„Sind sehr routiniert bei Suche nach Alternativen“

Mycare fürchtet Engpässe im Winter Nadine Tröbitscher, 17.10.2024 13:47 Uhr

„Trotz gesetzlicher Maßnahmen wie dem Lieferengpassbekämpfungsgesetz, das die Verfügbarkeit von Medikamenten stabilisieren soll, bleibt die Versorgungslage angespannt“, sagt Martin Schulze, Apotheker bei Mycare. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Mit Sorge blicken Ärzt:innen und Apothekenteams in den bevorstehenden Herbst und Winter und warnen vor möglichen Lieferengpässen bei hunderten Arzneimitteln. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (Engpassgesetz, ALBVVG) bringe bislang keine Besserung der angespannten Lage. Jetzt meldet sich mit Mycare eine Versandapotheke zu Wort – auch in diesem Winter bleibe die Arzneimittelknappheit eine erhebliche Herausforderung.

Vor Kurzem kam der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe in einer Sondersitzung zusammen und vermeldete für Schmerz- und Fiebersäfte sowie Antibiotika für Kinder eine Entspannung der Versorgungslage für den Herbst und Winter. Für Arzneimittel der Dringlichkeitsliste sei die Versorgung grundsätzlich sichergestellt.

Dennoch sind auf der Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rund 500 Arzneimittel gelistet. „Trotz gesetzlicher Maßnahmen wie dem Lieferengpassbekämpfungsgesetz, das die Verfügbarkeit von Medikamenten stabilisieren soll, bleibt die Versorgungslage angespannt“, sagt Martin Schulze, Apotheker und Leiter der pharmazeutischen Kundenbetreuung bei Mycare.

Besonders in der Erkältungszeit spitze sich die Situation bei bestimmten Arzneimitteln wie Antibiotika oder Asthmamitteln weiter zu. Das ALBVVG bietet Apotheken laut Schulze zwar mehr Flexibilität im Umgang mit Alternativpräparaten, aber eben nur, wenn Alternativen verfügbar sind. „Sind sie es nicht, bleibt der Zeitaufwand in der täglichen Versorgung unverändert hoch und die Versorgungssicherheit weiterhin gefährdet.”

Lieferengpässe offenbarten die strukturellen Schwächen in der Versorgungskette, so Schulze. Diese sei maßgeblich durch die globale Abhängigkeit von Wirkstoffen aus Asien bedingt. Weil der Großteil der Wirkstoffe in China und Indien produziert werden, reißt die Lieferkette ab, wenn dort ein Hersteller ausfällt und nicht kurzfristig reagieren kann. „Diese Abhängigkeit führt dazu, dass selbst kleinste Störungen in den Lieferketten gravierende Engpässe bei lebenswichtigen Medikamenten zur Folge haben können“, mahnt Schulze. Über die genauen Gründe für Engpässe werde meist keine Auskunft gegeben, jedoch spiele in der globalisierten Welt immer Geld eine Rolle.

Versandapotheke sucht Lösungen

Zwar werde versucht, die Produktion nach Europa zurückzuholen, doch die wirtschaftliche Motivation sei bislang nicht sehr groß. „Solange die Herstellung in Europa aufgrund niedriger Margen und fehlender Investitionsanreize nicht konkurrenzfähig ist, bleiben wir anfällig für externe Störungen.“ Es genüge nicht nur die Produktion zurückzuholen, es seien auch umfassende Investitionen und langfristige Strategien für die Planungssicherheit für Hersteller und Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten nötig.

Mycare sei bereits sehr routiniert bei der Suche nach alternativen Medikamenten. Allen Patient:innen werde – gegebenenfalls in Arztrücksprache – stets eine Lösung angeboten. „Ist ein Arzneimittel oder eine entsprechende Alternative nur noch im Ausland verfügbar, so kann dies mit Genehmigung der Krankenkasse sogar importiert werden.”

Aber: „Die Engpässe betreffen häufig ganze Wirkstoffgruppen, sodass die Möglichkeit, auf Alternativpräparate zurückzugreifen, nur eine temporäre Linderung bringt“, gibt Schulze zu bedenken. „Besonders in der Erkältungssaison oder bei erhöhter Nachfrage wird die Fragilität der Versorgung deutlich.“