Nahrungsergänzungsmittel

Drogerie-Ginkgo: Klosterfrau will vor den BGH

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Berlin -

Dürfen Drogerien Ginkgo-Präparate verkaufen? Diese Frage muss der Bundesgerichtshof (BGH) klären. Dr. Willmar Schwabe will alle Nahrungsergänzungsmittel mit entsprechenden Extrakten verbieten lassen. Klosterfrau verteidigt sein Produkt – und damit den zusätzlichen Vertriebsweg.

Das Oberlandesgerichts Hamm (OLG) hatte entschieden, dass das Präparat „Klosterfrau Ginkgo Plus“ als Nahrungsergänzungsmittel nicht verkehrsfähig ist. Der Extrakt mit 100 mg Ginkgo habe eine pharmakologische Wirkung, so die Begründung. Daher wurde dem Kölner Hersteller untersagt, das Produkt weiter ohne Zulassung in Verkehr zu bringen und zu bewerben. Das bereits im November verkündete Urteil wird nun vollstreckt.

Schwabe hatte nicht nur auf die pharmakologische Wirkung abgehoben (Funktionsarzneimittel), sondern auch auf die verbreitete Verkehrsauffassung, nach der Ginkgo zumindest als Präsentationsarzneimittel einzustufen sei. Schließlich wurde Ginkgo als nicht zugelassener Lebensmittelzusatzstoff gesehen.

Klosterfrau leugnete, dass das eigene Produkt eine pharmakologische Wirkung habe. Es sei nicht monographiekonform, außerdem werde Ginkgo nicht allgemein als Arzneimittel gesehen, sondern seit langer Zeit in einer Vielzahl von Lebens- und Nahrungsergänzungsmitteln verwendet. Mit zwei bis drei Tassen Ginkgo-haltigen Tees könnten dieselben Wirkungen erzielt werden wie mit dem eigenen Produkt.

Die Richter ordneten schließlich ein Sachverständigengutachten an. Nachdem Klosterfrau den ersten Experten wegen Befangenheit ablehnte, wurde schließlich die Meinung von Professor Dr. Michael Keusgen eingeholt. Der Dekan des Fachbereichs Pharmazie in Marburg ist als Vorsitzender einer gemeinsamen Expertenkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ein ausgewiesener Experte, wenn es um die Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln geht.

Auf der Grundlage von vier Studien kam Keusgen zu dem Schluss, dass durch Ginkgo-Extrakte „physiologische Funktionen in signifikanter Weise pharmakologisch beeinflusst werden“: So sei ab einer Tagesdosis von 100 mg eine signifikante Signalzunahme im Alpha-Frequenzband nachgewiesen. Schon ab 80 mg sei eine signifikante Abnahme der Blutviskosität mit der Folge einer verbesserten Gehirndurchblutung und eine dadurch bedingte Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten belegt.

Die Richter waren damit überzeugt, dass der positive wissenschaftliche Nachweis der pharmakologischen Wirkung erbracht sei. „Es besteht eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen des Extrakts und zellulären Bestandteilen des Körpers des Anwenders“, heißt es im Urteil. Diese Kriterien hatte vor einigen Jahren der EuGH festgelegt.

Dass nicht der Klosterfrau-, sondern der Schwabe-Extrakt untersucht worden war, spielt laut Gericht ebenfalls keine Rolle: Einerseits seien die Unterschiede des Extraktionsmittels laut Gutachten zu vernachlässigen. Andererseits gebe es eine Analyse des Zentrallaboratoriums (ZL), bei der das Klosterfrau-Produkt sogar mit leicht höheren Gehalten an Terpenlactonen und Flavonen als wertbestimmenden Komponenten abgeschnitten hatte. Hinweise, dass Schwabe Einfluss auf die Studien genommen hätte, gebe es ebenfalls nicht.

Auch den Vergleich mit anderen Ginkgo-Zubereitungen akzeptierten die Richter nicht, da es weder in der Zusammensetzung vergleichbare Lebensmittel gebe noch Nachweise zu deren Wirksamkeit. Die Richter in Hamm unterstrichen, dass die pharmakologische nicht mit der therapeutischen Wirksamkeit zu verwechseln sei. Insofern sei weder zu beanstanden, dass die Studien mit gesunden Personen durchgeführt worden seien, noch sei – wie von Klosterfrau beantragt – die Meinung eines Experten für Ernährungsmedizin einzuholen.

Klosterfrau will nun vor den BGH ziehen, Revision wurde einem Sprecher zufolge innerhalb der gesetzten Frist eingelegt. Der Streit zieht sich seit 2008; überhaupt führt Schwabe seit Jahren verschiedene Verfahren gegen die Anbieter von frei verkäuflichen Ginkgo-Produkten. Der Erfolg war bislang überschaubar.

Weil sich die Bedeutung der pharmakologischen Wirkung bei den Gerichten in einem langwierigen Prozess erst einmal habe durchsetzen müsse, habe man parallel andere Argumentationen verfolgt, sagt eine Schwabe-Sprecherin. Wegen der komplexen Abhängigkeiten habe nicht jede einzelne Entscheidung vollstreckt werden können. Stattdessen sei eine Vielzahl an Ginkgo-Nahrungsergänzungsmitteln auf dem Markt verblieben.

Das aktuelle Urteil bestätige nun endlich, dass Ginkgo-Präparate aufgrund ihrer pharmakologischen Wirkung als zulassungspflichtige Arzneimittel einzustufen seien. Damit habe man nun einen erneuten Ansatz, dass diese Produkte sukzessive aus dem Handel verschwinden müssten.

Schwabe hatte Tebonin 1965 auf den Markt gebracht; schon in den 1950er Jahren hatte das Familienunternehmen begonnen, die damals in der Heilkunde völlig unbekannte Pflanze aus China wissenschaftlich zu untersuchen. Während Ärzte die durchblutungsfördernde Wirkung erforschten, suchten die Technologen nach einem Verfahren, um einen möglichst verträglichen Auszug zu gewinnen.

Im vergangenen Jahr verlor Tebonin sein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal: Seit das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Monographie zu der Arzneidroge verabschiedet hat, können alle Hersteller, die dieselben Pflanzenarten und -teile verwenden und sich bei der Extraktion an die Vorgaben halten, sich bei ihrem Zulassungsantrag auf den Standard beziehen. Da parallel auch verschiedene Patente zum Extraktionsverfahren abgelaufen sind, ist das Original faktisch nicht mehr geschützt. Auf dieser Grundlage konnten Aliud und Stada, Heumann sowie Queisser unter seiner Apothekenmarke Doppelherz System entsprechende Varianten auf den Markt bringen.

Von den zuletzt 195 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) entfallen 46 Prozent auf Tebonin. Neben den Varianten mit 40, 80 und 120 mg gibt es seit 2008 „Tebonin konzent“ mit 240 mg und seit 2013 „Tebonin 120 mg bei Ohrgeräuschen“. Laut Insight Health ist Tebonin die Nummer 2 unter den OTC-Produkten im Versandhandel; fast ein Viertel des Umsatzes entfällt bei dem Schwabe-Produkt auf diesen Vertriebskanal.

Gingium (Hexal) kommt auf 31 Prozent, Ginkobil Ratiopharm auf 16 Prozent und Ginkgo-Maren (Krewel Meuselbach) auf 3 Prozent. Der Rest verteilt sich auf Produkte wie Binko (Neuraxpharm), Gingiloba (1A), Ginkgo Sandoz, Kaveri (Klosterfrau) und die Schwabe-Zweitmarken Rökan und Craton.

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