Kooperation mit TraceLink

Merck: KI gegen Lieferengpässe

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Berlin -

Lieferengpässe entstehen nicht nur durch Rabattverträge oder Produktionsverlagerungen ins Ausland, sondern auch durch unzureichende Planung in Herstellung und Vertriebskette. Während aus der Politik bisher wenig kommt, um das Problem aktiv zu lösen, gehen Hersteller ihre eigenen Wege – denn auch für sie bedeuten Engpässe Umsatzausfälle. Merck kooperiert nun mit dem US-amerikanischen IT-Unternehmen Trace Link, um mittels Maschinellen Lernens die Gefahr von Lieferausfällen zu verringern.

Wovon wird wann und wo wie viel gebraucht? Schon die Frage ist eine massive Vereinfachung dessen, was die Vertriebsstrukturen von Arzneimittelherstellern leisten müssen. Hinzu kommen unvorhergesehene äußere Einflüsse wie Produktionsausfälle oder Naturkatastrophen. Die menschliche Intelligenz ist damit offensichtlich überfordert, also soll es nun – wie in so vielen anderen Branchen auch – die Künstliche Intelligenz richten. Dazu hat Merck mit dem US-Unternehmen TraceLink ein Pilotprojekt aus der Taufe gehoben, bei dem mittels einer cloudbasierten Softwareplattform die Vorhersagegenauigkeit derart gesteigert werden soll, dass Lieferengpässe minimiert werden.

Eigentlich bietet TraceLink ein Ende zu Ende verschlüsseltes Serialisierungssystem, ähnlich dem von Securpharm, das die Nachverfolgung der Arzneimittel von der Herstellung bis zum Patienten ermöglichen soll. Auch hier ist das Ziel, die Empfänger vor gefälschten Arzneimitteln zu schützen. Diese Kooperation lief bis vergangenes Jahr. Nun arbeiten Merck und TraceLink an einem neuen Projekt, der Digital Network Platform (DNP).

Die basiert auf einem der Grundprinzipien Künstlicher Intelligenz: Je größer die Masse an Informationen ist, desto besser funktionieren und entwickeln sich die Algorithmen. Die Begriffe KI und Maschinelles Lernen werden oft synonym verwendet, was aber genaugenommen nicht korrekt ist: Maschinelles Lernen ist ein Teilgebiet von KI – beziehungsweise dessen Schlüsseltechnologie, wie es das Fraunhofer Institut für Internationales Management und Wissensökonomie ausdrückt.

Während sich KI allgemein auf die Lösung von festgelegten Problemen oder einer definierten Klasse von Problemen auf Grundlage von manueller Wissenseingabe und definierten Algorithmen bezieht, bezweckt Maschinelles Lernen die Generierung von Wissen aus Erfahrung und passt seine Algorithmen selbstständig an – optimiert seinen Lösungsweg also von allein.

Die Algorithmen von TraceLink haben nun die Aufgabe, den Bedarf an Arzneimitteln mit genügend Vorlauf selbstständig so genau vorherzusagen, dass die Produktion ausreichender Menge und Geschwindigkeit angepasst werden kann. „Ziel des geplanten Pilotprojekts ist es, den Produktstrom auf der ‚letzten Meile‘ der Vertriebskette zu optimieren, indem man den tatsächlichen Bedarf der Patienten ermittelt“, erklärt Allessandro de Luca, IT-Leiter der Healthcare-Abteilung von Merck.

Die Programme von TraceLink sollen dazu Daten aus allen Punkten der Vertriebskette – vom Hersteller über Großhändler bis zu Kliniken und Apotheken – mittels Maschinellen Lernens in Echtzeit analysieren und dabei lernen, Bedarfsspitzen und Flauten selbstständig vorherzusagen. Merck hat dazu Zugriff auf eine „neue Klasse von Anwendungen zur Analyse und Orchestrierung von Netzwerken“, wie de Luca es ausdrückt. Langfristiges Ziel ist es, den Bedarf schon prospektiv zu kennen und die Produktion schon anzupassen, bevor eine Nachfrageänderung für den menschlichen Analysten überhaupt erkennbar wird.

Wie sich das auf Mercks betriebliche Strukturen auswirken könnte, kann de Luca nicht sagen. „Es wäre voreilig, diese Frage zu beantworten.“ In der zweiten Hälfte kommenden Jahres erwarte man erste Effekte – allerdings vorerst nur in den USA, wo das Projekt anläuft, und im Vertrieb von immunonkologischen Arzneimitteln. Außerdem sollen vorerst nur immunonkologische Arzneimittel Teil des Testlaufs sein. Allerdings sei ein zweiter Pilot in einem europäischen Land bereits in Planung – nur um welches Land es sich handeln wird, sei noch nicht entschieden.

Lieferengpässe sind in den USA ein ähnlich großes Problem wie hierzulande: Dem Wall Street Journal zufolge werden dort seit 2014 zwischen 150 und 300 Defekte pro Quartal vermeldet. Merck will, natürlich auch im Eigeninteresse, deren Zahl senken.

„Im Falle eines Erfolgs werden wir ein verbessertes Nachfragesignal erhalten und dadurch nicht nur einen effektiveren Vertrieb haben, sondern auch einen effizienteren, weil wir Abfall und Überbestandshaltung auf der letzten Meile der gesamten Wertschöpfungskette verringern können“, erklärt de Luca. Die Erwartung wecken, dass sich das Problem von Lieferengpässen durch die neue Echtzeit-Analyse ganz lösen ließe, will er allerdings nicht. „Leider lassen sich Lieferengpässe selbst bei sorgfältiger Planung nicht vollkommen vermeiden. In solchen Situationen versuchen wir alles, um die Situation zusammen mit lokalen Behörden und unseren Geschäftspartnern zu lindern.“

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