Mückenschutzmittel

Doctan: Raus aus dm, rein in die Apotheke

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Berlin -

Als Doctan 2010 eingeführt wurde, lief es gut mit der Distribution. Aus dem Stand schaffte es der Newcomer auf Rang 5 unter den Repellents. Doch dann schaltete Astellas einen Gang zurück, sehr zum Leidwesen von Dr. Olaf Hansen, dem Inhaber der Marke. Zuletzt hielt sich das Mückenschutzmittel in der Drogerie, jetzt wurde es verkauft. Die neuen Eigentümer setzen wieder ganz auf Apothekenexklusivität – weil sie Insektenschutzmittel nicht als Regalware sehen.

Hansen hatte zehn Jahre lang in der Veterinärsparte von Bayer gearbeitet, wo er unter anderem an der Entwicklung von Advantix beteiligt war. 2006 machte sich der Tierarzt mit Convet selbstständig, bei der Entwicklung von Doctan arbeitete er mit Professor Dr. Heinz Mehlhorn zusammen. Der Parasitologe von der Universität Düsseldorf begleitete später Hennig Arzneimittel bei der Einführung von Licener.

Eingeführt wurde Doctan durch Astellas. Doch schon bald mussten Hansen und sein Vertriebspartner Wolfgang Pradella feststellen, dass der japanische Konzern wegen des damals anstehenden Verkaufs der OTC-Sparte auf der Bremse stand. Nach der kompletten Streichung des Außendienstes lief das Geschäft mehr schlecht als recht. Mit den neuen Eigentümern – der Strüngmann-Familie – wurden sich die beiden Unternehmer gleich gar nicht handelseinig.

So fielen die Rechte zurück an Hansen und Pradella. Doch trotz ihrer guten Kontakte gelang es ihnen nicht, das Produkt zurück in die Freiwahl zu bringen. Stattdessen musste die Apotheken feststellen, dass Doctan zum Stammartikel der Drogeriekette dm geworden war: Vom Umsatz von mehr als 800.000 Euro wurden nach Schätzungen zuletzt zwei Drittel außerhalb der Offizin erwirtschaftet.

Hansen sprach seinen alten Kollegen Andreas Renner an, der seinen Job bei Bayer 2009 an den Nagel gehängt und sich als Berater selbstständig gemacht hatte. Ob er nicht jemanden kenne, der Interesse an dem Produkte habe? Renner brachte Dr. Kai Deusch ins Spiel. Der Mediziner hatte für die Unternehmensberatung McKinsey und den Finanzinvestor Apax gearbeitet und 2014 ein Jahr lang die Leitung von Riemser übernommen. Hier hatte er das Medizinprodukt „Bite away“ aus dem Keller geholt, das zur Abheilung von Insektenstichen eingesetzt wird und sich gerade sehr erfolgreich entwickelt.

Als Riemser bei Doctan abwinkte, griff Deusch selbst zu. Mit seiner Münchner Firma Medicis war er selbst seit Jahren als Investor und Berater aktiv, unter anderem hatte er den Verkauf von Megapharm an Alliance Boots begleitet und Firmen in den USA und in Hongkong betreut. Nun wollte er unter dem Dach von Medicis Health ein eigenes Portfolio aufbauen – Doctan kam als Pilotprojekt gerade recht.

Anfang des Jahres wurde man sich handelseinig, unter Hochdruck wurden neue Werbematerialien erarbeitet. Um Kunden auf die Marke aufmerksam zu machen, wurde eine Zusammenarbeit mit dem Bauer-Verlag vereinbart. Ein Leihaußendienst besuchte zweieinhalb Monate lang rund 4000 Apotheken. Dann der Schock: Deusch und Renner mussten feststellen, dass Doctan beim Großhandel nicht gelistet war – mitten in der Saison war damit kaum mehr neues Geschäft zu machen. Alles auf Vorverkauf für 2018, lautet seitdem die Devise.

