Pillpack

Nächster Schritt: „Amazon Pharmacy“ Tobias Lau, 20.11.2019 11:52 Uhr

Berlin - 

Amazon geht den Weg in die Apothekenbranche nun auch im Namen: Der Konzern hat seinen Arzneimittelversender Pillpack neu gebrandet. Künftig steht im Logo des 2018 übernommenen Unternehmens nicht mehr „Pillpack, an Amazon Company“, sondern „Pillpack by Amazon Pharmacy“. Der Schritt wird als Menetekel für ein weiteres Engagement auf dem Arzneimittelmarkt gedeutet.

Dass Amazon den gesamten Gesundheitsmarkt aufmischen will, daran zweifelt niemand mehr – wie akut die Gefahr für die etablierten Player bereits ist, darüber gehen die Meinungen noch auseinander. Zumindest darüber, dass die USA vor Europa dran sein werden, herrscht Einigkeit.

Die jetzige Einführung des Labels „Amazon Pharmacy“ befördert nun jenseits des großen Teichs die Sorge, dass Amazon bald das nächste Ass aus dem Ärmel ziehen könnte. Denn dass neben dem Schlagwort „pharmacy“ unter dem Pillpack-Logo nun statt dem Artikel „an” (Amazon company) die Präposition „by“ (Amazon Pharmacy) steht, impliziert, dass es eine übergeordnete Abteilung gibt. Gleichzeitig gibt es Anzeichen für einen massiven Ausbau von Pillpack: Seit mehreren Wochen stehen auf der Amazon-Seite kontinuierlich im Durchschnitt 50 Stellenausschreibungen online. Gesucht wird so ziemlich alles von Apothekern über Projektmanager bis Softwareentwicklern.

Bisher hat Amazon laut übereinstimmenden Medienberichten noch nicht auf Anfragen zum Thema reagiert. Tatsächlich ist Pillpack – wie die in Deutschland gängigen Online-Versender – bereits formell eine Apotheke: Das Unternehmen hat in jedem der 50 US-Bundesstaaten eine Apothekenlizenz. Das Geschäftskonzept geht jedoch über eine normale Online-Apotheke hinaus: Pillpack stellt und verblistert für angemeldete Patienten die jeweilige Tagesdosis und versendet sie per Post.

Ganz rund läuft der Ausbau des Apothekengeschäfts bei Amazon bisher allerdings nicht. Der Konzern hat mit erheblichen Widerständen der etablierten Marktakteure zu kämpfen. Dazu gehört auch der Gerichtsprozess, als dessen Resultat es Amazon untersagt wurde, John Lavin zu rekrutieren, einen ehemaligen Spitzenmanager der CVS-Tochter Caremark, einem Pharmacy Benefit Manager (PBM), die in den USA maßgeblich die Preisbildung bei Arzneimitteln steuern. Der Postenwechsel stelle eine erhebliche Gefahr dar, da Lavin seine internen Kenntnisse nutzen werde, um das Geschäftsmodell von CVS Caremark zu zerstören, argumentierter CVS vor Gericht. Denn trotz Dementi gebe es Belege dafür, dass der Konzern plant, den bisherigen Aufbau des Gesundheitssystems zu umgehen, indem er seine Marktmacht nutzt, um Preise und Rabatte direkt mit den Versicherungen zu verhandeln.

Apotheken, Arzneimittelhersteller, Versicherer, Kliniken: Amazon ist mittlerweile in fast allen Sektoren des Gesundheitswesens aktiv. Als weiteres Menetekel für einen bevorstehenden Großangriff auf die Branche wurde deshalb kürzlich die Übernahme des Start-ups Health Navigator gewertet, nach Pillpack die zweite Akquisition im Gesundheitswesen. Health Navigator soll voll in das neue Gesundheitsprogramm Amazon Care integriert werden; das wird seit September am Hauptstandort des Konzerns in Seattle erprobt und beinhaltet im Wesentlichen ein umfassendes telemedizinisches Angebot. Per App, Live-Chat oder Video können sich Patienten ärztlich beraten lassen oder persönliche Konsultationen vereinbaren. Auch ein Arzneimittelversand ist integriert, die Lieferung ist sowohl nach Hause als auch in eine Apotheke möglich.

Besorgnis erregt die Übernahme bei der Konkurrenz wegen des Kerngeschäfts von Health Navigator. Das sind nämlich Programmierschnittstellen, kurz: API. Das Unternehmen mit ein paar Dutzend Mitarbeitern ist darauf spezialisiert, telemedizinische Plattformen und andere Anwendungen zu standardisieren und integrieren. Vereinfacht gesagt: dafür zu sorgen, dass Teledoktor, Online-Apotheke und Krankenversicherung reibungslos Hand in Hand arbeiten.