Medice kauft Schaper & Brümmer Carolin Ciulli, 27.04.2021 11:31 Uhr
Das Familienunternehmen Medice (Meditonsin, Soventol, Medigel, Perenterol) hat die Mehrheit an dem OTC-Hersteller Schaper & Brümmer übernommen. Die beiden Firmen sollen zunächst unabhängig voneinander bestehen bleiben. Eine enge Kooperation ist unter anderem im Vertrieb und der Herstellung geplant.
Medice und Schaper & Brümmer verbindet das Angebot von pflanzlichen Erkältungspräparaten. Das stärkste Präparat von Schaper & Brümmer ist Esberitox, das 1937 auf den Markt kam. Weitere wichtige Marken sind Remifemin, Cystinol und Sedacur. Das Rosenwurz-Präparat Vitango wurde im Herbst fünf Jahre nach der Markteinführung an Dr. Willmar Schwabe zurückgegeben.
In Iserlohn strebt man nach der Übernahme auf nationaler und internationaler Ebene eine enge Kooperation in den Bereichen Entwicklung, Herstellung und Vertrieb an: „Medice und Schaper & Brümmer ergänzen sich komplementär, wir sind überzeugt, die Tradition der beiden Familienunternehmen erfolgreich weiterzuführen“, so die geschäftsführenden Gesellschafter von Medice, Dr. Katja Pütter-Ammer und Dr. Dr. Richard Ammer, in einer Stellungnahme.
Das Familienunternehmen in Salzgitter war zuletzt angeschlagen. 2018 wurden Restrukturierungs- und Einsparmaßnahmen eingeleitet. Der Rotstift wurde unter anderem im Außendienst und im Export angesetzt, verschiedene Produkte werden nicht mehr im Ausland vertrieben. Auch die Bereiche Labor und Herstellung wurden überprüft. Die im Zusammenhang mit vereinbarten Tariföffnungsklauseln geschlossene Betriebsvereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung gilt bis Ende dieses Jahres.
Schaper & Brümmer erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von knapp 30 Millionen Euro. Auf den Export entfallen etwa 35 Prozent, wichtigster Markt ist dabei China. Die Pandemie und der Lockdown in dem asiatischen Land dürften den Hersteller getroffen haben. Die Geschäftstätigkeit des Vertriebspartners sei allein im ersten Quartal nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Dazu kommt hierzulande das schwache Erkältungsgeschäft angesichts der Corona-Regeln.
Die elf Gesellschafter sind die Nachkommen der beiden Firmengründer; mittlerweile ist die 4. Generation vertreten. Die Familie bleibt zunächst als Minderheitsgesellschafter für die nächsten Jahre weiter beteiligt.
Schaper & Brümmer war 1923 durch den Chemiker Erich Schaper und den Kaufmann Albert Brümmer gegründet worden. Der Entschluss zur Selbstständigkeit fiel bei einer langen Wanderung durch die Lüneburger Heide. Die jungen Männer wollten selbst homöopathische und biologische Arzneimittel herstellen. Nach dem Grundsatz der Naturstoff-Forschung wurden die ersten Produkte im sogenannten „Ringelheimer Salbenkocher“ hergestellt. Das Geschäft lief gut: Nach zwei Jahren kauften die Jungunternehmer ein Grundstück in Ringelheim-Salzgitter – den heutigen Firmensitz.
In den 1930er-Jahren wurden mehr als 80 Präparate angeboten. Darunter waren Mittel gegen Arterienverkalkung oder Wurmtabletten. Nach dem Zweiten Weltkrieg forcierten die Schaper und Brümmer die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Ärzten. 1952 stieg der Umsatz erstmals auf 2 Millionen Deutsche Mark.
Die 1960er Jahre waren geprägt vom Export. Erste Kontakte wurden nach Südamerika, Frankreich und Japan geknüpft. Da die beiden Männer nicht das Nazi-Regime unterstützt hatten, hatten sie die Alliierten auf ihrer Seite. In Großbritannien erhielten sie eine Produktionserlaubnis sowie eine Reisegenehmigung, um ihre Arzneimittel vertreiben und Rohstoffe einkaufen zu können. Ein Großteil der Pflanzen wird mittlerweile selbst auf einer 25 Hektar großen Fläche angebaut. Schaper & Brümmer ist zudem mit knapp 25 Prozent am Zulassungsdienstleister Grünwalder beteiligt, der unter anderem das Sinupret-Generikum Solvohexal zur Marktreife gebracht hat.
Medice wurde 1949 gegründet. Vier Jahre später legte Firmenchef Gustav Pütter mit der Einführung von Meditonsin den Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens. Nach dem Tod seines Vaters übernahm 1977 Dr. Sigurd Pütter die Leitung der Firma. Mit dem Seniorchef, seiner Tochter Dr. Katja Pütter-Ammer und deren Mann Dr. Dr. Richard Ammer leitet die Familie die Geschäfte nach wie vor selbst. Ein Schwerpunkt sind Medikamente zur Behandlung von ADHS, 2006 wurde außerdem die OTC-Sparte der Rentschler-Gruppe (Dorithricin, Soventol, Tannacomp) übernommen. Ende 2020 wurde der Vertrieb des Hustenstilles und der Hustenpastillen Stilaxx von Hager Pharma übernommen. Neu im Sortiment sind auch Antigen-Schnelltests. Heute macht der OTC-Bereich einen wichtigen Teil des Umsatzes von rund 171 Millionen Euro aus.