Doch Deusch geht es bei Medicis ohnehin nicht darum, schnell ein paar Packungen von A nach B zu verkaufen. Er hat den Anspruch, mit seinen Produkten einen Mehrwert zu liefern. Gerade bei eher „einfachen“ Themen gebe es heute erheblichen Nachholbedarf: „Schwere, aber oft seltene Erkrankungen, die volkswirtschaftlich nicht wirklich relevant sind, bekommen sehr viel Aufmerksamkeit. Nach mehreren Jahrzehnten Beschäftigung mit hochinnovativen Technologien habe ich mich bewusst entschieden, mich mit Problemen zu beschäftigen, die eine breite Klientel betreffen und trotzdem oft vernachlässigt werden.“

Ein Beispiel: Bei Riemser hat Deusch gesehen, dass im Supportivbereich noch viele Herausforderungen zu lösen sind. In Slowenien stieß er über sein Netzwerk auf ein Produkt, das die dermatologischen Nebenwirkungen als Folge von Krebstherapien lindern soll. Deusch sicherte sich die Rechte, im Herbst soll die Produktlinie unter dem Namen Reconval auf den Markt kommen.

Auch Doctan passt in diese Strategie. Deusch ist überzeugt, dass durch die Ausbreitung tropischer Mücken der Bereich der Insektenabwehr an Bedeutung gewinnen wird – und zwar nicht in der Drogerie, sondern in der Apotheke. So fällte er die Entscheidung, den Vertrag mit dm zu kündigen und das Mittel zurück in die Offizin zu bringen. „Repellentien erfordern eine kompetente und individuelle Beratung. Das ist keine Regalware, die sich von selbst abverkauft.“

Das nächste Projekt, das zu Doctan passt, ist der sogenannte „Stichlinderer“. Der Holzstift mit Metallspitze funktioniert ähnlich wie Bite away: Durch lokale Hitzeapplikation sollen die von den Insekten übertragenen Peptide denaturiert werden und die Einstichstelle dadurch schneller abheilen. Natürlich soll das Produkt, sobald es in Serie geht, in Doctan umbenannt werden. Deusch denkt sogar daran, es im Bundle mit dem Reppelent zu verkaufen.

Hansen schwärmt noch heute von dem aus seiner Sicht „besten Repellent der Welt“. Das enthaltene Icaridin sei DEET in Sachen Wirksamkeit und Verträglichkeit haushoch überlegen, schon weil es nicht die extrem hohe Resorptionsrate habe und daher länger wirke, häufiger angewendet werden könne und auch bei Schwangeren und Kindern ab sechs Monaten einsetzbar sei. Dazu komme die Formulierung, die die Emulsion zur Freigabe des Wirkstoffs auf der Haut brechen lasse, in der Flasche aber stabil sei.

Knapp 2 Millionen Packungen im Wert von etwas mehr als 20 Millionen Euro werden pro Jahr an Repellentien in den Apotheken verkauft. Marktführer ist Anti Brumm mit einem Anteil von 45 Prozent nach Absatz und 54 Prozent nach Umsatz. Hermes hat die Marke der Galenica-Tochter Vifor seit 2011 im Gepäck; bis dahin lagen die Vertriebsrechte neun Jahre lang bei Togal. 2015 hatten Medice mit Soventol Protect, Hennig mit Viticks und Omega mit Jungle Formula zum Angriff geblasen. Weitere wichtige Marken sind Mosquito (Wepa) sowie Nobite (Tropical Concept). Im Mass Market werden rund 12 Millionen Euro umgesetzt – dort ist Autan mit etwa 80 Prozent Marktführer. In der Apotheke hat der Klassiker von SC Johnson in den vergangenen Jahren einen regelrechten Absturz hingelegt – auch weil die Einkaufskonditionen schlechter sind als die Ramschpreise von Lidl & Co.

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