Monapax/Contramutan: Säften droht das Aus Patrick Hollstein, 21.06.2019 10:18 Uhr
Den Säften Monapax und Contramutan von Klosterfrau droht das Aus. Denn laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dürfen Homöopathika nur nach traditionellen Methoden hergestellt werden – ansonsten müssen die Hersteller Qualität und Unbedenklichkeit nachweisen. Nach jahrelangem Rechtsstreit kam das Verwaltungsgericht Köln (VG) zu dem Ergebnis, dass die Homöopathie aus regulatorischer Sicht auf wackeligen Füßen steht und sich nur historisch rechtfertigen lässt.
Wie alle Arzneimittel, die vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes (AMG) 1978 auf dem Markt waren, müssen auch Monapax und Contramutan durch die Nachzulassung. Da es sich um Homöopathika handelt, ist eigentlich nicht mit größeren Problemen zu rechnen. Doch als Anfang der 90er Jahre der Antrag gestellt wird, meldet der Hersteller Nattermann andere Zusammensetzungen an: Unter anderem werden neue Hilfsstoffe angezeigt, darunter Sorbitol, Saccharin, Xanthan, Citronensäure und verschiedene ätherische Öle.
Zehn Jahre später teilt das BfArM mit, die Arzneimittel entsprächen nicht den Herstellungsvorschriften des Homöopathischen Arzneibuches (HAB). Die Darreichungsform „Saft“ und die verwendeten Hilfsstoffe seien nicht vorgesehen. Klosterfrau, seit Februar 2003 für den Vertrieb der Marken, die mittlerweile zu Sanofi gehören, lehnt die geforderten Nachbesserungen ab. Gemäß Europäischem Arzneibuchs (Ph.Eur.) könnten Homöopathika nach allen monographierten Darreichungsformen hergestellt werden, auch Säfte seien somit zulässig, so der Hersteller.
2004 spricht sich die Kommission D, zuständig für Homöopathika, gegen die Nachzulassung aus, im Dezember 2005 lehnt das BfArM den Antrag des Herstellers offiziell ab. Nun beginnt ein äußerst langwieriger Rechtsstreit. 2008 hebt das VG Köln den Ablehnungsbescheid auf und verpflichtet das BfArM, Klosterfrau ausreichend Gelegenheit zu geben, die Eignung der Hilfsstoffe konkret nachzuweisen.
So geht das Verfahren in die zweite Runde. Wieder beanstandet das BfArM, dass die Verwendung von Geruchs- und Geschmackskorrigenzien und viskositätserhöhenden Stoffen nach HAB nicht zulässig sei. Der Hersteller könne sich nicht auf Monographien der Kommission D berufen, da bei deren Erstellung eine HAB-konforme Herstellung vorausgesetzt worden sei. Vielmehr sei nachzuweisen, dass die homöopathischen Eigenschaften der arzneilich wirksamen Bestandteile durch die Hilfsstoffe in keiner Weise verändert und dass insbesondere die Wirkungen nicht beeinträchtigt würden.
Weder zwei von Klosterfrau vorgelegte Anwendungsbeobachtungen mit jeweils rund 1000 Teilnehmern will das BfArM akzeptieren, noch vergleichende Dünnschichtchromatogramme, bei denen – zur Erinnerung: es handelt sich um homöopathische Zubereitungen – die Inhaltsstoffe wegen der hohen Verdünnung teilweise gar nicht mehr dargestellt werden können. 2016 lehnt die Behörde die Anträge erneut ab, wieder zieht Klosterfrau vor Gericht.
Diesmal entscheiden die Richter klar gegen den Hersteller: Klosterfrau habe die Eignung der eingesetzten Hilfsstoffe nicht belegt. „Damit sind die eingereichten Unterlagen unvollständig, das Arzneimittel ist nicht ausreichend geprüft, die Qualität des Arzneimittels entspricht nicht den Anforderungen, und die Begründung für die therapeutische Wirksamkeit und die Sinnhaftigkeit der Kombination ist nicht ausreichend.“
So seien Säfte in keinem der beiden Standardwerke als Darreichungsform für Homöopathika genannt, in Ph.Eur. würden vielmehr nur „Verdünnungen (Dilutionen) oder Verreibungen (Triturationen) konzentrierter homöopathischer Zubereitungen“ oder „konzentrierte homöopathische Zubereitungen“ wie Urtinktur oder Glycerolmazerat aufgezählt.
Viel schwerwiegender finden die Richter aber den Einsatz der Hilfsstoffe. Nach HAB sei die Verwendung von Geruchs- und Geschmackskorrigenzien sowie Farbstoffen und viskositätserhöhenden Stoffen nicht zulässig. In Ph.Eur. gebe es zwar keine abschließenden Angaben; insofern kämen grundsätzlich auch andere Substanzen in Frage. Allerdings müsse der Hersteller nachweisen, dass die eingesetzten Hilfsstoffe speziell für homöopathische Darreichungsformen geeignet seien. Die toxikologische Unbedenklichkeit sei nicht ausreichend, selbst wenn die Stoffe aufgrund entsprechender Arzneibuchmonografien bei Allopathika oder im Lebensmittelbereich eingesetzt würden.
