Mit ihrer Spezialisierung auf Heilberufler hat die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) eigentlich einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Kreditinstituten. Doch seit Jahren will es der Genossenschaft nicht so richtig gelingen, dieses Alleinstellungsmerkmal zu nutzen und die Kunden umfassend an sich zu binden: Während Gründungsfinanzierungen gerne über die Apobank laufen, werden Vermögen oft woanders angelegt. Der neue Vorstandschef Matthias Schellenberg geht die Sache jetzt mit der „Agenda 2025“ rigoros an – weil aus seiner Sicht keine Zeit mehr zu verlieren ist.
Gefühlt jagt bei der Apobank seit vielen Jahren eine Krise die nächste: Wegen dubioser Deals mit strukturierten Finanzprodukten und damit verbundenen Milliardenverlusten zerrte das Kreditinstitut den verantwortlichen Vorstand 2007 sogar vor Gericht. Auf die Finanzkrise des Jahres 2009 folgte eine längere Niedrigzinsphase, die das Geschäft erheblich belastete. Und als ob all das nicht genug gewesen wäre, ging vor zwei Jahren die groß angelegte IT-Umstellung so richtig in die Hose.
Immer wieder mussten die Vorstandssprecher daher versuchen, die Apobank in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Zwar gab es in diesem Zusammenhang wiederholt Ankündigungen, man werde sich auf das Kerngeschäft fokussieren. Doch die Distanz zur Kernklientel wurde nicht kleiner, sondern immer größer. Zur verpatzten IT-Umstellung gab es faktisch zu wenig aktive Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden – wohl auch, weil teilweise schlichtweg der Zugang fehlte.
Seit einem Jahr ist mit Schellenberg nun ein neuer Vorstandschef im Amt. Drei seiner bisherigen Vorstandskollegen sind es schon oder demnächst nicht mehr, der Streit wurde teilweise sogar öffentlich als Schlammschlacht ausgetragen. Auch wenn über die Gründe für die Zerwürfnisse nichts nach außen gedrungen sind – mit Schellenberg an der Spitze geht es jetzt an die Substanz. „Alles auf den Tisch“, lautete die Bestandsaufnahme, der sich die Apobank unter ihrem neuen Chef in den vergangenen Monaten unterzogen hat. „Wir haben alles einmal von vorne nach hinten gewendet.“
Schellenberg geht nüchtern und schonungslos an die Sache heran. Er sei vom Aufsichtsrat geholt worden, um die Kundenzufriedenheit zu steigern und der Apobank eine stabile Ausrichtung zu geben. Beides habe in den vergangenen Jahren gelitten, auch fehlten in vielen Bereichen nach wie vor effiziente Strukturen und Prozesse. Allzu lange sei die Apobank mit sich selbst beschäftigt gewesen. Die missglückte IT-Migration sei ein Weckruf gewesen – der die Apobank bis ins Mark erschüttert und den Weg für den Umbau frei gemacht habe.
Was ihn an dem Job gereizt hat, nachdem er bereits in Vorstandspositionen für Privat- und Investmentbanken wie ING Diba, UBS und Merck Finck tätig war? „Die Möglichkeit, in einer Bank mit mittelständischem Charakter wirklich unternehmerische Entscheidungen treffen und etwas bewegen zu können.“ Trotz der Herausforderungen sei das Unternehmen hervorragend positioniert: „Wir stehen extremst solide da und haben ein Alleinstellungsmerkmal, wie es sich wohl jede Bank wünschen würde.“
Das betrifft nicht nur die Kundenseite; ein besonderer Glücksfall ist aus seiner Sicht der Umstand, dass die Apobank auch noch genossenschaftlich organisiert ist: „Wir können alle Entscheidungen intensiv und offen diskutieren und dabei die besonderen Belange unserer Zielgruppe berücksichtigen.“ So sei bei Ärzten und Apothekern nicht immer alles bis ins Letzte ökonomisch motiviert. „Also können und müssen wir Dinge manchmal ein wenig anders beurteilen, als man das als Banker vielleicht gewöhnt ist.“
Schellenberg bringt einen ganz persönlichen Vorteil mit: „Meine Mutter war Apothekerin, mein Vater Arzt. Dadurch weiß ich, wie die Heilberufler ticken. Es fällt mir leichter, Dinge zu verstehen, die nirgendwo aufgeschrieben sind.“ Das hilft ihm auch bei der Arbeit mit Gremien wie dem Aufsichtsrat: „Hier können wir die Besonderheiten und Eigenheiten der unterschiedlichen Berufe und Fachrichtungen direkt aufgreifen.“
