Milchsäurebakterien: Von der Frei- in die Sichtwahl Nadine Tröbitscher, 28.08.2023 07:57 Uhr
Eine gesetzliche Neuregelung für Medizinprodukte schreibt vor, dass Produkte mit probiotischen Inhaltsstoffen ab dem Jahr 2024 als Arzneimittel zugelassen sein müssen. Präparate, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, dürfen dann nicht mehr als Medizinprodukt verkauft werden. Betroffen sind unter anderem Präparate mit Milchsäurebakterien zum Aufbau der Vaginalflora.
Milchsäurebakterien gibt es verschiedene, genau können bis zu 20 verschiedene im Vaginalbereich angesiedelt sein. Allerdings sind nicht alle, sondern meist nur zwei zu finden. Laktobazillen haben verschiedene Aufgaben – sie produzieren Milchsäure und sind am Aufbau einer Schutzschicht beteiligt, die das Anheften von Keimen an der Scheidewand verhindern kann. Ist aufgrund einer bakteriellen Infektion eine Antibiose angezeigt – entweder lokal oder systemisch – können im Anschluss Milchsäurebakterien angezeigt sein, denn Antibiotika sind nicht selektiv und zerstören auch die „guten“ Bakterien. Ist die Flora also nachhaltig gestört und muss wiederaufgebaut werden, sind Milchsäurebakterien Mittel der Wahl.
Milchsäurebakterien: Arzneimittelstatus für lebensfähige Mikroorganismen
Im Handel sind Arzneimittel und Medizinprodukte. Letztere dürfen zum Jahreswechsel nicht mehr vertrieben werden, wenn sie lebensfähige Mikroorganismen enthalten. Dr. Wolff hat bereits im Sommer reagiert. Vagisan Milchsäurebakterien Vaginalkapseln haben eine Zulassung als Arzneimittel vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten und sind seit Juli unter dem Namen Vagisan ProbioFlora Milchsäure-Kapseln im Handel. Das Produkt ist somit aus der Freiwahl verschwunden und in die Sichtwahl umgezogen.
Bislang sind Vagisan ProbioFlora die einzigen probiotischen Hartkapseln zur vaginalen Anwendung, die die Umstellung von Medizinprodukt auf Arzneimittel vollzogen haben.
Enthalten sind zwei Bakterienstämme, und zwar Lactobacillus rhamnosus DSM 14870 und Lactobacillus gasseri DSM 14869. Lactobacillus rhamnosus hemmt in vitro das Wachstum von Hefepilzen wie beispielsweise Candida albicans – ein Auslöser von Vaginalinfektionen – und Bakterien wie beispielsweise Gardnerella vaginalis – eine Ursache bakterieller Vaginosen. Lactobacillus gasseri DSM 14869 produziert neben Milchsäure auch Wasserstoffperoxid, das in vitro die Wachstumsmöglichkeiten von unerwünschten Bakterien begrenzt.
Probiotika können gemäß Leitlinie zur Behandlung einer bakteriellen Vaginose im Anschluss an eine Antibiose oder aseptische Behandlung dazu beitragen, die Vaginalflora wieder aufzubauen und die Wahrscheinlichkeit von Rezidiven reduzieren.
Was ist der Unterschied zu Milchsäure?
Milchsäure wird von Milchsäurebakterien produziert, und zwar aus Glykogen. Ohne Milchsäure kein saures Milieu, denn in der Scheide liegt das pH-Optimum zwischen 3,5 und 4,2. Dann haben Erreger keine Chance. Anders sieht es aus, wenn der physiologische pH-Wert aus dem Gleichgewicht kommt und eine pH-Verschiebung die Folge ist. Möglich ist dies unter anderem durch eine falsche Hygiene oder nach dem Geschlechtsverkehr oder der Menstruation, denn Sperma (7,2 bis 8) und Blut (7,35 und 7,45) sind leicht basisch. Um also den pH-Wert der Scheide im physiologischen Bereich zu halten, kann nach der Periode oder dem Geschlechtsverkehr Milchsäure angewendet werden.