Und dann erklären die Richter ausführlich, wie Homöopathika aus regulatorischer Sicht zu bewerten sind: Wie alle anderen Arzneimittel auch müssten sie grundsätzlich zu einer größeren Zahl an therapeutischen Erfolgen führen als es Placebo tun. Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit bildeten aber die Monografien der Kommission D. „Ohne diese Grundlage ist ein Wirksamkeitsnachweis nicht möglich“, räumen die Richter ein. „Denn die Wirksamkeit homöopathisch hergestellter Arzneimittel beruht auf dem Ähnlichkeitsprinzip, wonach ein homöopathisches Mittel die Symptome beim Kranken heilt, die es in unverdünnter Form beim Gesunden hervorruft (‚Similia similibus curentur.‘)“
„Die Monographien der Kommission D stellen das Arzneimittelbild (Symptombild) einer bestimmten homöopathischen Zubereitung fest, das wiederum Anknüpfungspunkt für die Anwendung in einer bestimmten Indikation ist.“ Dies sei möglich, weil „dem jeweiligen Arzneimittelbild, welches sich zusammensetzt aus der homöopathischen Prüfung des Arzneimittels am Gesunden, aus den Erfahrungen am Kranken und der Toxikologie, im Krankheitsbild diagnostisch abgrenzbare Indikationsbereiche, bei denen sich das Arzneimittel besonders bewährt hat, entsprechen“.
Demnach könne ein Wirksamkeitsnachweis unter Beachtung der Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung ohne den Rückgriff auf die Arzneimittelbilder, die in den Monographien wiedergegeben seien, nicht geführt werden.
Klosterfrau konnte sich aber wegen der Hilfsstoffe – von denen die ätherischen Öle womöglich als „feindliche Mittel“ einzustufen seien – nicht auf die Monografien berufen und die Wirksamkeit mit den vorgelegten Unterlagen, darunter Literaturübersicht, Anwendungsbeobachtungen und Gutachten, daher nicht ausreichend begründen.
Auch eine Studie aus dem Jahr 2003, bei der Monapax als Saft und Tropfen verglichen wurden, überzeugte die Richter nicht, da hier die Wirksamkeit in erster Linie auf die pharmakologische Wirkung der Inhaltsstoffe zurückgeführt wurde: „Diese Begründung ist zwar im Hinblick auf die Stoffkonzentration in den verwendeten Urtinkturen naheliegend, genügt aber nicht für eine Wirksamkeitsbegründung im Rahmen der homöopathischen Therapierichtung, da sie nicht auf dem Ähnlichkeitsprinzip beruht.“
Vielmehr müsste Klosterfrau eine vergleichende homoöpathische Arzneimittelprüfung an Gesunden durchführen, bei der die Einzelmittel mit beziehungsweise ohne Hilfsstoffe verglichen werden sollten. „Hierdurch ließe sich feststellen, ob das Arzneimittelbild der Einzelmittel durch die Hilfsstoffe verändert wird.“ Das Arzneimittelbild auf diese Weise festzustellen, sei eine in der Homöopathie gebräuchliche Untersuchung, die den Besonderheiten der Therapierichtung Rechnung trage. „Dass diese wegen der Vielzahl der vorhandenen Wirkstoffe sehr aufwändig wäre, entbindet die Klägerin nicht von dieser Prüfung, wenn eine Kombinationsbegründung in erleichterter Form mit Hilfe der D-Monographien nicht möglich ist.“
Auch auf die Zulassung der Säfte in Österreich (2008/2009) beziehungsweise Tschechien (2016) kann sich der Hersteller laut Gericht nicht berufen. Einerseits bestünden erhebliche Zweifel, dass die Ware dort tatsächlich – wie für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung vorgeschrieben – im Verkehr sei: Klosterfrau hatte selbst angegeben, dass über die offizielle Markteinführung noch entschieden werden müsse.
Andererseits finde die dezentrale Zulassung keine Anwendung bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden und besonderen Vorschriften unterliegen. „Die Anwendung dieser besonderen Regeln würde umgangen, wenn die deutsche Zulassungsbehörde verpflichtet wäre, eine Zulassung eines anderen EU-Mitgliedsstaates anzuerkennen, die nicht nach diesen besonderen Regeln erteilt wurde.“
Klosterfrau will die Entscheidung anfechten und mit Blick auf das laufende Verfahren derzeit keine inhaltliche Stellungnahme abgeben. Für den Hersteller geht es um viel, denn von beiden Produkten werden pro Jahr ungefähr eine Million Packungen verkauft. Rund 90 Prozent entfalle dabei auf die Säfte, Tropfen beziehungsweise Tabletten und Mischung spielen eine untergeordnete Rolle. Insgesamt erlöst der Kölner Hersteller rund 15 Millionen Euro mit Homöopathika.
Für die Homöopathie geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Hersteller ihre Produkte geringfügig verändern dürfen oder ob sie sich streng – gegebenenfalls sogar strenger als in der Schulmedizin – an die Monografien halten müssen. Die Kommission D hat die Aufbereitung der homöopathischen Monografien schon in den 90er Jahren abgeschlossen. Vielleicht wären die Säfte ein Anlass, sich erneut mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnismaterial auseinander zu setzen. Ansonsten bleibt Herstellern wie Klosterfrau nur die Möglichkeit, auf die Zulassung zu verzichten und die Produkte registrieren zu lassen. Dann müssten sie aber auf die Indikation verzichten.