Mundipharma verlässt Deutschland Silvia Meixner, 23.03.2017 09:36 Uhr
In Deutschland gibt es künftig einen Pharmahersteller weniger: Die Geschäftsleitung von Mundipharma hat gestern die Belegschaft über Pläne zur strategischen Neuausrichtung des Unternehmens informiert. Produktion und Verpackung werden zu einer Schwesterfirma in Großbritannien verlagert. Hunderte Arbeitsplätze werden im 50. Jahr der Unternehmensgeschichte gestrichen.
Als der ehemalige Betapharm-Chef Michael Ewers Ende vergangenen Jahres bei der britischen Mundipharma anheuerte, ahnten wohl nur wenige Insider, dass dies der Anfang vom Ende des Herstellers in Deutschland sein würde. Forschung und Entwicklung von Mundipharma sollen künftig am Standort Cambridge stationiert sein. 400 Jobs sollen damit bis spätestens Ende 2018 in Limburg wegfallen.
Mundipharma wird in Deutschland zu einer reinen Vertriebsgesellschaft. Man setze weiterhin auf eine starke Präsenz im deutschen Markt, teilte der Hersteller mit. Marketing und Vertrieb sollen aber neu strukturiert werden. Geplant wird bis Ende September mit rund 165 Vollzeitstellen – weniger als die Hälfte der bisherigen Belegschaft. Vier von fünf der insgesamt 770 Arbeitsplätze fallen weg. Für Apotheker und Ärzte soll sich nichts ändern.
In Limburg herrschte nach der gestrigen Betriebsversammlung blankes Entsetzen. Unter den betroffenen Mitarbeitern kursierten Gerüchte über eine Insolvenz. Bestätigt ist das nicht, ein Unternehmenssprecher machte dazu keine Angaben – genauso wenig zu den Gründen, die am Ende entscheidend waren. Auch die Lokalpolitik ringt um Fassung. Immerhin ist Mundipharma fest in der Region verwurzelt.
„Dies ist ein für die Mitarbeiter schwieriger, angesichts der kontinuierlichen Unterauslastung der Produktion in Limburg jedoch unumgänglicher Schritt“, sagte Geschäftsführer Dietmar Leitner. „Diese Planungen sind uns angesichts der gravierenden Auswirkungen auf die Kolleginnen und Kollegen nicht leicht gefallen. Jedoch sind sie erforderlich und notwendige Voraussetzung dafür, auch künftig unseren Beitrag für Ärzte und Patienten sowie das gesamte deutsche Gesundheitswesen zu leisten.“
Offiziell wird außerdem die zunehmende Bedeutung von Kooperationen mit externen Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen als Grund für den Standortwechsel genannt. Man nutze die bereits bestehende Netzwerk und die Kontakte zu Wissenschaftlern und Geschäftspartnern in Cambridge. Durch die Nähe zu unabhängig assoziierten Unternehmen sowie zu wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen eröffneten sich hervorragende Möglichkeiten für die weitere Entwicklung der Pipeline, sagte Dr. Julie Ducharme, Geschäftsführerin von Mundipharma Research. Inwiefern der anstehende Brexit beim Dexit berücksichtigt wurde, ist unklar.
Bei Mundipharma entfielen im Jahr 2015 rund 95 Prozent des Umsatzes von knapp 290 Millionen Euro auf das Inlandsgeschäft; allerdings gibt es im Ausland Firmen, die strukturell nicht mit dem deutschen Unternehmen verbunden sind. Die britische Schwester ist mit einem Umsatz von rund 50 Millionen Pfund deutlich kleiner.
Mundipharma hat sich mit Opioiden einen Namen gemacht; die Firma gehört genauso wie Neuraxpharm oder Desitin zu jenen Unternehmen, die bei den Ärzten ein gutes Image haben. Wichtigste Produkte hierzulande sind Targin, auf das rund 40 Prozent der Erlöse entfallen, Palladon (11 Prozent), Oxygesic (8 Prozent) sowie die Krebspräparate (16 Prozent). Mit Remsima gibt es zudem ein Biosimilar zu Remicade (Janssen). Mundipharma ist Lizenznehmer des koreanischen Herstellers Celltrion.
Hinter der Unternehmensgruppe steht die Familie um die einflussreichen Ärzte Raymond und Mortimer Sackler aus New York. 1967 als Schwesterfirma des US-Herstellers Purdue in Frankfurt gegründet, fuhr das deutsche Unternehmen in den 1970er Jahren mit Betaisodona die ersten Erfolge ein. Parallel wurden die Hersteller Krugmann und Hans Voigt übernommen. Im Jahr 1975 erfolgte der Umzug nach Limburg an der Lahn.
Anfang der 1980er Jahre wurden Retardformen entwickelt und gezielt für die Verbesserung stark wirksamer Schmerzmittel genutzt. Der Sackler-Clan ist hierzulande mit einem zweiten Hersteller vertreten: Arthur Sackler ist Neffe von Raymond Sackler und seit 1975 Geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Kade.