Wettbewerbszentrale

Musterprozess zu Online-Krankschreibung

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Berlin -

Die Wettbewerbszentrale leitet einen Musterprozess gegen den Anbieter au-schein.de, bei dem sich Patienten online eine Krankschreibung ausstellen lassen können. Dies sei eine unzulässige Werbung für Fernbehandlungen, so der Vorwurf.

Der Anbieter wirbt mit dem Slogan: „Krankschreibung ohne Arztbesuch“. Tatsächlich könnten die Kunden vorgegebene und auswählbare Symptome anklicken, einige Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten und nach eigenem Ermessen die Dauer der Krankschreibung bestimmen. Wörtlich heißt es: „Für wie viele Tage fühlen Sie sich arbeitsunfähig? Arzt folgt Ihrem Wunsch…“). Danach muss der Nutzer nur noch Kontaktdaten und die Zahlungsmodalität angeben und kann sich krankschreiben lassen.

Der AU-Schein wird von einem Privatarzt ausgestellt und kommt digital oder per Post. „Bei Testbestellungen kam es dabei zu keinem Kontakt des Kunden mit dem betreffenden Arzt“, teilt die Wettbewerbszentrale mit. Bisher sei das Modell beschränkt auf die Indikationen „Erkältungen“, „Regelschmerzen“, „Rückenschmerzen“ sowie neuerdings „Stress“. Auf der Startseite wird zudem geworben mit „100% gültiger AU-Schein“.

Das Angebot verstößt laut Wettbewerbszentrale gegen § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Außerdem sei die Aussage „100% gültiger AU-Schein“ irreführend. Denn damit werde der Eindruck erweckt, dass die so beworbene Krankschreibung sämtliche rechtlichen Anforderungen an eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfülle. „Die von dem Unternehmen ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mögen zwar formal die Voraussetzungen zur Vorlage beim Arbeitgeber erfüllen. Dass sie aber auch materiell die erforderliche Beweiskraft besitzen, das heißt auch arbeits- und berufsrechtlichen Anforderungen genügen, wird von etlichen Juristen bezweifelt“, so die Einschätzung der Wettbewerbszentrale. Tatsächlich sei noch keine höchstrichterliche arbeitsgerichtliche Entscheidung ersichtlich, die eine derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komplett anerkannt hätte.

Unter arbeits- und sozialrechtlichen Aspekten ist es wegen der besonderen Beweiskraft der Bescheinigung nach Auffassung der Wettbewerbszentrale erforderlich, dass diese von einem Arzt nach persönlichem Kontakt mit dem Patienten ausgestellt wird.

Da au-schein.de keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, hat die Wettbewerbszentrale Anfang Oktober Klage beim Landgericht Hamburg eingereicht. „Für Arbeitgeber wäre es wichtig zu wissen, ob eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den erforderlichen Beweiswert hat“, meint Rechtsanwältin Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale. Gleiches gelte für Arbeitnehmer, die sich auf eine solche Bescheinigung verließen.

Das Landgericht München I hat bereits im Juli dem Versicherer Ottonova untersagt, für ärztliche Fernbehandlungen in Form eines digitalen Arztbesuches zu werben. Den Versicherten wurde dabei angeboten, mittels einer App von Schweizer Ärzten Diagnosen oder Therapieempfehlungen zu erhalten. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Auch mit der geplanten Änderung im Regierungsentwurf des Digitale Versorgung-Gesetzes bleibt nach Auffassung der Wettbewerbszentrale Werbung für die geschilderten Primärversorgungsmodelle unzulässig. Laut der geplanten Änderung soll das Fernbehandlungs-Werbeverbot nicht gelten, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

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