Mit Medigel hat der Mittelständler Medice in den vergangenen Jahren ein neues Wundgel erfolgreich positioniert. Allerdings darf die „schnelle Wundheilung“ vorerst nicht mehr als „schnell“ bezeichnet werden. Bereits ausgelieferte Packungen können laut Hersteller aber in jedem Fall verkauft werden.
Das hydroaktive Lipogel mit Zink und Eisen ist ein Medizinprodukt und wird zur Behandlung akuter und chronischer Wunden eingesetzt. Das frühere Soventol Wund- und Heilgel wird seit 2018 unter dem Namen Medigel vertrieben. In der Produktbezeichnung und entsprechend in der Gebrauchsanweisung ist der Zusatz „schnelle Wundheilung“ enthalten. „Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag“, heißt es auch in den Produktinformationen.
Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) hatte mangels wissenschaftlicher Absicherung gegen die aus seiner Sicht irreführende Werbung geklagt. Anders als das Landgericht Hagen (LG) schloss sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG) nun dieser Auffassung an.
Nach Ansicht des Gerichts verstehen zwar Ärzte und Apotheker den Hinweis auf „schnelle Wundheilung“ dahingehend, dass die Prozesse ungestört ablaufen. Der Verbraucher erwarte aber, dass der gesamte Prozess schneller vollständig abgeschlossen ist als bei einer unbehandelten Wunde – diese gelte umso mehr bei vollmundigen Versprechen wie dem Subclaim bei Medigel. Durch eine Studie aus dem Jahr 2014 belegt sei allerdings lediglich der Effekt auf Zwischenphasen im Verlauf der Wundheilung. Nach 15 Tagen war die Wunde in ähnlichem Umfang verschlossen wie unter Anwendung von Bepathen, aber deutlich stärker als bei einem einfachen Pflaster.
Außerdem werde der Eindruck erweckt, dass der Effekt bei allen in der Gebrauchsanweisung genannten Wundarten gleichermaßen schnell eintrete, also bei akuten Wunden wie Schürf-, Schnitt-, Kratz- und Bisswunden sowie Platz- und Risswunden genauso wie bei Verbrennungen 1. und 2. Grades (Blasenbildung) und Sonnenbrand sowie gereinigten, mäßig nässenden, nicht infizierten chronische Wunden (Dekubitus 2. Grades).
Eine derartige Wirksamkeit sei aber ebenfalls wissenschaftlich nicht belegt, da in der klinischen Studie nur sehr kleine oberflächliche Schürfwunden mit dem Produkt behandelt worden waren. Bis heute existiere kein wissenschaftlicher Beweis dafür, dass die betreffenden Studienergebnisse auf andere Wundarten übertragbar seien, so das Gericht.
Der gerichtlich bestellte Sachverständige gab zwar an an, dass die Ergebnisse vermutlich übertragbar seien, wollte aber auf „ausdrückliche Nachfrage“ des Gerichts seine Hand dafür nicht ins Feuer legen. Somit könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass bei der Behandlung anderer Wundarten eine Veränderung der Wundheilungsgeschwindigkeit wie in der Studie zu beobachten sein werde. Dies müsse vielmehr jeweils konkret untersucht werden.
Die Aussagen dürfen daher nicht mehr genutzt werden; betroffen sind das Behältnis, die Packung und die Gebrauchsanweisung des Produktes sowie sämtliche Werbemaßnahmen. Revision hat das OLG Hamm nicht zugelassen.
Medice will laut Geschäftsführer Uwe Baumann trotzdem Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Umgestellt wird trotzdem, künftig sollen keine Packungen mehr mit dem Claim ausgeliefert werden. Apotheken können vorrätige Produkte laut Baumann aber ohne Sorge weiter abgeben.
APOTHEKE ADHOC Debatte