Der Milliardär Len Blavatnik will beim hoch verschuldeten Ratiopharm-Mutterkonzern Teva einsteigen.
Blavatnik erwägt offenbar ein Aktienpaket im Wert von bis zu 3 Milliarden Dollar (2,6 Milliarden Euro) zu erwerben, wie die israelischen Finanzmedien Globes und The Marker berichteten. Teva hat derzeit eine Marktkapitalisierung von 12,3 Milliarden Dollar und 35 Milliarden Dollar Schulden.
Balavatnik scheint Teva dennoch eine gute Zukunft zuzutrauen. Der Mulitmilliardär hat mit seiner Beteiligungsgesellschaft Access Industries schon mehrfach in der Pharma- und Chemiebranche investiert, unter anderem erwarb er 2005 für 5,7 Milliarden Dollar Basell Polyolefins, ein Joint Venture von BASF und Royal Dutch Shell sowie der weltgrößte Hersteller von Polypropylen. Zuletzt war Access Industries mit fast 40 Millionen Euro der größte Investor des Berliner Start-ups Ada Health, das Gesundheits-Apps entwickelt.
Im Immobilien- und im Medienbusiness ist Balavatnik ebenfalls vertreten; so gehört ihm die Warner Music Group. In Israel hat große Anteile am Konzern Clal Industries und dessen Pharma-Tochter Clal Biotechnology – an der auch Teva beteiligt ist. Außerdem kontrolliert er den israelischen TV-Sender Channel 10 und über das Unternehmen Reshet den Sender Channel 13. Darüber hinaus ist er in Israel karitativ engagiert und sitzt im akademischen Vorstand der renommierten Universität Tel Aviv.
Balavatnik steht mit einem geschätzten Privatvermögen von 20 Milliarden Dollar auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Aufgewachsen in der Sowjetunion wanderte seine Familie 1978 in die USA aus, wo er in Informatik studierte und einen Wirtschaftsabschluss in Harvard erlangte.
Erst vergangene Woche hatte Teva zum dritten Mal in diesem Jahr die Erwartungen nach unten korrigiert. Der Generikakonzern peilt nun aufs Jahr gesehen Erlöse in Höhe von 22,2 bis 22,3 Milliarden Dollar an, das ist schlimmstenfalls 1 Milliarde Dollar weniger als zuvor anvisiert worden war.
Der Konzern steht wegen des zunehmenden Preisverfalls und anhaltender Absatzeinbußen in den USA mächtig unter Druck. Starke Konkurrenz verspürt Teva bei einem seiner wichtigsten Mittel, einem Generikum zu dem bei Aufmerksamkeitsdefzit- und Hyperaktivitätsstörungen eingesetzten Mittel Concerta (Methylphenidat). Spürbare Einbußen erwartet der Konzern nun durch die Konkurrenz für sein MS-Mittel Copaxone (Glatirameracetat), nachdem der US-Hersteller Mylan im vergangenen Monat eine günstigere Nachahmervariante auf den Markt gebracht hatte. In Deutschland will der Konkurrent Anfang kommenden Jahres launchen.
Teva macht derzeit eine schwierige Phase durch: Wegen der 40 Milliarden Euro schweren Übernahme der Generikasparte von Allergan (vormals Actavis) musste sich der Konzern stark verschulden. Als der Deal nur unter Auflagen genehmigt wurde, brachen die gewagten Kalkulationen in sich zusammen. 79 Generika musste Teva an die Konkurrenz verkaufen – mit großem Abschlag und zu Lasten eingeplanter Skaleneffekte. In der Folge stürzte der Börsenkurs von 55 auf 25 Euro ab – den niedrigsten Wert seit 2005.
Auch in Deutschland wurden Sparmaßnahmen angekündigt. Im hohen zweistelligen Bereich sollen in Ulm Arbeitsplätze abgebaut werden. Für den Standort bedeuten die Entlassungen allerdings keine Schrumpfkur, da Teva in anderen Bereichen wächst. Vor einem Jahr erst wurde das neue Global Technology Center eröffnet, in dem Teva zukunftsträchtige Technologien auf ihre Anwendbarkeit in der Herstellung neuer Medikamente testen will. Dadurch nimmt Ulm im Konzern eine bedeutende Stellung ein. Zudem wurde in Ulm mit dem Bau einer Biotech-Produktionsanlage für einen dreistelligen Millionenbetrag begonnen, die nach zwei Jahren fertig sein soll. Geplant sind 300 neue Arbeitsplätze.
Weltweit schließt der Konzern Standorte und verlässt Märkte. Insgesamt soll es das Ende für 15 der 87 Produktionsanlagen des Herstellers sein. Sechs sollen noch in diesem Jahr schließen, neun weitere im Jahr 2018. Außerdem wird sich Teva aus 45 der 100 Märkte zurückziehen, auf denen der Konzern aktiv ist. Als Folge werden 7000 Mitarbeiter entlassen – mehr als 10 Prozent der knapp 57.000 Beschäftigten. Im September hatte Teva nach monatelanger Suche einen neuen Chef präsentiert. Der erfahrene Pharmamanager Kåre Schultz soll Teva wieder auf Kurs bringen.
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