Merckle in Finnland vor Gericht Patrick Hollstein, 13.05.2009 11:35 Uhr
Die Familie des verstorbenen Unternehmers Adolf Merckle kommt nicht zur Ruhe. In Finnland mussten sich Merckles Frau und Kinder am Montag und Dienstag vor Gericht verantworten. Es geht um die Übernahme des finnischen Pharmahandelskonzerns Tamro, bei dem laut Anklage des Generalstaatsanwalts gegen börsenrechtliche Auflagen verstoßen wurde. Das Bezirksgericht Helsinki will am 18. Juni sein Urteil verkünden.
Phoenix war im Jahr 2000 bei Tamro eingestiegen; der Mannheimer Konzern hatte über Holdinggesellschaften ein Drittel der Anteile vom dänischen Finanzinvestor Monberg & Thorsen gekauft. Laut Anklage hielt Merckle über fünf bis zehn Beteiligungsfirmen rund 20 Prozent mehr - ohne diesen Sachverhalt öffentlich bekannt zu machen.
Damit verstieß Merckle nicht nur gegen die gesetzlichen Vorschriften, sondern auch gegen die Satzung des Konzerns, nach der die Deutschen den übrigen Aktionären ein Kaufangebot hätten machen müssen. Merckle war möglicherweise für eine Komplettübernahme noch nicht bereit; in der Öffentlichkeit überwog einem Beobachter zufolge damals der Eindruck, Phoenix sei am Gesamtunternehmen nicht interessiert. Parallel gelang es dem Unternehmer aufgrund der Schattenmehrheit, Vertrauensleute in Schlüsselpositionen zu platzieren. 2003 meldete der Konzern die Mehrheitsübernahme, ein Jahr später die Alleineigentümerschaft.
Die Höchstsstrafe für die Verschleierungstaktik liegt laut Anklage bei zwei Jahren Haft; Generalstaatsanwalt Pekka Koponen rechnet aber mit Geldstrafen. Aus diesem Grund musste die Familie bei der Anhörung auch nicht anwesend sein; finnische und deutsche Rechtsanwälte vertraten in dieser Woche die Familie. Diese wiesen die Vorwürfe zurück; außerdem sei es für eine Strafverfolgung der fast zehn Jahre zurückliegenden Vorgänge zu spät.
Laut Generalstaatsanwalt ist die ganze Familie in den Fall verwickelt. Möglicherweise hatte Merckle Anteile über Beteiligungskonstrukte seiner Frau und Kinder gekauft, um die Meldepflichten zu umgehen. Erst vor kurzem hatte Philipp Daniel Merckle im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ erklärt, den finnischen Behörden zur Verfügung zu stehen. Die Ermittlungen seien Konsequenz „eines am Ende nicht mehr steuerbaren Verschachtelungswahns“.