Der Pre-Release zu den Geschäftszahlen von Merck-Chef Stefan Oschmann hat es in sich. Bevor sie am Donnerstag veröffentlicht werden, hat Oschmann gegen Trump und den Brexit ausgeteilt. Auch wenn dem ältesten Pharma- und Chemieunternehmen Deutschlands dieses Frühjahr der 350. Geburtstag mit Megaparty und Prämien für alle Mitarbeiter ins Haus steht, ist der Unternehmenschef wenig begeistert von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Zwar dürfte an diesem Donnerstag bestätigt werden, dass Merck sein Gewinnziel erreicht hat, im Vorfeld musste aber wegen der schwierigen Marktlage das Umsatzziel bereits gesenkt werden. Die jetzt erwartbaren Erlöse sollen zwischen 15,3 und 15,7 Milliarden Euro liegen. Oschmann hat sich in einem Brandbrief besorgt über US-Schutzzölle und die Entwicklung rund um den Brexit geäußert. „Handelskriege sind fatal und waren in der Geschichte schon mal Vorboten schwieriger Zeiten, unternehmerisch sehen wir keine sinnvolle Alternative zum freien Welthandel“, so Oschmann in einem Interview mit der Welt am Sonntag.
Der Spitzenmanager reagiert damit auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte einzuführen. Beim Brexit sieht Oschmann ungelöste logistische Probleme. Jeden Monat würden 45 Millionen Packungen Medikamente aus Großbritannien in die EU transportiert, 35 Millionen gingen von der EU nach Großbritannien. All das zu entflechten, halte er für sehr schwierig.
Der Merck-Chef dürfte aber auch Pharma-Erfolge verkünden. Da ist zum einen das neue Multiple-Sklerose-Mittel Mavenclad (Cladribin) als erste orale Kurzzeittherapie für MS-Patienten. Neben der im September 2017 erlangten EMA-Zulassung hat Merck zum anderen auch auf dem wichtigen britischen Markt den Status „erstattungsfähig” für Mavenclad erreicht. Das Präparat soll in den nächsten Jahren neben dem Krebs-Antikörper Bavencio (Avelumab) zum wichtigsten Umsatztreiber des Pharmakonzerns werden. Avelumab war ebenfalls Ende September zur Vermarktung in Europa zugelassen worden. Insgesamt laufen rund 50 weitere Studien für diesen Wirkstoff.
Mit dem Verkauf der Biosimilar-Sparte an Fresenius konnte Merck seiner Bilanz für 2017 aufhübschen. Merck sicherte sich so Geldmittel im Umfang von insgesamt 656 Millionen Euro für die künftige Konzentration auf seine Neuentwicklungen. Denn mit der erst 2012 gegründeten Sparte für Generika von Biotech-Arzneien hatte Merck bis zuletzt keine Umsätze erwirtschaftet. Insgesamt konnte Merck bei Produkten für die Pharmaforschung und in der Medikamenten-Sparte zuletzt kaum Zuwächse verzeichnen. Alte Kassenschlager wie Rebif (Multiple Sklerose), Erbitux (Krebs) und Gonal-f (Fruchtbarkeit) spielen immer weniger Erlöse ein. Im hoch profitablen Geschäft mit Spezialchemikalien, etwa für Smartphone- und TV-Displays, muss sich Merck mit der zunehmenden Konkurrenz aus China arrangieren.
Aktuell angesagt bleibt der geplante Verkauf der OTC-Sparte von Merck (Nasivin, Cebion, Kohle-Compretten). Weil auch der US-Konkurrent Pfizer seine OTC-Sparte losschlagen will, hatte Merck zuletzt erklärt, deswegen den ursprünglich angepeilten Verkaufserlös von mindestens vier Milliarden Euro zu senken. Der Schweizer Nestlé-Konzern war nach anfänglichem Interesse Anfang Februar 2018 wieder abgesprungen. Noch im März werden jetzt weitere Kaufofferten erwartet, weltweit wären 3800 Mitarbeiter von dem Verkauf betroffen.
Trotz der Unwägbarkeiten im internationalen Geschäft bereitet der Konzern seine 350-Jahr-Feier am 8. März generalstabsmäßig vor. Der im Jahr 1668 aus einer Apotheke hervorgegangene Konzern hat über 900 Gäste aus Politik und Wirtschaft nach Darmstadt geladen. Auch in Shanghai und Boston finden Festakte statt. Die gut 13.000 Beschäftigten in Deutschland bekommen pro Kopf 1000 Euro in bar und Merck-Aktien im Wert von 350 Euro.
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