Neuroleptika

Lyrica: Patent für nichtig erklärt

, Uhr aktualisiert am 10.02.2017 17:53 Uhr
Berlin -

Original oder Generikum? Bei der Entscheidung müssen Apotheker unter Umständen auf die Indikation achten. Seit zwei Jahren versucht Pfizer, den Patentschutz für Lyrica (Pfizer) in der Indikation neuropathische Schmerzen am HV-Tisch durchzusetzen. Ende Januar musste der Konzern vor Gericht eine Schlappe hinnehmen; obwohl die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, gibt es bereits Generika von Hexal und 1A Pharma.

Lyrica hatte bis vor Kurzem noch ein Alleinstellungsmerkmal. Es war das einzige Pregabalin-Präparat für die Behandlung von neuropathischen Schmerzen. Generika waren nur für die Indikationen Epilepsie zur Zusatztherapie von partiellen Anfällen mit und ohne sekundärer Generalisierung sowie generalisierten Angstörungen bei Erwachsenen zugelassen.

Eigentlich gilt das Patent noch bis Juli. Doch am 24. Januar hat das Bundespatentgericht den Schutz für nichtig erklärt. Die Entscheidung ist laut Pfizer nicht rechtskräftig. Der Konzern ist weiterhin vom Bestand und der Bedeutung des Indikationspatents für die Verwendung von Pregabalin bei neuropathischen Schmerzen überzeugt und wird gegen die Entscheidung Berufung einlegen.

„Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbestand hat das Patent weiter Bestand und Pfizer wird die Einleitung weiterer rechtlicher Schritte gegen Generikahersteller erwägen, die vor Patentablauf generische Pregabalinprodukte für die Indikation neuropathische Schmerzen vermarkten“, sagt eine Sprecherin.

Aktuell melden Hexal und 1A bereits für ihre Präparate eine Erweiterung der Produktinformation. „Ab sofort können PregabaHexal-Hartkapseln zur Behandlung von peripheren und zentralen neuropathischen Schmerzen im Erwachsenenalter verordnet werden“, meldet der Generikakonzern. Neue Rabattverträge, die sich auf die erweiterte Indikation beziehen, liegen aber nicht vor.

Ganz vom Tisch ist der Patentstreit also noch nicht. Parallel wurde über die Ausschreibungen der Kassen gestritten. Auch gegenüber den Apotheken hatte Pfizer im Sommer 2015 versucht, mit harter Hand durchzugreifen. Am Ende lief die Warnung, Ärzte und Apotheker setzten sich haftungsrechtlichen Risiken aus, aber ins Leere.

Bislang ist die Frage nicht höchstrichterlich geklärt, ob Originalhersteller mit einer zusätzlichen Indikation – dem sogenannten Second-Medical-Use-Patent – Rabattverträge bis zum Ablauf des letzten Patents blockieren können. Aktuell ist bei Glivec (Imatinib) eine ähnliche Situation aufgetaucht. Der Fall beschäftigt Arzneimittelrechtler in ganz Europa und mittlerweile auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Pregabalin ist ein Analogon der Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Der Wirkstoff bindet an eine Untereinheit spannungsabhängiger Calciumkanäle im zentralen Nervensystem und moduliert dort die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter. Neben der entspannenden Wirkung ruft der Wirkstoff in hohen Dosen euphorische Zustände hervor. Pregabalin hat antiepileptische, schmerzlindernde und angstlösende Eigenschaften.

Laut Arzneiverordnungsreport stand das Antiepileptikum 2013 mit 2,4 Millionen Verordnungen im Wert von 281 Millionen Euro zu Apothekenverkaufspreisen auf Platz 26 der am häufigsten verordneten Medikamente.

Vier von fünf Verordnungen entfallen Schätzungen zufolge auf die geschützte Indikation. Neuropathische Schmerzen können verschiedene Ursachen haben und etwa durch eine Schädigung oder Erkrankung von Nervenstrukturen entstehen. So können Operationen oder chronische Erkrankungen die veränderte Hautsensibilität hervorrufen. Patienten reagieren besonders empfindlich oder auch unempfindlich auf Reize wie Wärme, Kälte oder Druck. Die Schmerzen können durch ein Brennen oder Einschießen gekennzeichnet sein.

Arzneimittel können durch verschiedene Patente geschützt sein. So können zum Beispiel der Wirkstoff, ein Hilfsstoff, die Rezeptur, die Herstellung oder die Anwendung bei bestimmten Krankheitsgebieten von Konkurrenz ausgeschlossen sein. Grundsätzlich gilt ein Patentschutz von 20 Jahren.

Jedoch vergehen vom Zeitpunkt der Patenterteilung bis zur Markteinführung meist mehrere Jahre. Ein Wirkstoff muss erst mehrere Studien durchlaufen und im Anschluss ein Zulassungverfahren bestehen. Dieses allein kann schon über ein Jahr in Anspruch nehmen. Generika kommen in der Regel frühestens zehn Jahre nach der Markteinführung des Originals in den Handel.

Hersteller haben unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, ein ergänzendes Schutzzertifikat (SPC) zu beantragen und die Exklusivität um maximal fünf Jahre zu verlängern. Patente dienen nicht nur dem wirtschaftlichen Schutz, sondern machen auch die Erkenntnisse der Allgemeinheit zugänglich: Patentanmeldungen müssen innerhalb von 18 Monaten nach dem Einreichen offengelegt werden. Mitbewerber können somit schon frühzeitig von dem Wissen profitieren.

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