Apotheken müssen ihr Warenlager nach vom Rückruf betroffenen Valsartan-Packungen durchsuchen. Die Produkte werden meist an den Großhandel zurückgeschickt. Für die Logistiker ist die Rückrufwelle eine Herausforderung. Tausende Packungen müssen gesondert gelagert werden. In den Niederlassungen wird das Personal aufgestockt, aber auch Einbußen befürchtet.
Die Rückrufwelle sorgt nicht nur in Apotheken für Sonderschichten. Auch die Großhändler stehen vor Herausforderungen. Stündlich werden neue Wannen mit zurückgerufenen Valsartan-Packungen in Niederlassungen abgeliefert. Die Arzneimittel müssen unter Quarantäne gestellt in separaten Bereichen aufbewahrt werden.
„Die Apotheken schicken massenweise Packungen“, sagt Fiebig-Geschäftsführer Andreas Sauer. Immer wieder kommen gefüllte Waren im Lager an. Der Aufwand, den man den Großhändlern aufbürde, sei enorm. Die Ware komme in Wannen an und müsse isoliert von anderen Produkten gelagert werden. „Das ist ein geordnetes Verfahren. Die Sicherheit geht vor“, so Sauer.
Der Rückruf stelle den Großhandel vor Herausforderungen, sagt Sauer. „Wir sind dem gewachsen.“ Platz sei in dem Logistikzentrum im baden-württembergischen Rheinstetten genug. Fiebig hat rund 750 Apothekenkunden. Das Liefergebiet erstreckt sich auf den gesamten Südwesten von Idar-Oberstein bis Lörrach und von Pirmasens bis Schwäbisch-Hall.
Das Unternehmen reagiert flexibel auf die ankommenden zurückgerufenen Chargen. Je nach Lieferung werde das Personal in der Abteilung Industrie-Retoure aufgestockt. Teilweise arbeiteten dort bis zu sieben Mitarbeiter mehr. Die Angestellten würden aus anderen Abteilungen abgezogen. „Je nachdem, wie viel Valsartan-Packungen zurückkommen“, so Sauer. Die Situation sei nahezu einzigartig: „Meiner Erinnerung nach gab es vor Jahren mit dem Rückruf von Lipobay durch Bayer eine vergleichbare Größenordnung.“ Der Leverkusener Konzern hatte den Cerivastatin-haltigen Cholesterinsenker wegen einer Wechselwirkung mit Gemfibrozil zurückgerufen.
Auch bei der Sanacorp stellt die Rückrufwelle einen großen Aufwand dar. „Valsartan ist ein äußerst gängiger Artikel, daher sind von einem Rückruf im aktuellen Ausmaß sehr viele unserer Kunden mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Produkten und Packungsgrößen betroffen“, sagt ein Sprecher. Meist handele es sich um Kleinstmengen je Apotheke, was den Gesamtaufwand für die Rückführung nochmals massiv erhöhe. Zur Abholung, Kennzeichnung und Lagerung im Quarantäne-Bereich sowie der Rücksendung an den Hersteller, kämen weitere verfahrenstechnische Aufgaben hinzu. Dazu gehörten Chargenüberprüfungen und Gutschriftsüberwachung sowie mögliche Differenzklärungen.
Die Rückrufe könnten nicht kostendeckend durchgeführt werden: Denn Valsartan liege meist bei einem eher geringen Apotheken-Einkaufspreis (AEP) von durchschnittlich unter 5 Euro und die Erstattung durch die Lieferanten laut Phagro-Modell bei 10 Prozent des AEP als vereinbarte Bezugsgröße. „Hinzu kommt die erstattungslose Überprüfung der eigenen Bestände, begleitet von den gleichen Aufgaben, wie Kennzeichnung und Separierung, Rücksendung und Gutschriftsüberwachung“, so der Sanacorp-Sprecher. In beiden Fällen kämen noch die Rücksendekosten dazu.
„Derartige unentgeltlichen Serviceleistungen des etablierten vollversorgenden Pharmagroßhandels werden leider von der Politik nicht gesehen“, kritisiert er. Deshalb müsse die Vergütung des Großhandels leistungsgerecht neugeregelt werden. Der Umfang des Rückrufs gehe weit über das übliche Niveau hinaus. „Die Sanacorp sieht sich als hochentwickeltes Logistikunternehmen aber absolut dazu in der Lage, diese Herausforderung ordnungsgemäß zu meistern.“
Auch bei Gehe türmen sich Valsartan-Packungen. In allen 19 Niederlassungen seien aktuell mehr als 15.000 Packungen in Quarantäne, sagt ein Sprecher. Die Tendenz sei steigend. „Das ist ein Riesenaufwand für alle Beteiligten.“ Aufgrund der aktuell hohen Nachfrage sei zum jetzigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass weitreichende Engpässe im Bereich von Valsartan-haltigen Arzneimitteln entstehen werden.
Die Rückrufe seien ein Ärgernis für pharmazeutische Hersteller, Großhandel sowie für Apotheken und Patienten. Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner fordert deshalb erneut, die Systematik der Rabattverträge grundsätzlich zu überdenken: „Wenn wir in Zukunft die Qualität der Versorgung verbessern und ähnlichen Fällen vorbeugen wollen, müssen Rabattverträge auf den Prüfstand. Denn neben der Anzahl von Rabattverträgen nimmt parallel auch die Anzahl der Rückrufe stetig zu. 2017 erfolgten in Deutschland 289 Rückrufe, im laufenden Jahr waren es bereits 209.“
Mehrarbeit entsteht laut einer Pharma Privat-Sprecherin nicht nur wegen der großen Mengen. Auch die unterschiedlichen Fristen der einzelnen Hersteller für die Abwicklung sorgten für zusätzlichen Aufwand. „So ein Rückruf zeigt aber auch die Wichtigkeit des Großhandels in der Achtung der Arzneimittelsicherheit und der Abwicklung der Warenrücknahme.“ In separaten, gekennzeichneten Quarantäneräumen und -zonen seien zwischenzeitlich rund 19.000 Packungen gelegen. „Den Retourenabteilungen werden mehrere zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, die für eine unverzügliche Abarbeitung der Vorgänge sorgen“, sagt sie. Dadurch werde ein Rückstau verhindert und sichergestellt, dass die Ware zügig retourniert werden könne.
Der Großhandel muss sich auf weitere Lieferungen einstellen. Denn in Apotheken werden die aussortierten Packungen nicht immer sofort zurückgeschickt, sondern auch gesammelt. 16 Unternehmen sind aktuell vom Rückruf betroffen. Eine Übersicht mit den betroffenen und nicht betroffenen Präparate zum Download finden Sie hier.
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