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Moio: Ein Pflaster, das auf Menschen aufpasst

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Berlin -

Das fränkische Unternehmen Moio hat ein Pflegepflaster entwickelt, das kleine Wunder bewirken kann: Wenn der Patient zu stürzen, sich zu verirren oder wundzuliegen droht, sendet der Sensor via App umgehend Informationen an die Pfleger. Das Start-up wurde 2017 gegründet und plant Kooperationen mit Apotheken. Bei VISION.A, der Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC, wurde das Projekt mit Gold in der Kategorie Innovation Pharma & Apotheke ausgezeichnet.

„Moio kommt im Herbst auf den Markt“, sagt Firmenchef Jürgen Besser. Sieben Jahre Forschungsarbeit liegen in der Erfindung. Das digitale Pflegepflaster soll das Leben von Pflegenden und Patienten erleichtern, was Besser anhand eines Beispiels erklärt: „Im Nachtdienst in einem Altenheim liegt der Pflegeschlüssel durchschnittlich bei 1:40. Das bedeutet, dass rund 80 Umlagerungen durchgeführt werden.“

Allerdings sei nicht jede Umlagerung auch tatsächlich notwendig, trotzdem werden Patienten geweckt und das Pflegepersonal bettet sie um. „Der Patient könnte durchschlafen, wenn genug Eigenbewegung durchgeführt wurde“, erklärt Besser. Hier setzt die Idee des am Rücken angebrachten intelligenten Pflegepflasters an, der eingebaute Bewegungssensor verzeichnet und meldet jede Bewegung und alarmiert, wenn umgebettet werden muss. Auch für das Pflegepersonal ergeben sich Vorteile, es kann seine wertvolle Zeit im Nachtdienst anders einsetzen und sicher sein, dass die Dekubitusprophylaxe funktioniert. Entlastung für beide Seiten, dafür soll Moio im Idealfall sorgen.

Ein weiterer Anwendungsbereich: Oft liest und hört man von vermissten älterer Menschen, die unbemerkt ihr Pflegeheim verlassen haben und durch die Gegend irren. Nicht immer gehen diese Fälle gut aus. Auch hier kann das intelligente Pflegepflaster helfen: „Der Sensor kann die Position desorientierter Menschen feststellen, die zum Beispiel an Demenz oder Alzheimer leiden“, sagt Besser.

Sofort stellt sich die Frage nach der Datensicherheit: „Natürlich muss der Patient vorher sein Einverständnis geben“, sagt der Moio-Geschäftsführer. Jagt einem sonst die Vorstellung, beim Verlassen des Hauses getrackt zu werden, leichte Schauer über den Rücken, kann sie hier – sinnvoll eingesetzt – Leben retten. Beim virtuellen Geofencing reagiert der Sensor nur dann, wenn desorientierte Menschen eine definierte Zone verlassen. Die gezielte Lokalisierung ermöglicht es im Notfall, die Position des Patienten genau zu ermitteln.

Eine weitere wichtige Funktion von Moio kann eine große Angst von Angehörigen bettlägeriger Patienten mindern: Was ist, wenn der Betroffene aus dem Bett aufsteht, fällt und nicht schnell genug Hilfe kommt? Beschleunigungs- und Lagesensoren senden bei Sturzerkennung sofort ein Signal an die Pfleger.

„Derzeit läuft die Testphase in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern“, erklärt Besser. Aber auch für die häusliche Pflege kommt Moio in Frage. Die Vermarktung soll auch via Apotheken stattfinden. Geplant sind Kauf- und Mietmodelle, wer Moio privat kauft, etwa um ein Familienmitglied zu pflegen, muss mit rund 70 Euro im Monat rechnen. Neu kostet ein Modell 1500 Euro. Dazu kommen die Kosten für Verbrauchsmaterial, das Pflaster, mit dem der Sensor fixiert wird, muss ein bis zweimal in der Woche ausgetauscht werden. Der Markt für Moio ist groß: „Es gibt rund vier Millionen Pflegebedürftige in Deutschland“, sagt Besser.

Wer investieren möchte: Bis Mitte April läuft noch eine weitere Finanzierungsrunde für das ehrgeizige Produkt: „Ein Ticket zu 300.000 Euro ist noch offen“, so Besser. Und während das erste Produkt gerade in der Zielgeraden der Markteroberung liegt, haben die fränkischen Tüftler schon Neues im Auge. „Zusätzliche Sensorik, bei der zum Beispiel ein Mikrophon die Atem- und Lungengeräusche eines Patienten überwacht, wäre eine gute Idee“, so der Geschäftsführer. Ein Zukunftstraum wäre auch die Messung der Flüssigkeit, die ein Mensch zu sich nimmt. So könnte vermieden werden, dass jemand zu wenig trinkt. „Derzeit ist das leider technisch noch nicht möglich.“

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