Großhandel

McKesson diktiert Skonto

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Berlin -

Tickt der Pharmahandel künftig global? Walgreens/Boots und McKesson/Celesio setzen Milliarden auf's Spiel, um ein weltumspannendes Netz an Großhandelsniederlassungen und Kettenapotheken auf die Beine zu stellen. Weil sich die Pharmabranche rasant konsolidiert, braucht es auf der Handelsstufe ein Gegengewicht, argumentieren die beiden Megakonzerne. Ob die Wette aufgeht, hängt also nicht nur von Verbrauchern und Apothekern, sondern auch von den Herstellern ab. McKesson startet jetzt einen Versuch, der Industrie höhere Skonti abzuringen.

Während Walgreens Boots Alliance (WBA) im schweizerischen Bern eine Firma gegründet hat, die bei den Herstellern Rückvergütungen einsammeln soll, hat McKesson Ende vergangenen Jahres in London ein Büro eröffnet. Die „McKesson Global Procurement & Sourcing Limited“ hat den Auftrag, Kontakt zu den wichtigsten Pharmaunternehmen zu halten. Verantwortlich ist Jack W. Fragie, die Generikahersteller betreut Michael R. Eckel, die Originalanbieter Biju Samkutty. Alle drei Manager sind seit Jahren für den US-Großhändler tätig.

Anfang Januar lud Fragie die Industriepartner ein, mit McKesson über „neue und erweiterte Möglichkeiten der Zusammenarbeit“ zu sprechen. Man habe die Kontrolle über das operative Geschäft von Celesio übernommen und sei nun einer der führenden Pharmagroßhändler und Logistik- und Serviceanbieter im Gesundheitsmarkt, heißt es in dem Schreiben.

Mit einem Umsatz von 170 Milliarden US-Dollar und Präsenz in 23 Ländern auf fünf Kontinenten sei man global aufgestellt. Abgesehen von einem einzigartigen Portfolio im Groß- und Einzelhandel verfüge man über große Expertise, um „das anhaltende Wachstum der Arzneimittelkäufe in den den USA, Kanada, Europa und den wichtigsten Schwellenländern zu unterstützen“.

Vor dem Hintergrund der komplexen Vertrags- und Rechnungslegungsprozesse sei es allerdings eines der wichtigsten Bedürfnisse von McKesson, die vielfältigen Beziehungen zu den Herstellern zu vereinheitlichen, schreibt Fragie weiter. Ziel sei es letztendlich, die Prozesse effizienter zu machen, um dadurch nachhaltiger zusammenarbeiten zu können und zielgerichtet neue Wege gehen zu können.

Auf der zweiten Seite des vertraulichen Schreibens verrät Fragie, worum es ihm wirklich geht. Für alle Industriepartner gebe es neue Geschäftsbedingungen, die für McKesson günstiger seien als die bisherigen: 3 Prozent Skonto auf alle Generika bei Zahlung innerhalb von 75 Tagen, 2 Prozent bei Originalpräparaten mit einem Zahlungsziel von 30 Tagen.

Spielraum für Verhandlungen gibt es nicht: Die Hersteller wurden aufgefordert, zwei Exemplare des beigefügten Vertrags bis zum 6. Februar zurückzuschicken – mit sofortiger Gültigkeit für alle Landesgesellschaften. „Wir glauben, dass diese Vereinbarung, die die bestehenden Verträge ergänzt, der effizienteste Weg ist, um die zahllosen Verträge, Beziehungen und Zuständigkeiten innerhalb der McKesson-Gruppe abzulösen“, so Fragie.

Zumindest für deutsche Verhältnisse haben solche Konditionen eine völlig neue Dimension. In den vergangenen Jahren hatten mehrere große Hersteller gegenüber den Großhändlern ihre Skonti zurückgefahren und ihre Zahlungsziele gekürzt. Schon 1 Prozent Skonto sind schwierig, einen Monat Aufschub gibt es nicht.

