Es soll der Befreiungsschlag werden: Um sich aus seiner schwierigen Finanzlage zu retten, verkauft der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose seine komplettes Geschäft in der Schweiz – also jene Aktivitäten, mit denen vor 30 Jahren alles begann. Nach eigenem Bekunden ist der Versender dann schuldenfrei. Aber stimmt das?
360 Millionen Franken zahlt die Supermarktkette Migros für die Aktivitäten von Zur Rose in der Schweiz, davon entfallen 50 Millionen Franken auf geistige Eigentumsrechte. Der größte Teil fließt nach der für das zweite Quartal erwarteten Freigabe durch die Behörden sofort, 47 Millionen Franken werden allerdings erst nach Erreichen eines bestimmten Ertragsziels (Ebitda-Ebene) im Jahr 2024 fällig.
Durch den Mittelzufluss werde man weitgehend schuldenfrei sein, versichert das Management. „Schuldenfrei heißt, dass die liquiden Mittel reichen, um die Schulden weitgehend zurückzubezahlen“, so eine Sprecherin auf Nachfrage. Dies schließe auch die Rückzahlung der Anleihen ein.
Aktuell laufen bei Zur Rose vier Anleihen im Gesamtvolumen von einer halben Milliarde Franken:
Hinzu kommen langfristige Finanzverbindlichkeiten, die im Halbjahresbericht mit 58 Millionen Franken angegeben wurden. Anleihen und Schulden stehen allerdings auch flüssige Mittel gegenüber, Ende Juni waren es immerhin 200 Millionen Franken. Trotz der Kapitalmaßnahme im September dürfte dieses Polster aufgrund des anhaltenden negativen Cashflows weiter drastisch abgeschmolzen sein.
Laut Finanzvorstand Marcel Ziwica sinkt die Nettoverschuldung durch den Verkauf des ehemaligen Kerngeschäfts von 390 auf 30 Millionen Franken.
Aus dem „Schneider“ ist Zur Rose damit freilich nicht. Denn nach wie vor verbrennt der Versender in großem Umfang Geld – dass ausgerechnet der einzige Bereich mit positivem Deckungsbeitrag versilbert wird, macht es nicht einfacher, das Ziel des Programms „Break even 2023“ zu erreichen: Noch in diesem Jahr will Zur Rose ein ausgeglichenes operatives Ergebnis erzielen, 2024 soll auch der Mittelabfluss gestoppt werden. Nicht weniger als 130 Millionen Schweizer Franken will das Management pro Jahr einsparen – und zwar unabhängig vom E-Rezept.
Laut Ziwica wird die Refinanzierung für Zur Rose nun allerdings erheblich leichter. Mit einer Eigenkapitalquote von 73 Prozent nach Rückzahlung der Anleihen sei man in einer guten Position, um sich zu refinanzieren. Da der Deal keinen Einfluss auf die Fälligkeiten habe, habe man nun genügend Zeit, eine neue Finanzierungsstrategie auszuarbeiten. Details nennen wollte er nicht. Zunächst will man sich noch um den verbliebenen Immobilienbesitz kümmern, der ebenfalls wohl noch einmal Geld in die Kasse spülen könnte.
Anders als Ziwica ist CEO Walter Hess sichtlich bemüht, den Deal weniger als Notverkauf darzustellen, sondern als strategisches Projekt: Man sei überzeugt, dass das E-Rezept noch in diesem Jahr eingeführt werde, daher wolle man alle Kraft auf den deutschen Markt richten. Der Markt sei schließlich im Vergleich zur Schweiz riesig. Auch die Ausgabendisziplin könnte dann wieder wackeln: Noch sehe man keinen Grund, wieder in Marketing zu investieren. Sobald aber das E-Rezept da sei, werde man die Situation neu bewerten.
Ein Zugeständnis macht Hess dann doch noch an die Ärztinnen und Ärzte, die Zur Rose vor 30 Jahren als Praxislieferant gegründet hatten: Am Firmensitz in der Schweiz wird nicht gerüttelt, genauso wenig wie an der Listung an der Schweizer Börse. Faktisch ist Zur Rose aber längst in den Händen des Kapitalmarktes. Über die Wandelanleihen sitzen verschiedene Banken auf Aktienpaketen – darunter auch Morgan Stanley. Die US-Großbank war einer von zwei Finanzberatern bei der aktuellen Zerschlagung.
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