Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum OTC-Versand durch Apotheken über Amazon und nötigen Einwilligungserklärungen zeigt erste Konsequenzen. Abmahnungen seien bereits an rund 40 Versandapotheken verschickt worden, informiert die Versandapotheke Sanicare, die selbst betroffen ist. Hintergrund ist eine Entscheidung aus Karlsruhe, wonach bei der Bestellung von OTC-Medikamenten eine Einverständniserklärung der Kundinnen und Kunden zur Verarbeitung ihrer persönlichen Gesundheitsdaten vorliegen muss.
Rezeptfreie Medikamente könnten bald nicht mehr über Amazon verkauft werden. Darauf weist Sanicare hin. Versandapotheken in Deutschland stoppen ab Ende April den Vertrieb apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform. Viele Apotheken haben demnach bereits Unterlassungserklärungen unterzeichnet. „Die Frist für weitere Anbieter endet am 28. April 2025. Es ist davon auszugehen, dass rezeptfreie Medikamente ab diesem Zeitpunkt nicht mehr über Amazon erhältlich sein werden.“
Grund ist eine Klage des Apothekers Dr. Hermann Vogel jr. aus München, der nach Jahren durchgesetzt hat, dass Amazon ohne Einwilligungserklärung keine OTC-Bestellungen für Apotheken mehr aufnehmen darf. Ohne ausdrückliche Einwilligung der Kund:innen liegt laut Sanicare ein Verstoß gegen Art. 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor – verbunden mit der Gefahr von Ordnungsgeldern bis zu 250.000 Euro für Versandapotheken.
Die volle datenschutzrechtliche Verantwortung trage laut dem BGH-Urteil nicht Amazon, sondern die anbietende Apotheke. Der Plattform fehle aktuell aber die notwendige Infrastruktur zur Einholung einer DSGVO-konformen Einwilligung.
Sanicare warnt vor Marktverengung und Ausweichbewegung: „Wir stehen für einen sicheren, verantwortungsvollen Onlinevertrieb von Medikamenten. Doch ohne einen rechtssicheren technischen Rahmen – insbesondere eine DSGVO-konforme Einwilligung im Bestellprozess – können wir unsere Produkte auf Amazon nicht länger anbieten, ohne juristische Konsequenzen zu riskieren“, sagt Marcus Diekmann, Chief Digital Officer und Mitgesellschafter der Sanicare Gruppe.
Die aktuelle Entwicklung sei ein Beispiel dafür, wie gut gemeinte Regulierung zur Marktverengung führen könne. „Unsere Erfahrung zeigt: Kund:innen geben ihre Daten seit Jahren bewusst und freiwillig an – aus Interesse an ihrer Gesundheit, nicht aus Zwang.“ Wenn Versandapotheken Amazon verlassen müssten, profitierten davon nicht die stationären Apotheken, sondern große Anbieter aus dem Ausland: „Kund:innen, die online bestellen möchten, werden zu niederländischen Plattformen wechseln – mit allen bekannten Risiken und einem Verlust an Wertschöpfung in Deutschland.“
Diekmann fordert „schnelle, konkrete Maßnahmen, um diesen wichtigen Vertriebskanal zu sichern“. „Sonst drohen nicht nur wirtschaftliche Schäden durch Absatzrückgänge, sondern auch ein Präzedenzfall, der weitere sensible Produktgruppen im E-Commerce gefährden könnte.“ Es müssten gemeinsame Lösungen entwickelt werden, um „kurzfristig eine technische Möglichkeit zur Einwilligung im Amazon-Checkout zu etablieren. Jetzt braucht es Dialog statt Blockade“.