Fast eine halbe Milliarde Euro verhängte die EU-Kommission im vergangenen Jahr als Geldstrafe gegen Teva – der Konzern soll im Zusammenhang mit seinem MS-Präparat Copaxone (Glatirameracetat) das Patentsystem missbraucht und die Einführung von Generika verzögert haben. Doch es ist nicht der einzige Fall: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigte jetzt eine Kartellstrafe in Höhe von 60,5 Millionen Euro. Es geht um Modafinil.
Cephalon hatte die Exklusivrechte für Modafinil 1993 erworben und Provigil vier Jahre zunächst im Vereinigten Königreich auf den Markt gebracht. 2005 folgten weitere Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Das Psychostimulanz zur Behandlung zwanghafter Schlafanfälle war das umsatzstärkste Erzeugnis im Portfolio.
Der Patentschutz für den Wirkstoff war bereits 2003 ausgelaufen, der Schutz der betreffenden Daten endete spätestens 2005. Allerdings hielt Cephalon noch Sekundärpatente für die Partikelgröße sowie andere Patente im Zusammenhang mit Modafinil mit einem Ablaufdatum im Jahr 2015.
Bereits Ende 2002 beantragte Teva neben drei anderen Generikaherstellern in den USA eine Zulassung für ein Modafinil-Generikum, 2005 brachte der Konzern es im Vereinigten Königreich sogar schon auf den Markt. Cephalon leitete Verfahren wegen Patentverletzung ein, im Dezember 2005 einigte man sich auf einen Vergleich: Teva verpflichtete sich, weder das Patent anzugreifen noch ein Generikum auf den Markt zu bringen. Im Gegenzug sicherte sich der Konzern diverse Abschlagszahlungen – und einen Vorsprung ab 2012. Doch dazu kam es nicht mehr: 2011 übernahm Teva den Konkurrenten.
2020 verhängte die EU-Kommission gegen Teva und Cephalon Strafen in Höhe von zusammen 60,5 Millionen Euro. Die beiden Hersteller hätten vereinbart, die Markteinführung von Generika nach Ablauf der Hauptpatente um mehrere Jahre zu verzögern. Als Verstoß gegen Kartellrecht verursachte die Absprache laut Brüsseler Behörde erheblichen Schaden für Patienten und Gesundheitssysteme in der EU, da sie dazu führte, dass die Modafinil-Preise hoch blieben.
Gegen den Beschluss zogen Teva und Cephalon vor Gericht. Sie machten geltend, die Kommission habe einen Rechts- und Tatsachenfehler begangen, indem sie die Vergleichsvereinbarung als „bezweckte“ beziehungsweise „bewirkte“ Wettbewerbsbeschränkung eingestuft habe. Sie monierten eine fehlerhafte Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV, nach dem wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung als nicht vereinbar mit dem Binnenmarkt verboten sind, und forderten die Aufhebung der gegen sie verhängten Geldbußen.
Doch wie zuvor das Europäische Gericht (EuG) empfiehlt auch EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos die Abweisung der Klage. Grundsätzlich seien Vereinbarungen zwischen zwei Herstellern möglich, wenn es darum gehe, einen Streit beizulegen. Dies gelte auch dann, wenn dadurch ein Markteintritt verhindert werde. Im Vordergrund müsse dabei aber die Beilegung des Konflikts stehen – sofern sie ausschließlich zum Zweck hätten, gegenseitige Konkurrenz auszuschließen, seien sie als wettbewerbswidrig einzustufen.
„Für diese Prüfung ist in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob der positive Nettosaldo der Wertübertragungen hoch genug war, um den Generikahersteller tatsächlich zu veranlassen, auf einen Eintritt in den betreffenden Markt zu verzichten und damit nicht in Leistungswettbewerb mit dem Hersteller des Originalpräparats zu treten, ohne dass dieser positive Nettosaldo zwangsläufig höher sein müsste als der Nutzen, den der Generikahersteller erzielt hätte, wenn er im Patentverfahren obsiegt hätte“, heißt es in den Schlussanträgen.
Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Vergleichszahlungen nicht dem Ausgleich der Prozesskosten im weiteren Sinne dienten, im Zusammenhang etwa mit der Lieferung des Wirkstoffs ungerechtfertigt oder übermäßig hoch seien oder sich die Vereinbarung auf Märkte erstrecke, um die es im ursprünglichen Patentstreit gar nicht gegangen sei.
Im konkreten Fall ließen sich die Zahlungen nur als Gegenleistung für die Zustimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Klauseln erklären, so der Generalanwalt. So habe Teva von Cephalon alleine 5,57 Millionen Euro ohne jegliche Gegenleistung erhalten.