Jubiläum und Feierstunde

Madaus: 100 Jahre Phytopharmaka

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Troisdorf -

Mylan feiert das 100-jährige Jubiläum der zugehörigen Marke Madaus im Werk Troisdorf bei Köln: Der Phyto-Hersteller kann auf einen bewegten und teilweise steinigen Werdegang zurückblicken, trotz einiger Schwierigkeiten hat sich Madaus kontinuierlich weiterentwickelt und auf dem Weltmarkt etabliert.

Ursprünglich wurde Madaus 1919 als Familienbetrieb gegründet und entwickelte sich stetig weiter. Erste Produkte waren Aurocard und Diacard, es folgten Echinacin, Agiolax, Reparil und Legalon. Seit 1996 wird im Werk in Troisdorf produziert. Nachdem das Unternehmen in wirtschaftliche Probleme geriet, folgten mehrere Besitzerwechsel: 1999 stieg die Deutsche Investors Capital ein, 2007 folgte die Akquisition durch Rottapharm, 2014 die durch Meda und 2016 schließlich der Anschluss an die Mylan-Gruppe.

Im Rahmen einer Feierstunde gab Dr. Jürgen Mahling, Werkleiter und Geschäftsführer von Madaus, einen Einblick in den Produktionsstandort Troisdorf: Neben festen Arzneiformen wie Tabletten, Kapseln und Granulaten werden auch Gele, Salben, Lösungen und Suspensionen verarbeitet. Insgesamt arbeiten im Troisdorfer Werk rund 350 Mitarbeiter, davon allein 80 im Qualitätsmanagement und 140 in der Produktion.

Es wird fünf Tage lang im Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet, bei wichtigen Aufträgen kann die Auslastung jedoch erhöht werden. „Wir können noch mehr und wir wollen auch noch mehr“, erklärte Mahling. Björn Franken, Mitglied der CDU-Landtagsfraktion, stellte die Aufgabe der Politik im Zusammenhang mit der Arzneimittelproduktion heraus: Es sei wichtig, gute und stabile Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie zu schaffen, damit die Versorgung der Bürger gewährleistet sei.

Das Mylan-Werk in Troisdorf beliefert den Weltmarkt: Die Medikamente werden derzeit in gut 70 Länder versandt – die wichtigsten Abnehmer sind Polen, Saudi-Arabien und China. Neu ist die Belieferung von mittel- und lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien und Mexiko: Bisher erhielten die Länder über Madaus nur die Rohstoffe, nun werden die Länder direkt mit der Fertigware versorgt. Die Nähe zum Flughafen Köln-Bonn spiele dabei eine wichtige Rolle, gab auch Klaus-Werner Jablonski, Bürgermeister der Stadt Troisdorf, zu Protokoll.

Die Produktion von Phytopharmaka ist jedoch nicht immer leicht: Dr. Oliver Ploss, Apotheker und Heilpraktiker, erläuterte die Schwierigkeiten und Unterschiede bei der Herstellung im Vergleich zu synthetischen Arzneimitteln: Ein wesentlicher Aspekt sei die Komplexität des Vielstoffgemischs. „Man hat nicht nur einen Wirkstoff.“ Synthetische Herstellungsverfahren funktionieren immer gleich, bei pflanzlichen Arzneimitteln ist die Produktion schwieriger: Sie müssen immer die gleiche Qualität und Wirkstärke aufweisen – „heute, morgen und in einem Jahr“. Um dies zu erreichen, sind jedoch viele Aspekte entscheidend, beispielsweise die Bodenqualität und der Erntezeitpunkt. „Das sind immense Bedingungen, die geschaffen werden müssen, um die Qualität zu definieren.“ Aufgrund dieses Aufwands gingen immer mehr wichtige, pflanzliche Arzneimittel verloren.

Der Qualitätsanspruch beginne schon bei der Rohware: „Das ist mehr als nur ein Naturprodukt“, erklärte Mahling. Die für Agiolax benötigten Sennesfrüchte beispielsweise werden in Indien angebaut: Nach der Prüfung und Aufreinigung bleiben nur rund 5 Prozent des Materials für die Verarbeitung übrig. Zudem seien die verfügbaren Mengen begrenzt. An die Verarbeitung von pflanzlichem Material sind zudem einige Bedingungen geknüpft: Nach der Ernte von Echinacea bleiben den Mitarbeitern nur sechs Stunden Zeit, um das Pflanzenmaterial zu pressen. Vor der Weiterverarbeitung muss der Presssaft zwölf Monate gelagert und anschließend filtriert werden.

Für die Flohsamen in Agiolax sind jedes Jahr rund 600 Tonnen Rohstoff nötig, das entspricht dem Ertrag von 200 bis 300 Farmern. Zudem gebe es bei der Herstellung von Phytopharmaka einige Risikofaktoren, die bei synthetischen Arzneimitteln nicht in dieser Art vorhanden seien, erklärte Mahling: Der Monsun oder lange Trockenperioden können den Ertrag ebenso beeinflussen wie Schädlinge, Unkraut und Lagerfähigkeiten. Jedes Unkraut müsse wegen des Verzichts auf Pestizide per Hand entfernt werden.

Bei der US-Arzneimittelbehörde FDA ist Madaus derzeit nicht für Zulassungen von Arzneimitteln, sondern nur für Nahrungsergänzungsmittel gelistet. Wülfing erklärt die Hintergründe: Wenn man wollte, wäre es kein Problem, Zulassungen in den USA zu erhalten. Die FDA habe jedoch andere Ansprüche, mache es sehr aufwändig und „lasse auch nicht alles rein“ – sie betreibe eine Art „Protektionismus“. Man müsse sorgfältig abwägen, ob die Arbeit und die Kosten sich lohnen. Sein Fazit: „Momentan brauchen wir das nicht.“

Seit 2016 ist Madaus ein Teil der Mylan-Gruppe: Deutschlandchef Dr. Maximilian von Wülfing sieht die Akquisition als einen wichtigen und vor allem strategischen Schritt – Madaus deckt den bis dato ungedeckten Bereich der Phytopharmaka ab und sorgt dafür, dass der Konzern noch breiter aufgestellt ist. Noch komplexer wie Phytopharmaka sind Biosimilars aufgebaut, die seit 2018 von Mylan auf dem Markt sind. Damit sollen preisgünstigere Alternativen geschaffen werden, damit möglichst viele Menschen eine Therapie erhalten können. Ein weiteres Standbein von Mylan ist der Grippeimpfstoff Influvac, der in Deutschland 50 Prozent des Marktes ausmacht.

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