Verbrauchermagazine

Marktcheck checkt Iberogast

, Uhr
Berlin -

Seit dem bekannt gewordenen Todesfall im Zusammenhang mit dem Magenmittel Iberogast ist das Präparat immer wieder Thema in den Medien. In dieser Woche hat sich auch das Verbrauchermagazin „Marktcheck“ zur Mission gemacht, ihre Zuschauer über die Risiken zu informieren.

Bekannt aus dem Format sind die Passantenumfragen in Fußgängerzonen: Auch im Bericht über Iberogast werden die Verbraucher zunächst gefragt, wofür das Medikament bei ihnen Verwendung findet. Nachdem der Verdacht auf die leberschädigende Wirkung offengelegt wird, zeigen sich die Verbraucher überrascht: „Ne, das habe ich nicht gewusst“ und „Das wäre ja bei mit ganz schlecht“ heißt es seitens der Befragten.

Die Zusammensetzung der Lösung wird im Beitrag erklärt, diskutiert wird stets über das enthaltene Schöllkraut. Anschließend wird die Forderungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus 2008 zitiert, entsprechende Warnhinweise im Beipackzettel hinzuzufügen, die der damalige Zulassungsinhaber Steigerwald ablehnte. Bayer hatte das Unternehmen 2013 übernommen. Nach weiteren Verdachtsfällen im Jahr 2016 gab es eine erneute Forderung seitens des BfArM. Bis heute klagt Bayer dagegen, heißt es im Beitrag.

Pharmakritiker Wolfgang Becker-Brüser wird im Beitrag als Arzneimittelexperte um eine Einschätzung gebeten: „Bayer hat bei Iberogast den vorbeugenden Verbraucherschutz ignoriert.“ Das Schädigungspotenzial sei zwar relativ gering, räumt er ein. Im Ernstfall könne die Schädigung aber derart bedrohlich sein, dass man eine Einnahme nicht rechtfertigen könne, so Becker-Brüser.

Im Juli berichtete das Handelsblatt, dass Staatsanwaltschaft Köln ein Gutachten in Auftrag gegeben habe, um einen Zusammenhang zwischen der Einnahme des Mittels und einem Todesfall im Jahr 2018 zu klären. Bayer hatte zwar auf das Bekanntwerden des Todesfalls schon damals reagiert und die Warnhinweise seinerzeit in die Gebrauchsinformation aufgenommen. Zu dem Handelsblattbericht äußerte der Konzern sich dahingehend, dass bei diesem Fall eine Patientin eine Leberschädigung erlitten habe und an den Komplikationen einer nachfolgenden Lebertransplantation verstorben sei.

Zum neuen Warnhinweis äußern Passanten sich im aktuellen Marktcheck-Beitrag: „Wenn ich ein bekanntes Mittel wie dieses einnehme, lese ich das nicht mehr durch.“ Da das Mittel frei verkäuflich sei, „müsste man schon vom Apotheker erwarten, dass der mehr dazu sagt“, findet die Passantin mit dem Beipackzettel in der Hand.

Und auch das wurde von Marktcheck überprüft. In zehn Mainzer Apotheken wurde ein Testkauf durchgeführt, um die Beratung zu die möglichen Nebenwirkungen zu überprüfen. Laut Marktcheck haben nur zwei der zehn Apotheken aktiv und vollständig über die Risiken aufgeklärt. Drei Apotheken hätten unvollständig und fehlerhaft beraten, die anderen fünf klärten den Kunden selbst auf Nachfrage nicht über die leberschädigende Wirkung auf.

Die Iberogast-Produkt-Käufe wurden vom Autor des Beitrags durchgeführt. Er habe zu dem Thema intensiv und lange recherchiert und in Kontakt mit mehreren Experten gestanden, heißt es seitens des SWR. Das Statement nach Konfrontation mit den Ergebnissen der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz: „In einem Beratungsgespräch sind auch bei einem ausdrücklichen Präparatewunsch des Patienten die weiteren Erkrankungen und die Einnahme anderer Arzneimittel zu erfassen.“

Nach Erwähnung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln aufgrund des Todesfalls wird ein Statement seitens Bayer angefügt, dass keine Neubewertung des Sachverhaltes vorgenommen werde: „Das Risiko einer schwerwiegenden Nebenwirkung bei der Einnahme von Iberogast ist extrem selten. Iberogast ist und bleibt ein sehr sicheres Medikament“, so der Konzern. Die medizinisch-wissenschaftliche Datenlage lässt derzeit keinen klaren Kausalzusammenhang zwischen der Verwendung von Iberogast und leberschädigenden Wirkungen zu, heißt es in einem Schreiben von Bayer. Zudem geht aus dem offiziellen Schreiben hervor, dass die Grundlage für die Zulassung des Medikaments sich nicht geändert habe: „Insgesamt wurden für Iberogast alle toxikologischen Studien durchgeführt, die durch die aktuellen internationalen Richtlinien für die Zulassung eines Arzneimittels vorgegeben sind. Die Datenlage aus allen verfügbaren Studien besagt, dass Iberogast – anders als zum Beispiel Paracetamol – keine dosisabhängige Leberschädigung verursacht.“

Der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser spricht sich am Ende des Beitrags gegen das Präparat aus, aufgrund schlecht dokumentierten Nutzen und seltenen, aber dafür gravierenden Risiken. Laut Becker-Brüser gebe es genügend andere pflanzliche Alternativen in dem Einnahmebereich, eben ohne Schöllkraut. Er fordert den potenziell schädlichen Bestandteil Schöllkraut aus dem Präparat zu entfernen oder Iberogast vom Markt zu nehmen.

Nach Ende des Beitrags ruft die Moderatorin des Verbrauchermagazins die Zuschauer auf, ihre Erfahrungen zu Iberogast auf der Marktcheck-Facebookseite unter einem entsprechenden Beitrag zu diskutieren: Der Beitrag „Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Was habt ihr in der Hausapotheke?“ hat derzeit etwa 160 Kommentare von Nutzern des Präparates – von absoluten Fans bis Kritikern ist alles dabei.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Mehr aus Ressort
ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick
Apothekenpläne: Muttis meutern bei dm
Kampagnenmotiv für Apotheken
Noventi verschickt Weihnachtsplakate

APOTHEKE ADHOC Debatte