Montanus streitet mit dem Finanzamt Alexander Müller, 11.01.2011 11:17 Uhr
Die Apothekenkooperation Linda will bei „Vorteil24“ Bilanz ziehen: In den kommenden Wochen soll die Testphase mit rund 40 teilnehmenden Linda-Apotheken ausgewertet werden. Neben dem wirtschaftlichen Erfolg dürfte dabei die rechtliche Einschätzung des Pick-up-Konzepts entscheidend sein. Dass der Trick mit dem Mehrwertsteuergefälle zwischen Deutschland und den Niederlanden nicht unproblematisch ist, zeigt ein Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf. Dort streitet sich die Montanus-Apotheke, die hinter dem Konzept steht, bereits seit 2009 mit den Finanzbehörden um die Entrichtung der Umsatzsteuer. Das Gericht äußerte Zweifel, dass die Abhol-Idee der juristischen Prüfung im Hauptsacheverfahren standhält.
Betroffen sind in dem Verfahren nicht die Linda-Apotheken, sondern nur die eigenen Apotheken der Familie Winterfeld und ihre niederländische Versandapotheke. Bei dem Konzept bestellen die Kunden ihre Medikamente über eine deutsche Apotheke bei Montanus im niederländischen Dinxperlo. Indem ein externes Unternehmen mit der Abholung beauftragt wird, findet die Abgabe formal in den Niederlanden statt. Damit kommt nach der Logik des Konzepts auch der ermäßigte holländische Steuersatz von 6 Prozent zur Anwendung.
Die Richter beim Finanzgericht sahen in ihrem Beschluss vor einem Jahr allerdings mögliche Schwachpunkte des Steuertricks: Es sei fraglich, ob ein Unternehmen den Ort der Lieferung einfach in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festlegen könnte, so die Richter. Die entsprechenden Vertragsklauseln könnten nach dieser Argumentation für unwirksam erklärt werden - mit erheblichen Konsequenzen für das Gesamtkonzept.
Konkret geht es in dem Rechtsstreit um den Zeitraum von Januar bis Juli 2009 und insgesamt fast 140.000 Euro Umsatzsteuer. Montanus hatte die Erlöse als nicht steuerbar deklariert, weil diese in den Niederlanden erzielt worden seien. Aus Sicht der zuständigen Finanzbehörde sind die Umsätze dagegen steuerpflichtig; die Vorauszahlungsbescheide wurden entsprechend festgesetzt.
Das Finanzamt gewährte Montanus Aufschub, forderte aber Ende Juli 2009 Einblick in die Vermögensverhältnisse der Firma, um eine Gefährdung der Forderungen auszuschließen. Im September desselben Jahres wandte sich die Behörde zusätzlich an die niederländischen Finanzbehörden. Die antworteten im November, dass sich an der Adresse ein Lager befinde, in dem an einigen Abenden in der Woche von einem niederländischen Apotheker jeweils von 19 bis 21 Uhr Medikamente verpackt würden. Es handele sich nicht um eine Apotheke mit normalen Öffnungszeiten, niederländische Kunden könnten dort keine Medikamente kaufen. Nach Auffassung der Behörden ist daher die Versandhandelsregelung anzuwenden, die Umsätze sind in Deutschland zu versteuern.
Nachdem Montanus es abgelehnt hatte, sich finanziell in die Karten gucken zu lassen, verlangte das deutsche Finanzamt eine Sicherheit von 100.000 Euro für die Aufschiebung der Steuerbescheide. Dagegen richtet sich die Klage von Montanus.
Über die Entrichtung der Umsatzsteuer hat das Finanzgericht noch nicht entschieden. Nach Bewertung der AGB hatten die Richter aber Zweifel, dass Montanus im Hauptsacheverfahren gewinnen würde: „Bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen nach Lage der Akten durchaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Medikamentenlieferungen der Antragstellerin im Inland steuerbar und steuerpflichtig sein könnten“, heißt es in der Begründung.
In den AGB wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kunde das Risiko der Lieferung - etwa Verlust oder Beschädigung der Ware - schon bei der Übergabe in den Niederlanden übernimmt. Die Richter vermuten darin eine unangemessene Benachteiligung der Kunden, da der Gefahrübergang erst in der deutschen Apotheke erfolgen müsste: „Die Kunden selbst dürften kein Transportrisiko tragen und hätten insoweit auch kein Interesse, einen Kurierdienst mit der Beförderung der Medikamente zu beauftragen“, heißt es im Beschluss.
So gesehen wäre der Lieferort Deutschland - und die vermeintliche Abholung der Ware doch eine Lieferung im Sinne des Versandhandels. Montanus müsste dann hierzulande die Umsatzsteuer abführen, und der Vorteil von „Vorteil24“ wäre dahin. Wann der Rechtsstreit im Hauptsacheverfahren fortgesetzt wird, war beim Gericht auf Anfrage noch nicht zu erfahren.