In vielen Kammerbezirken werden aktuell die Regeln für Öffnungszeiten gelockert, damit die Apotheken bei Personal- oder Nachfragemangel flexibler planen können. Aber wie ist die Lage, wenn die Apotheke nicht früher schließen, sondern rund um die Uhr aktiv sein will – und sei es nur für Fahrer eines Lieferdienstes? Darüber streitet die Wettbewerbszentrale mit dem Schnellieferdienst Mayd. Das Landgericht Berlin zeigte sich in der mündlichen Verhandlung noch unentschlossen und will sein Urteil in vier Wochen verkünden.
Über die Mayd-App können Kund:innen bei teilnehmenden Apotheken bestellen und sich die Medikamente oder andere Waren innerhalb von 45 Minuten nach Hause bringen lassen. In Köln bietet ein Apotheker den Service außerhalb der Öffnungszeiten an, auch wenn er keinen Notdienst hat.
Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen das Gesetz über die Sonn- und Feiertage in Nordrhein-Westfalen (Feiertagsgesetz NRW) und das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten NRW (LÖG NRW). Der Apotheker setze sich zudem über die Schließungsverfügung der Apothekerkammer hinweg. Im Rechtsstreit gegen den Apotheker hat die Wettbewerbszentrale vor dem Landgericht Köln in erster Instanz gewonnen. Die Mayd-Zentrale hatte schnell gegenüber den teilnehmenden Apotheken versichert, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall handele.
Parallel ist die Wettbewerbszentrale aber auch gegen das Unternehmen selbst vorgegangen, Mayd kann juristisch wohl als Mittäterin angesehen werden. Und obwohl es heute erneut um die Lieferbedingungen in NRW ging, wurde in der Hauptstadt verhandelt, wo das mit Millionen vollgepumpte Start-up seinen Sitz hat.
Der Vorsitzenden Richterin war ein Urteil des LG Münster zur Sonntagsruhe geläufig. Allerdings ging es da um den Getränkelieferanten „Flaschenpost“, dessen Transporter in den Straßen und Sackkarren in den Treppenhäusern sonntags als zu störend empfunden wurden. Die paar Fahrradkuriere von Mayd würden im Strom der Essenslieferanten dagegen kaum auffallen, verteidigte Geschäftsführer Hanno Heintzenberg sein Geschäftsmodell. Er hatte gleich zwei Anwälte der renommierten Kanzlei Gleiss Lutz an seiner Seite und einen weiteren Unterstützer im Zuschauerbereich.
„Wie viele fahren denn da so herum?“, wollte das Gericht wissen. Es handele sich um „wenige hundert Bestellungen“ am Tag, drei bis fünf Fahrer seien in Köln unterwegs, so Heintzenberg. Weiter wollte er öffentlich nicht ins Detail gehen, die Richterin ließ es ihm durchgehen.
Rechtlich umstritten ist, ob die Apotheken von ihrer Kammer zur Schließung verpflichtet werden können – so sieht es die Wettbewerbszentrale – oder ob dem nicht § 23 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und die Verpflichtung zur ständigen Dienstbereitschaft entgegensteht – so sieht es Mayd.
Die Mayd-Anwälte finden, dass die verschiedenen Vorschriften zu den Öffnungszeiten im Grunde nicht zusammenpassen, man den Apotheken aber nicht verbieten könne, auch außerhalb der normalen Zeiten ihre Patient:innen zu versorgen. Diese Aufgabe sei ihnen schließlich „für viel Geld übertragen worden“. Es sei fraglich, ob es eine große Störung der Feiertagsruhe wäre, wenn Fahrradkuriere Arzneimittel zu Menschen nach Hause bringen.
Der Anwalt der Wettbewerbszentrale sieht es dagegen eindeutig geregelt, dass nur die für den Notdienst eingeteilten Apotheken geöffnet haben dürfen. Denn nach der Logik der Mayd-Anwälte dürfte jede Apotheke immer geöffnet haben, was die zum Notdienst gezwungenen Apotheken im Wettbewerb benachteiligen könnte. Die Mayd-Anwälte trugen dagegen vor, dass beispielsweise in Köln aus der geschlossenen Apotheke heraus geliefert werde. „Ob die Apotheke offen hat oder nicht, interessiert uns nicht“, so das Credo der Plattform.
Die Richterin hatte nach einer halben Stunde genug gehört, obwohl sie noch nicht entschieden ist. „Wir können Ihnen nicht sagen, wie es ausgeht“, sagte sie abschließend. Als Verkündungstermin wurde der 20. Juli bestimmt.
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