinische Themen und ist zudem Autor einiger Patienten-Ratgeber, seit 2006 ist er für die NAI tätig. Freund ist Apotheker und hat einige Jahre in öffentlichen Apotheken gearbeitet, bevor er 1999 in den Medizinjournalismus wechselte. Seit 2003 gestaltete er die NAI mit und betreute zudem seit vielen Jahren aponet.de. Für die Ratgeber des Verlags übernahm er regelmäßig das Lektorat.
APOTHEKE ADHOC Debatte