Novo Nordisk etwa hatte im August 2010 wegen der Erhöhung des Herstellerrabatts kurzfristig sein Skonto bei Zahlung innerhalb von 18 statt 30 Tagen von 1,5 auf 0,5 Prozent gekürzt. Die meisten Großhändler hatten sich zunächst geweigert, die neuen Bedingungen zu akzeptieren. Innerhalb kurzer Zeit waren die Bestände der Großhandelsniederlassungen abverkauft; die Apotheken mussten direkt beim Hersteller bestellen und Wartezeiten von mehreren Tagen in Kauf nehmen. Später einigte sich der Konzern mit seinen Großabnehmern.

Im Oktober 2011 kürzte Novartis das Skonto ebenfalls von 1,5 auf 0,5 Prozent, die Großhändler gingen wieder auf die Barrikaden: Die Noweda verteilte Vorlagen für Protestbriefe an ihre Kunden, die diese zu Tausenden unterschrieben und nach Nürnberg schickten. Gehe sprach als Erstbetroffener von einem „kartellrechtsrelevanten Tatbestand der Diskriminierung“, Phoenix zog für seinen Belieferungsanspruch vor Gericht.

Am Ende schaltete sich sogar das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein und stellte eine Gesetzesänderung in Aussicht, um die Behörden zu ermächtigen, bei „Gefahr eines Versorgungsmangels“ eingreifen zu können – und etwa die Belieferung bestimmter Apotheken anordnen zu dürfen. Dazu kam es nicht, stattdessen einigten sich Hersteller und Großhändler im Dezember auf eine Kürzung auf 1 beziehungsweise später 0,8 Prozent zuzüglich Leistungsvergütung.

Der letzte Vorstoß kam von AstraZeneca: Im Oktober kürzte der britische Konzern sein Skonto mindestens zwei Großhändlern gegenüber von 1,5 auf 0,8 Prozent.

Die Debatte um die Rechtmäßigkeit von Skonti gegenüber Apotheken könnte auch die vorgelagerte Handelsstufe noch treffen: Laut GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) darf der einheitliche Herstellerabgabepreis (APU) weder gegenüber dem Großhandel noch im Direktgeschäft gegenüber Apotheken unterschritten werden. Skonti und Zahlungsfristen der Industrie gegenüber dem Großhandel müssten sich daher womöglich an denselben strengen Maßstäben lassen.

Dass es rechtliche Einschränkungen geben könnte, weiß man auch bei McKesson. In seinem Schreiben räumt Fragie ein, dass gesetzliche Regelungen vor Ort berücksichtigt werden sollen. Die Hersteller sollen über den Brief aus London nicht besonders „amused“ gewesen sein.

Wie wichtig Einsparungen für McKesson sind, hatte unlängst Celesio-Chef Marc Owen zugegeben. Von grundlegender Bedeutung sei, dass Kostenstruktur und Effizienz fortschreitend optimiert würden: „Die zukünftige Entwicklung wird entscheidend davon geprägt sein, wie schnell [...] die internationale Plattform umgesetzt werden kann.

McKesson hatte vor einem Jahr im zweiten Anlauf mehr als drei Viertel der Anteile an Celesio übernommen. Inklusive Schulden zahlten die Amerikaner rund 6,2 Milliarden Euro. Um auch in den USA einen Fuß im Apothekenmarkt zu haben, hat sich der Großhändler aus San Francisco mit der Kette Rite Aid verbündet. Walgreens/Boots hat wiederum ein Joint Venture mit dem US-Großhändler AmerisourceBergen. Der dritte Logistiker, Cardinal Health, hat sich mit der dritten großen Kette, CVS, verbündet. Eine transatlantische Partnerschaft wäre mit Phoenix denkbar. Doch der Mannheimer Konzern hat nach Angaben seines früheren Chefs Reimund Pohl kein Interesse.

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