„Und dann haben die Apotheker verloren“ Eugenie Ankowitsch, 20.06.2017 09:12 Uhr
Immer mehr Apotheker machen sich ernsthafte Gedanken darüber, wie sie das Überleben ihrer Apotheken sichern können. Davon zeugt die Resonanz der Leser von APOTHEKE ADHOC auf die Ausführungen von Martin Dess von „Die Jäger von Röckersbühl“. Der Marketingexperte hatte sechs Apothekentypen ausgemacht, für die es auch zukünftig einen Platz in der Gesundheitslandschaft geben soll. Während sich jedoch alle bei der Diagnose mehr oder weniger einig sind, gehen die Meinungen bei den Lösungen deutlich auseinander. So lehnt Michael Höferlin, Inhaber der Architektur- und Beratungsfirma „Höferlin & Höferlin“, Dess' Klassifizierung als „Schubladen-Denken“ ab.
Zwar stecke in den Aussagen von Dess „viel Wahres“, sagt Höferlin. Die Erkenntnis, dass die Apothekerschaft viel lieber reagiere als agiere, decke sich auch mit seiner Erfahrung: „Apotheker tun sich in der Tat sehr schwer, die eigenen Stärken zu erkennen und sich entsprechend zu positionieren“. Der Architekt will aber nicht gelten lassen, dass nur sechs Apothekentypen in Zukunft am Markt bestehen können. „Ich wehre mich gegen das Schubladendenken. Die reale Welt ist vielfältiger und lässt sich nicht in irgendwelche Schubladen pressen“, sagt er.
Dennoch ist auch er der Auffassung, dass Apotheken sich spezialisieren müssen, wenn sie überleben wollen. Dabei wachse die Bedeutung des Standortes. Deshalb sei eine extrem individuelle Betrachtung eben dieses Aspektes und des daraus resultierenden Kundenstammes unabdingbar. Dazu gehören seiner Ansicht nach unter anderem Parameter wie die Präsenz von Ärzten und Seniorenheimen in der Umgebung, Infrastruktur, Parkplätze, Nahversorger. „Aber genau diese Faktoren und die Vielfalt der möglichen Konstellationen führen dazu, dass es eben nicht nur sechs Apothekentypen geben kann, sondern eine große Vielzahl“, betont Höferlin, der ein Architektur- und Beratungsbüro in Detmold führt und sich auf Einrichtungen des Gesundheitswesen spezialisiert hat.
Eine präzise Positionierung und Konzentration auf Schwerpunkte sollten dazu führen, dass die Apotheke unverwechselbar werde. „Wenn alle Apotheken das Gleiche machen, wenn alle das Gleiche anbieten und sich identisch positionieren, dann muss sich niemand wundern, dass dem Kunden nur noch der Vergleich über den Preis möglich ist“, betont der Ingenieur. „Und dann haben die Apotheker verloren.“ Er warnt die Apotheker davor, diesen Umstand zu ignorieren. Denn das bedeute, dem Versandhandel Tür und Tor zu öffnen und dieses wichtige Feld kampf- und ideenlos abzutreten. Es mangelt – und in dieser Auffassung stimmt Höferlin mit Dess überein – an visionären Gedanken und Strategien.
Dennoch verspürt der Architekt eine gewisse Aufbruchstimmung in der Branche: „Viele Apotheker haben erkannt, dass sie etwas ändern müssen, doch sie wissen nicht wie.“ Spätestens wenn das Fremd- und Mehrbesitzverbot gekippt werde – und Höferlin ist überzeugt, dass es früher oder später dazu kommen wird –, dann würden alle Großakteure in der Branche einen Plan in der Schublade haben, wie sie den Apothekenmarkt übernehmen könnten. Dabei würde es zu einer Marktbereinigung mit deutlich weniger Apotheken als Ergebnis kommen. „Die Apotheken, die dann übrig bleiben, werden diejenigen sein, die die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt haben und sich zukunftsorientiert positioniert haben“, sagt er.
Das Thema Kommunikation wird aus seiner Sicht in Zukunft eine ganz entscheidende Rolle spielen. Dem Architekten schwebt eine Apotheke vor, die als Zentrale der Gesundheitsdienstleistungen, als Überwacher der Medikation und erste Anlaufstelle für Patienten, die eben nicht sofort eine Praxis aufsuchen wollen, fungiert. „Und natürlich darf diese Dienstleistung nicht umsonst angeboten werden“, appelliert er.
Wenn Apotheker eine eigene, auf den Standort zugeschnittene Zukunftsstrategie entwickelten und diese rigoros umsetzten, werde es sich langfristig auszahlen. Denn nach Ansicht von Höferlin wünschen sich die Menschen nach wie vor eine persönliche Beziehung. „Eine Apotheke lebt von dem Vertrauensvorschuss, den die Kunden bereit sind, zu gewähren“, betont er. Dieses Vertrauen zu rechtfertigen und zu festigen sei ein unglaubliches Pfund.