Mehr als vier Milliarden Euro werden in Deutschland Jahr für Jahr über Gutscheine verschenkt. Parfümerien, Elektrofachmärkte, Möbelhäuser, Baumärkte – so gut wie alle Branchen wetteifern nicht nur im Weihnachtsgeschäft um die Gunst der Verbraucher. Apotheken sind bislang nicht an Bord. Das soll sich jetzt ändern. Die „Moses Rothschild Group“ will demnächst „Die Apothekenkarte“ auf den Markt bringen – einen Geschenkgutschein für den Einkauf in der Apotheke. Noch wird vor allem die Idee verkauft, doch der Lebensmittelkonzern Nestlé ist schon aufgesprungen. Derweil geht die echte Rothschild-Gruppe gegen die aus ihrer Sicht missbräuchliche Verwendung ihres Namens vor.
Die Apothekenkarte soll funktionieren wie ein ganz normaler Geschenkgutschein. Sie wird mit einem bestimmten Geldbetrag aufgeladen: 20, 40 oder mehr Euro. Sogar die Zuzahlung für rezeptpflichtige Arzneimittel sollen die Besitzer damit bezahlen können. Das passende Geschenk also für Oma und Opa – falls einem sonst nichts einfällt.
Damit die Verbraucher damit in der Apotheke bezahlen können, müssen sich diese am Rothschild-System beteiligen. Die Kosten belaufen sich auf 399 Euro pro Jahr, weitere Transaktionskosten sollen nicht anfallen. Apotheken, die sich verpflichten, Waren eines Kooperationspartners der Apothekenkarte ins Sortiment aufzunehmen, zahlen 249 Euro – jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer.
Nach Angaben des Firmenchefs Moses Gonbadi gibt es auf Herstellerseite bislang nur einen Kooperationspartner: Die Nestlé Health Science. Der Konzern will mit der Karte sein Nahrungsergänzungsmittel Meritene in die Apotheken bringen. Gonbadi zufolge gibt es für Apotheken keine Vorgaben für abzunehmende Mengen. Die Kooperation mit Nestlé sei zudem zunächst auf acht Monate begrenzt. Die Idee zu der Karte sei ihm im Zuge einer Beratungstätigkeit für den Lebensmittelkonzern gekommen, berichtet Gonbadi. Er verhandelt nach eigenen Angaben aber bereits mit weiteren Herstellern.
Bislang haben sich laut Rothschild 1800 Apotheken für die Apothekenkarte entschieden. Neben Nestlé zählt die GDZ GmbH zu den Kooperationspartnern. GDZ ist in der Noventi Gruppe, zu der auch das Softwarehaus Awinta gehört, für Partnerschaften mit der Pharmaindustrie und anderen Drittanbietern zuständig. Markus Füreder von der GDZ ist von der Apothekenkarte geradezu begeistert: „Wir stoßen bei unseren Apotheken damit auf sehr große Resonanz. Wir hoffen, damit erstmals neue Kunden und Umsatz in die Apotheken bringen zu können.“
Die mit der Noventi-Gruppe verbundenen rund 11.000 Apotheken sollen für die Apothekenkarte angeworben werden. Bis zum Start im Weihnachtsgeschäft 2017 sollen so mindestens 8000 weitere Apotheken dazu kommen. Zudem wirbt der Außendienst von Nestlé für die Apothekenkarte. Gonbadi will mittelfristig 80 Prozent der Apotheken unter Vertrag nehmen, einen Gebietsschutz für die teilnehmenden Apotheken gibt es nicht.
Beim Trommeln für seine Apothekenkarte nimmt es Gonbadi mit der Authentizität im Netz allerdings nicht immer ganz genau. Die vermeintlich bereits erfolgte Berichterstattung über das Projekt entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Luftnummer. Auch der sonstige Auftritt der „Moses Rothschild Group“ ist mit schillernd noch zurückhaltend umschrieben – der Firmenchef erklärt das mit seiner – vermeintlichen – Familiengeschichte.
Von dem Erfolg seiner Apothekenkarte ist er aber glaubhaft überzeugt: „Unser Konzept soll Geld im Gesundheitssystem binden und den Apothekern eine weitere Möglichkeit bietet, neue Kunden zu erreichen und alte Kunden zu binden“, so Gonbadi. Online-Apotheken seien bewusst nicht die Zielgruppe. „Daher wird unsere Karte auch nur in Vor-Ort-Apotheken einlösbar sein.“ Die Gruppe stellt laut Gonbadi eine kostenfreie Kundenbetreuung und Rufnummer zur Verfügung. „Und eine Umstellung der Kassensysteme ist für den Apotheker nicht erforderlich“, sagt Gonbadi.
Vertrieben werden soll die Apothekenkarte über die üblichen Verkaufsstellen für Geschenkgutscheine: Supermärkte wie Rewe oder die Drogeriekette dm sind nach Firmenangaben schon dabei, die meisten Tankstellenketten sollen noch dazu kommen. Insgesamt planen die Investoren 40.000 Verkaufsstellen – auch in den teilnehmenden Apotheken soll die Apothekenkarte als Gutschein angeboten werden.
Und auch mit den Krankenkassen will die „Moses Rothschild Group“ ins Geschäft kommen: „Wir streben eine enge Kooperation mit den Krankenkassen an, allerdings bestehen derzeit noch keine Vereinbarungen oder Verträge“, so Gonbadi. Ziel sei, die Apothekenkarte in die Bonussysteme der Kassen zu integrieren. Die Kassen könnten die Apothekenkarte ihren Versicherten im Rahmen von Bonusprogrammen anbieten und beispielsweise mit einem Betrag von 40 Euro aufladen, so die Idee.
Man habe rechtlich prüfen lassen, dass der Geschenkgutschein auch für Zuzahlungen für rezeptpflichtige Arzneimittel eingelöst werden kann, so Gonbadi: „Der Gutschein ist e-Geld so wie eine EC-Karte. Auch damit kann ja in der Apotheke bezahlt werden.“ Auf den Markt kommen soll die Apothekenkarte vier Wochen vor Weihnachten. „Wir wollen das Hauptgeschäft des Jahres mitnehmen“, so Gonbadi. Vom jährlichen Umsatz mit Gutscheinkarten von mehr als vier Milliarden Euro entfällt der Löwenanteil auf das Weihnachtsgeschäft.
Investiert hat die „Moses Rothschild Group“ in die Apothekenkarte nach eigenen Angaben bislang 1,7 Millionen Euro. Bis zum Verkaufsstart könnten es 2,5 Millionen Euro werden.
Die Pharmawelt ist Moses Gonbadi nicht vollkommen fremd: Der 39-Jährige ist geprüfter Pharmareferent, hat eine Ausbildung für medizinische Kosmetik absolviert und ist Fachreferent Dermapigmentierung.
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