Femibion/Elevit: Vitamine für den Kinderwunsch Patrick Hollstein, 04.10.2016 15:07 Uhr
Während der Schwangerschaft gehört die Supplementation mit wichtigen Vitaminen zum Standard. Doch auch Frauen mit Kinderwunsch sollten bereits Folsäure & Co. einnehmen. Merck und Bayer haben jetzt reagiert und ihre Marken Femibion und Gynvital um Produkte erweitert, die vor der Schwangerschaft eingenommen werden müssen.
Unter der Bezeichnung „Femibion Babyplanung 0“ bringt Merck ein Produkt für Frauen mit Kinderwunsch auf den Markt. Die Zahl steht für die Phase, in der die Tabletten eingenommen werden müssen – nämlich vor Beginn der Schwangerschaft: Schwangere Frauen können ja nach Stadium auf „Femibion Schwangerschaft 1“ und „Femibion Schwangerschaft 2“ zurückgreifen.
Femibion 1 wurde auch in der Vergangenheit bereits vor der Schwangerschaft empfohlen. Das neue Produkt enthält zwar ebenfalls 800 µg Folsäure und 150 µg Jodid, aber deutlich weniger Vitamin E. Auch Riboflavin (B2), Pyridoxin (B6) und Cyanocobolamin (B12) sind reduziert. Thiamin (B1), Biotin (B7), Nicotinamid (B3) und Pantothensäure (B5) sind gar nicht enthalten, dafür 20 µg Colecalciferol (D3).
Femibion 2 enthält im Vergleich zu Femibion 1 neben Vitaminen einen um die Hälfte reduzierten Folsäure-Anteil sowie die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA). Das Präparat ist für Frauen ab der 13. Schwangerschaftswoche und bis zum Ende der Stillzeit gedacht. Im April 2015 wurden zusätzlich Varianten mit Vitamin D3 und Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl auf den Markt gebracht.
Bei Bayer gab es bislang mit „Elevit Gynvital“ nur ein Produkt. Neu sind „Elevit 1 Kinderwunsch & Schwangerschaft“ und „Elevit 2 Schwangerschaft“. Wie bei Merck unterscheiden sich die Produkte nur geringfügig in der Zusammensetzung.
Mit Folsäure-Präparaten wird in Apotheken laut IMS-Zahlen ein Jahresumsatz von rund 86 Millionen Euro auf Basis der Herstellerabgabepreise erzielt. Insgesamt werden rund 3,7 Millionen Packungen verkauft. Die Produkte werden vor allem von Gynäkologen empfohlen: Laut Merck gehen knapp die Hälfte der Verkäufe auf Arztempfehlungen zurück, die Apotheken sind nur in etwa 25 Prozent ausschlaggebend. „Viele Kundinnen sind unsicher und wünschen sich eine Beratung in der Apotheke“, sagt Marketingchefin Christiane Boventer. Werdende Mütter seien perfekt für die Kundenbindung.
Femibion ist mit einem Anteil von 60 Prozent nach Umsatz unangefochtener Marktführer. Das Präparat hat der Darmstädter Konzern selbst entwickelt und vor 20 Jahren in Deutschland auf den Markt gebracht. Verwendet wird neben Folsäure auch Metafolin, das nicht verstoffwechselt werden muss und dem Körper direkt zur Verfügung steht. Die spezielle Formulierung wurde von der Konzerntochter Millipore entwickelt und an andere Hersteller lizensiert: Klosterfrau hat sich für die Vitalstoffmarke Taxofit die Rechte gesichert. Bayer hat die Lizenz vor Jahren von Merck erworben. Das Patent endet 2018.
Der Leverkusener Konzern hat Elevit im Juli 2015 auf den Markt gebracht. Zuvor hatte Bayer mit Gynvital Gravida ein Präparat mit 400 µg Folsäure sowie verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen angeboten. Die Jenapharm-Marke ist weiterhin erhältlich; für Elevit wurde die Rezeptur um Metafolin erweitert. Außerdem wurde die Größe der Kapsel für eine leichtere Einnahme verringert.
Mit seinem älteren Produkt kommt Bayer auf einen Marktanteil von 8 Prozent und besetzt den 3. Platz. Davor rangiert Folio von Steripharm mit einem Anteil von 14 Prozent. Das Produkt enthält die beiden Vitamine Folsäure und Vitamin B12 sowie Jod. Die Berliner Firma bietet auch ein hochdosiertes Präparat an.
Weitere Marken sind Nausema gegen Schwangerschaftsübelkeit sowie FolPlus für Konzentration und Gedächtnisleistung. Das 1981 gegründete Unternehmen geht auf die Park-Apotheke von Dr. Dieter Schöne zurück. Der Pharmazeut hatte sich bereits in den 1990er Jahren intensiv mit Folsäure beschäftigt. Das Geschäft wird heute von seiner Tochter Dr. Franziska Coenders geführt.
Orthomol liegt mit einem Anteil von 6 Prozent auf dem vierten Platz. Der hochpreisige Wirkstoffmix enthält 500 µg Folsäure. Dahinter rangiert der Lebensmittelkonzern Nestlé mit Materna mit einem Anteil von 4 Prozent. Das Produkt gehörte bis 2012 zur Dachmarke Centrum von Pfizer; die Amerikaner hatten ihre Babynahrungssparte an den Lebensmittelkonzern verkauft. Weitere Anbieter in Apotheken sind Queisser mit Doppelherz System Schwangere + Mütter oder my Bellence von Rottapharm-Madaus, jetzt Meda.
Zu den bekannten OTC-Marken von Merck gehören außerdem Kytta, Nasivin, Cebion, Multibionta, Bion3, Vigantoletten, Epamax und Kohle Compretten. Insgesamt gehören die Darmstädter mit einem Umsatz von rund 130 Millionen Euro auf AVP-Basis zu den führenden OTC-Herstellern in Deutschland. Den Geschäftsbereich, der gerade erst umstrukturiert wurde, leitet Dr. Ralph Grobecker, der davor unter anderem für McKinsey und das Hilfsmittel-Portal Otop gearbeitet hatte. Weltweit erwirtschaftet Merck mit OTC-Produkten rund 770 Millionen Euro.
In Deutschland wurden 2014 so viele Kinder geboren wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Zahl der Geburten ist laut Statistisches Bundesamt um 5 Prozent auf rund 715.000 gestiegen. Schwangere und Mütter haben einen höheren Bedarf an Folsäure. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine tägliche Zufuhr von bis zu 550 µg, bei allen anderen Erwachsenen liegt der Wert bei 300 µg.
In Studien hat sich laut DGE gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen der Zufuhr von Folsäure und einem geringeren Risiko für die Entstehung von Neuralohrdefekten bei Neugeborenen gibt. Schwangeren wird eine tägliche Supplementation von 400 µg empfohlen. Dies gilt auch für die Zeit vier Wochen vor der Empfängnis.