Hersteller dürfen in der Fachinformation die pharmakologische Wirkung ihrer Produkte nicht ausschließlich aus Tierversuchen ableiten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Streit über Sinupret-Saft entschieden. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Die Entscheidung könnte aber zu einigem Durcheinander in den amtlichen Aussagen zu den Produkten führen.
In der Fachinformation heißt es zur Pharmakodynamik: „In zwei verschiedenen Tiermodellen (Ratte, Kaninchen) ist eine sekretolytische Wirkung des Mischauszugs sowie der Einzelstoffe beobachtet worden. Im Carrageenin-Ödem-Test an der Ratte wurde bei Verabreichung der Kombination eine dosisabhängige Verringerung des Pfotenödems gegenüber der Kontrollgruppe beobachtet.“
Bei der Zulassung des Safts im Jahr 2009 akzeptierte das BfArM diese Aussagen; als 2013 die Verlängerung anstand, forderte die Behörde plötzlich die Streichung: Die postulierte pharmakologische Wirkung sei aus den vorgelegten präklinischen Unterlagen nicht ableitbar, hieß es zur Begründung. Den meisten der beobachteten Effekte lägen Untersuchungen mit einer Dosierung zugrunde, die in der klinischen Anwendung nicht erreicht werden könne. Im Übrigen seien In-vitro-Ergebnisse – jedenfalls ohne geeignete In-vivo-Korrelate – nicht geeignet, pharmakodynamische Eigenschaften zu begründen.
Der Fall ging vor Gericht. Laut Verwaltungsgericht Köln (VG) hat der Hersteller zwar keinen Anspruch auf eine Zulassungsverlängerung mit der gewünschten Formulierung in der Fachinformation. Und tatsächlich könnten gesicherte Aussagen zu den pharmakodynamischen Eigenschaften eines Arzneimittels regelmäßig nur aufgrund klinischer Erkenntnisse am menschlichen Organismus getroffen werden.
Angesichts des Umstands, dass das BfArM aber – wie von Bionorica anhand einer Auflistung gezeigt – Hinweise auf präklinische Untersuchungen bei zahlreichen Arzneimitteln anderer Unternehmen beanstandungslos hinnehme, erweise sich die verfügte Auflage aber als gleichheitswidrig. Die Richter gaben der Behörde auf, ein nachvollziehbares System zu entwickeln, beispielsweise ein nach Arzneimittelgruppen gestuftes Vorgehen.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) wies die Klage insgesamt ab: Ein unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung folgender Gleichbehandlungsanspruch scheide aus: Auch durch eine ständige Verwaltungspraxis könne sich eine Behörde nicht über gesetzliche Regelungen hinwegsetzen.
Spannend wird nun die Urteilsbegründung der obersten Verwaltungsrichter in Leipzig. Denn es geht um ein grundsätzliches Problem: Seit 2005 müssen Hersteller ihre Zulassungen nicht mehr regelmäßig alle fünf Jahre erneuern lassen, sondern nur einmalig. Viele Präparate dürften damit keine Verlängerung mehr benötigen, was am Ende zu unterschiedlichen Angaben bei vergleichbaren Produkten führen könnte. Denn das BfArM hat in der Regel nur im Rahmen von Änderungen der Zulassung die Möglichkeit, eigene Vorgaben zu machen.
Die strittigen Aussagen finden sich auch bei den anderen Produkten der Sinupret-Familie, bei den Tropfen wird außerdem auf einen In-vitro-Plaque-Reduktions-Test verwiesen, mit dem eine gute antivirale Aktivität nachgewiesen werden konnte. „Sinupret hemmt die Vermehrung von verschiedenen Atemwegsviren, wie Influenza A, Parainfluenza und RS (respiratory syncytial)-Viren“, heißt es da.
Bei Sinupret extract hingegen kann der Hersteller die Aussagen zur Pharmakodynamik tatsächlich aus einer klinischen Studie nachweisen. Die Differenz zu Placebo war demnach statistisch signifikant für die Symptome „Retronasale Sekretion“, „Nasale Sekretion“, „Kopfschmerz“ und „Gesichtsschmerz“ (außer „Verstopfte Nase“) sowie die Lebensqualität.
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