Millionenstreit: Phoenix muss warten Alexander Müller, 17.04.2018 14:14 Uhr
Beide Parteien fordern Zahlungen in Millionenhöhe von der Gegenseite – doch sie durften nicht streiten. Weil das Landgericht Cottbus zum Verhandlungstermin zwischen dem Großhändler Phoenix und der mittlerweile abgemeldeten EU-Versandapotheke nicht ordnungsgemäß besetzt war, konnte heute nicht verhandelt werden.
Phoenix hat gegenüber der ehemaligen Inhaberin der EU-Versandapotheke, Dr. Bettina Habicht, offene Forderungen in Höhe von ursprünglich rund 5,4 Millionen Euro geltend gemacht. Die Apothekerin hatte ihrerseits Gegenforderungen in Höhe von inzwischen 6,1 Millionen Euro erhoben. Im November wurde vor dem LG Cottbus erstmals in der Hauptsache verhandelt. Beide Seiten hatten sodann mehrfach Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme.
Ursprünglich wollte das Gericht dann Mitte Februar sein Urteil verkünden, stattdessen wurde der 17. April als Termin zur neuen Verhandlung anberaumt. Die Hintergründe sind nicht bekannt. Denkbar ist, dass dem Gericht bei der Lektüre der Schriftsätze weitere Fragen gekommen sind oder dass der Vorsitzende auf das zwischenzeitliche Einschreiten der Staatsanwaltschaft reagiert hat.
Doch auch heute wurde nicht verhandelt. Die Anwältin von Phoenix stand in einer Vollsperrung im Stau und der zur Verhandlung geladene Handelsrichter war ebenfalls verhindert. Der Vertreter der EU-Versandapotheker hätte zwar auch einer Verhandlung ohne Handelsrichter zugestimmt, das war aber nicht möglich, da dieser bereits an der ersten Verhandlung teilgenommen hatte. Jetzt soll es vermutlich im Mai weitergehen, jedenfalls noch vor der Sommerpause, wie der Vorsitzende Richter ankündigte.
Das öffentliche Interesse an dem Prozess ist seit dem ersten Termin merklich gestiegen, der kleine Sitzungssaal 419 hätte gar nicht für alle Zuschauer ausgereicht. Einige dürften auch persönlich am Ausgang des Verfahrens interessiert sein. Habicht selbst war – wie im November – nicht vor Ort, vertreten durch Anwalt und ihren Ehemann Sven Schumacher.
Die EU-Versandapotheke hat Ende Februar ihren Betrieb eingestellt, die Personalgesellschaft Equa Consulting Antrag auf Insolvenz gestellt. Auch die Vor-Ort-Apotheke am Telering ist mittlerweile geschlossen, Habicht arbeitet heute als Filialleiterin in einer Cottbuser Apotheke. Zuletzt hat sie aber noch die Kunden der EU-Versandapotheke in eigener Sache angeschrieben und erst an die Shop-Apotheke und dann noch einmal an die dazugehörige Europa Apotheek verwiesen. Bis zu einer Million Briefe soll bundesweit verschickt worden sein, berichten Insider.
Phoenix dürfte diese Aktion gar nicht geschmeckt haben. Immerhin hatte der Großhändler potenzielle Käufer der Kundendaten schon vorab anwaltlich darauf hinweisen lassen, dass Zahlungen nur an Phoenix geleistet werden dürften – wegen einer Abtretungserklärung Habichts. Wenn eine größere Zahl der Kunden einem Umzug ihrer Daten zu einem neuen Anbieter zugestimmt hätten, wäre dies zumindest noch ein Pfand gewesen. Durch die Empfehlaktion dürfte der Datenbestand allerdings deutlich an Wert verloren haben.
Dass Habicht ihre eigenen Forderungen gegen die von Phoenix verrechnen kann, ist eher unwahrscheinlich. Der Großteil davon geht auf den Januar 2014 zurück, als Habicht die Apotheke gerade von Kurt Rieder übernommen hatte. Mit Phoenix wurde damals ein Lastschriftverfahren vereinbart, das entsprechende Mandat bei der Flessabank in Suhl griff aber erst im Februar. Deshalb mussten die ersten beiden Überweisungen händisch vorgenommen werden.
Heute behauptet Habicht, dass ihr damaliger Finanzchef dieses Geld ohne Grund und Auftrag überwiesen habe. Er hat wiederum Strafanzeige wegen Verleumdung gegen Habicht gestellt. Eine eidesstattliche Versicherung stützt seine Position. Die Gegenseite behauptet, Phoenix habe mit dem früheren Inhaber Rieder noch Geschäfte gemacht, als dieser bereits Privatinsolvenz angemeldet hatte. Etwaige Zahlungen seien deshalb an die Masse abzuführen. Bei Phoenix hält man das für eine Nebelkerze.
Im Mai geht es in Cottbus weiter, sofern sich ein Handelsrichter findet, der im Streit zwischen Phoenix und der EU-Versandapotheke entscheiden will.