Festbetrag und Nitrosamine

Methylphenidat: Medice kann liefern

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Berlin -

Methylphenidat ist knapp. Arzneimittel mit dem versorgungsrelevanten Wirkstoff sind immer wieder auf der Liste der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldeten Lieferengpässe zu finden. Medice hält bei Medikinet einen Marktanteil von 70 Prozent und ist von den Engpässen nicht betroffen.

„Medice ist lieferfähig mit Medikinet, Medikinet retard, Medikinet adult“, teilt der geschäftsführende Inhaber Dr. Richard Ammer mit. Die Arzneimittel werden am Standort Iserlohn selber hergestellt. Zudem handele es sich um für Medice strategische Produkte, für die das Unternehmen „ausreichend Wirkstoff aus westlichen Quellen vorrätig“ hat. „Wenn Apotheker melden, Medikinet sei lieferunfähig, stimmt das nicht, dann kommt dies ggf. über lieferunfähigen Großhandel, der ggf. die Ware lieber ins teurere Ausland verkauft, oder nicht die richtige Packungsgröße vorhält oder abgeben möchte“, so Ammer weiter.

„Wir erleben gerade eine absurde Entwicklung bei Methylphenidat“, so Geschäftsführer Dr. Markus Rudolph. „In ganz Europa gibt es Lieferengpässe und wir werden von EU-Ländern kontaktiert, um die Belieferung mit Ritalin für verschiedene EU-Länder sicherzustellen – Kinder und auch Erwachsene sind medikamentös auf das Präparat eingestellt und eine Umstellung oder sogar Nichtversorgung hätte massiven Einfluss auf die Therapie.“ Ritalin ist trotz der angespannten Situation am Methylphenidat-Markt für alle Stärken und Darreichungsformen lieferbar.

Festbetrag gesenkt

Hinzukommt, dass zum 1. April der Festbetrag von Methylphenidat gesenkt wurde. Der Arzneistoff in der Festbetragsgruppe 1. Dabei werden Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen berücksichtigt.

G-BA: Kein Austausch 50/50 mit 30/70

Dass Medikinet-haltige Hartkapseln mit veränderter Freisetzung und verzögert freisetzenden Wirkstoffanteilen gegeneinander ausgetauscht werden können, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beendet. Am 21. März wurde eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) beschlossen. „Hartkapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung mit unterschiedlichen sofort und verzögert freisetzenden Wirkstoffanteilen (z. B. 50 Prozent/50 Prozent und 30 Prozent/70 Prozent) dürfen nicht gegeneinander ersetzt werden.“

Das war bislang nicht so und Ritalin LA und Medikinet retard sowie entsprechende Generika konnten gegeneinander ausgetauscht werden – „trotz klinisch relevanter unterschiedlicher Bioverfügbarkeit“, wie Ammer zu bedenken gibt. Damit ist aufgrund des GB-A-Beschlusses Schluss: „Danach sind Präparate dieser Darreichungsform, wenn sie unterschiedliche sofort und verzögert freisetzende Wirkstoffanteile (z. B. mit der Verteilung 50 Prozent /50 Prozent und 30 Prozent /70 Prozent) kombiniert enthalten, nicht gegeneinander ersetzbar. Dies gilt, auch wenn die davon betroffenen Präparate ansonsten bei der Wirkstärke und der Packungsgröße keine Unterschiede aufweisen.“

Was die Expert:innen trotz im Stellungnahmen geäußerter Bedenken nicht berücksichtigten, ist, dass es auch bei 50/50 freisetzenden Präparaten ein spezifisches Freisetzungsmuster und somit auch Unterschiede in der Bioverfügbarkeit geben kann.

Nitrosamine in Methylphenidat

Außerdem nimmt die Vorgabe der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Einfluss auf die Lieferfähigkeit von Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln. Weil auch Methylphenidat von Nitrosaminverunreinigungen betroffen war, müssen die seit Juni 2023 festgelegten Grenzwerte eingehalten werden. An sich kein Problem, doch die zusätzlichen Freigabetests blockieren laut Ammer die analytischen Kapazitäten und verzögern daher die Freigaben.

„Prinzipiell muss gefragt werden dürfen, ob diese EMA-Grenzwerte zu Nitroso-Verbindungen evidenzbasiert sind“, so Ammer. „Zu vielen Nitroso-Verbindungen fehlen in-vivo Daten, Hersteller bemühen ggf. enhanced AEMES-Tests, die aber nur an Bakterien testen.“ Insgesamt sei dies eine sehr unbefriedigende Situation und sicher bei vielen kleinen Molekülen und deren Nitrosaminverbindung eine mögliche Erklärung für Engpässe – auch wenn diese EMA-Werte nicht immer nachvollziehbare Werte postulieren. „Nur mit validen Daten können Hersteller dagegen vorgehen, das heißt aber dann akute und chronische Toxikologie in Nagern – aufwendige und zeitintensive Programme für generische Substanzen, die eigentlich nur im Rahmen von Vollzulassungen für neue Wirkstoffe gefordert werden. Hier kann noch mehr drohen, was die Verfügbarkeit einschränken wird.“

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