Dass man sich wieder mehr auf den ursprünglichen Unternehmenszweck fokussieren und erster Ansprechpartner für Heilberufler in jeder Lebenslage sein wolle, sei wenig überraschend, räumt Schellenberg ein. „Aber das bedeutet jede Menge Arbeit.“ Das fange schon beim Selbstverständnis an: „Unsere Fokussierung auf die Heilberufe lief bislang irgendwie als Selbstverständlichkeit mit. Aber das reicht nicht, um den Vorteil, den wir gegenüber anderen Banken haben, auch ausspielen zu können.“
Aktivitäten, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun haben, haben für Schellenberg keine Priorität mehr. Das betrifft auch den Firmen- beziehungsweise Großkundenbereich: „Hier wurde ein Portfolio aufgebaut, das zwar vielleicht attraktive Margen aufweist, aber unter Umständen keinen direkten Bezug zu unserer Kernzielgruppe hat.“ Künftig werde man viel genauer hinschauen, ob eine Investition auch aus strategischer Sicht für die Heilberufler gewünscht und sinnvoll ist. „Ich will das nicht überhöhen: Wir haben nicht den Anspruch, eine moralische Instanz zu sein. Aber wir wollen nicht mehr ‚blind‘ finanzieren, sondern schauen, wie wir als führender Anbieter die Entwicklung des Gesundheitsmarktes im Sinne unserer Kunden und Eigentümer mitgestalten können.“
Nach wie vor aktiv bleiben werde man etwa im Bereich der Kliniken oder größeren ambulanten Strukturen. Auch am Abrechnungsbereich mit Beteiligungen wie Dr. Güldener oder ARZ Haan halte man fest, da es eine natürliche Nähe zum Heilberufler gebe. Und Angebote wie Praxisservice und Apothekenbörse sollen sogar ausgebaut und durch weitere Bausteine ergänzt werden: „Nehmen Sie die energetische Sanierung von Apotheken: Das kostet viele hunderttausende Euro, wird aber unter Umständen gefördert. Hier wollen wir uns viel stärker einbringen.“
Ausgebaut werden soll endlich auch der Bereich der Vermögensverwaltung. „Es ist kein Geheimnis, dass wir ein Kreditvolumen von gut 40 Milliarden Euro haben, aber nur ein Depotvolumen von rund 11 Milliarden Euro. Dieser Geschäftsbereich ist viel zu klein.“ In fünf Jahren, so sein Ziel, sollen die Assets verdoppelt werden.
Um das zu erreichen, soll der Vertrieb umgebaut werden. So sollen die Kund:innen künftig durchgehend von einem Ansprechpartner betreut werden. „Bei Bedarf werden dann die internen Spezialisten hinzugeholt. Unser Ziel ist es, dass so künftig unser gesamtes Leistungsspektrum angesprochen wird.“ Erste Erfahrungen eines Pilotprojekts in NRW seien sehr positiv gewesen, sodass das duale Betreuungsmodell ab Anfang kommenden Jahres sukzessive ausgerollt werden soll.
Schellenberg verspricht den Kund:innen der Apobank nicht nur eine professionellere Betreuung über alle Produktkategorien hinweg, sondern auch Zugang zu Leistungen, die bei anderen Banken vermögenden Privatkunden vorbehalten sind. „Wir haben 200.000 Existenzgründungen möglich gemacht. Das macht uns stolz und ist uns Ansporn, die nächsten Schritte zu gehen.“
Dazu gehört aber auch ein weiterer Kulturwandel innerhalb der Bank. Viele der rund 2300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten bereits einen engen Kontakt zu den Kunden, Ende kommenden Jahres soll auch in der Hauptverwaltung eine Filiale eröffnet werden. „Wir wollen den Austausch stärken, denn das ist im Grunde unsere DNA.“
Als ob all das nicht genug wäre, hat Schellenberg aber auch noch die Aufgabe, die Ertragslage zu optimieren. Ab 2026 sollen weniger als 70 Prozent der Einnahmen für Kosten draufgehen, aktuell sind es 78 Prozent. Wie das geht, wenn gleichzeitig die Qualität deutlich gesteigert werden soll? „Wir werden vor allem die Sachkosten in den Blick nehmen.“ Das betreffe die Flächennutzung, aber auch Arbeitsmodelle, die Zentrale und vor allem die Abläufe. „Hier haben wir noch viel aufzuholen. Digitale Prozesse, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sind vielfach noch nicht da. Es war dringend notwendig, den Bereich IT in den Vorstand zu holen.“
Für Schellenberg geht es im Grund auch ein Stückweit um das Dasein der Apobank in ihrer ursprünglich angedachten Form. Er verweist auf die Probleme der Branche, die seit einigen Jahren einen dramatischen Umbruch erlebt, weil externe Anbieter bis hin zu Amazon zunehmend eigene Finanzdienstleistungen anbieten. „Das ist eine Fragmentierung, die die Banken extrem austauschbar gemacht hat.“ Nicht zuletzt deshalb müsse die Apobank ihre Identität wiederfinden – und zwar jetzt.
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