Phoenix Spezial

Merckle verpfändete Phoenix-Anteile

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Mit allzu ehrgeizigen Expansionsplänen für den Baustoffkonzern HeidelbergCement hat der verstorbene Unternehmer Adolf Merckle sein Imperium an den Rand des Ruins getrieben. Auch Europas führenden Pharmahandelskonzern Phoenix haben die Schwierigkeiten in eine gefährliche Schieflage gebracht: Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC verpfändete Merckle vor vier Jahren Anteile am Mannheimer Pharmahändler, um die Übernahme des Zementriesen stemmen zu können.

Im Juni 2005 unterbreitete die Merckle-Tochter Spohn Cement den Aktionären von HeidelbergCement ein Übernahmeangebot in Höhe von 60 Euro je Aktie. Nach Ablauf der Angebotsfrist hatten knapp 46 Millionen Aktien den Besitzer gewechselt; Merckle hatte seinen Anteil von 17 auf 57 Prozent aufgestockt. Insgesamt kostete dieser Teil der Übernahme rund 2,8 Milliarden Euro.

Bereits in den Angebotsunterlagen bestätigte die Royal Bank of Scotland (RBS) über ihre Frankfurter Niederlassung die Finanzierung des Kaufs. Der Kredit in Höhe von letzlich 2,6 Milliarden Euro sollte bis 2012 zurückgezahlt werden; 2006 wurde der Zahlungsplan bis 2010 verkürzt. Im März 2008 standen nach außerplanmäßigen Tilgungen noch 700 Millionen Euro zur Rückzahlung aus. Dann kam die Krise.

Zur Sicherung des Darlehens hatte Merckle nicht nur eine private Bürgschaft abgegeben und seine Anteile an HeidelbergCement hinterlegt, sondern auch mehr als die Hälfte der Anteile an Phoenix verpfändet. Der mit offenbar knapp fünf Milliarden Euro verschuldete Pharmahändler selbst soll an der Finanzierung des Baustoffkonzerns nicht beteiligt gewesen sein.

Die Fremdfinanzierung ist trotzdem von höchster Brisanz: Denn das Phoenix-Paket, das Merckle zum Ausbau seines Imperiums einsetzte, gehörte ihm nicht allein. Bis heute halten Minderheitsaktionäre rund 10 Prozent der Anteile an der Hamburger F. Reichelt AG, die ihrerseits mit jeweils rund 20 Prozent an Phoenix und der übergeordneten Komplementärgesellschaft beteiligt ist.

Der ehemalige Großhändler war im Zuge der Phoenix-Gründung Anfang der 1990er-Jahre zu einer Immobilien- und Vermögensverwaltung umfunktioniert worden, die fortan ihre Niederlassungen an Phoenix verpachtete. Im Gegenzug wurden Reichelt sowie den ehemaligen Mitbewerbern Hageda und Otto Stumpf wesentliche Anteile an den oberen Konzernebenen von Phoenix überschrieben.

Zwei Reichelt-Tochterunternehmen traten am 9. September 2005 im Interesse des Mehrheitsaktionärs ihre Anteile von insgesamt 7 Prozent als Haftungsverpflichtung für Spohn Cement zugunsten des Konsortiums um die RBS ab. Das anderthalb Aktenordner umfassende Vertragswerk sah vor, dass die Reichelt-Anteile dann an die Banken fallen sollten, wenn Spohn Cement seinen Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachkommen würde. Der Buchwert lag zu Spitzenzeiten bei knapp 280 Millionen Euro.

Bei dieser - zumindest potenziellen - Enteignung von Reichelt kam Merckle die Unternehmenspolitik der kurzen Wege zugute: Geschäftsführer von Spohn Cement war zum Zeitpunkt der Verpfändung der mittlerweile verstorbene Merckle-Gewährsmann Werner Harder, der gleichzeitig als Vorstand bei Reichelt verantwortlich zeichnete. Entsprechend mager fiel bei diesem Geschäft mit 0,5 Prozent die Provision zugunsten von Reichelt aus. Die Minderheitsaktionäre wurden zur Verpfändung ihres wichtigsten Firmenwertes nicht befragt.

Im Sommer 2008 brach der Aktienkurs von HeidelbergCement plötzlich ein. Der Konzern war nach der 14 Milliarden Euro schweren Übernahme des britischen Mitbewerbers Hanson sowie verschiedenen Kapitalerhöhungen hoch verschuldet. Als die Banken wegen des bröckelnden Börsenkurses neue Sicherheiten verlangten, versuchte Merckle, durch Spekulationen mit VW-Aktien schnell neues Geld zu beschaffen - und provozierte damit den endgültigen Kollaps.

Obwohl zunächst nur HeidelbergCement und die Firmen der übergeordneten VEM Vermögensverwaltung betroffen zu sein schienen, drohten aufgrund der Zahlungsunfähigkeit und zahlreicher wechselseitiger Abhängigkeiten weite Teile der verschachtelten Firmengruppe dominoartig umzufallen.

Im November 2008 stellte sich bei Reichelt die Frage nach einer möglichen Inanspruchnahme der Haftungsverpflichtung durch die RBS. Die Anteile waren angesichts der schwierigen Lage im Umfeld von HeidelbergCement nicht auszulösen; nicht einmal die Provision konnte mehr eingetrieben werden, ohne Spohn Cement und damit die verpfändeten Phoenix-Anteile zu gefährden.

Angesichts der Ausfälle an verschiedenen Fronten - Gewinnausschüttungen sind innerhalb der Merckle-Gruppe derzeit tabu und angesichts der angespannten Lage von Phoenix ohnehin nicht zu erwarten - blieb dem Unternehmen zum Jahreswechsel nichts anderes übrig, als dem Stillhalteabkommen mit den Merckle-Gläubigerbanken beizutreten.

Zwar gehören die Kapitalgeber von Spohn Cement zu den Gläubigern, die bei einem Verkauf von HeidelbergCement als erste an ihr Geld kämen. Bei einem Verkaufspreis von rund elf Euro je Aktie - der derzeitige Kurs liegt zwischen 25 und 30 Euro - würde Reichelt seine Anteile also zurückerhalten. Doch die enorme Schuldenlast von zwölf Milliarden Euro, die zur Hälfte bereits im kommenden Jahr fällig wird, dürfte einen Verkauf derzeit erheblich erschweren.

Nicht nur für die verpfändeten, sondern auch für die verbliebenen Anteile sieht es bei Reichelt düster aus: Weil die Zukunft von Phoenix und damit der Wert des Unternehmens derzeit in den Sternen steht, war die komplette Beteiligung im vergangenen Jahr auf die fortgeführten Anschaffungskosten herab gebucht worden. Das gesamte Paket wird seitdem in den Büchern nicht mehr mit 726 Millionen Euro, sondern nur noch mit 142 Millionen Euro geführt. Phoenix ist für Reichelt derzeit ohnehin außerhalb der Reichweite: In der vergangenen Woche übernahm der Treuhänder die Hoheit über sämtliche Anteile der Eigentümer.

Viel Schatten, wenig Licht also für die verbliebenen Reichelt-Aktionäre, die sich von Merckle in „wirtschaftliche Geiselhaft“ genommen fühlen. Entsprechend geräuschvoll ging es in der vergangenen Woche bei der Hauptversammlung in Hamburg zu. Vorstand und Aufsichtsrat unter Merckle-Finanzchefin Dr. Susanne Frieß, derzeit übrigens auch Geschäftsführerin bei Spohn Cement, hatten sichtlich Mühe, die erhitzten Gemüter zu beruhigen.

Zwar gibt sich das Management zuversichtlich, dass seitens der Banken kein Interesse daran besteht, die Phoenix-Eigentümergesellschaften zu opfern - schon alleine, um die Einsetzung eines Insolvenzverwalters zu vermeiden. Veräußerungen oder Umstrukturierungen auf Ebene der Phoenix-Gruppe wie auch im Gesellschafterkreis könnten aber nicht ausgeschlossen werden, hieß es. Die Lage ist ernst: Die Liquidität reicht bei Reichelt nach der Zwangsamputation ohne die Zuführung zusätzlicher Mittel noch bis Juli. Die Aktionäre sind dem Treuhänder ausgeliefert.

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