Streit um Pflichtangabe

Lyranda: Verfahren um Herpespille

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Berlin -

Weber & Weber muss zwei Werbeaussagen zu Lyranda zurücknehmen. In zweiter Instanz untersagte das Oberlandesgericht München (OLG) die Behauptung, das Lebensmittel könne zur diätetischen Behandlung von Lippenherpes eingesetzt werden. Der Hersteller hatte sich auf einen Übergangszeitraum bezogen, der aber laut Gericht gar keiner war.

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (LbmZ) unterliegen – anders als Arzneimittel – keiner Zulassungspflicht. Laut Diätverordnung ist lediglich eine Anzeigepflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorgeschrieben. Allerdings ist sicherzustellen, dass sich bilanzierte Diäten nicht den Anschein eines Arzneimittels geben („Präsentationsarzneimittel“).

Seit 20. Juli 2016 dürfen LbmZ nicht mehr mit der Angabe „zur diätetischen Behandlung von …“ ergänzt durch die Angabe einer Krankheit, Störung oder Beschwerden, für die das Lebensmittel bestimmt ist, beworben werden. Grundlage ist hier eine EU-Verordnung, die im Juli 2016 eine ältere Richtlinie ablöste. Darin heißt es: „Kennzeichnung und Aufmachung der […] Lebensmittel sowie die Werbung dafür müssen Informationen über die angemessene Verwendung dieser Lebensmittel bieten und dürfen werde irreführend sein noch diesen Erzeugnissen Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft erwecken.“

Dagegen hat Weber & Weber bei Lyranda verstoßen. Der Hersteller hatte im Internet damit geworben, dass die Kautabletten „zur diätetischen Behandlung von Lippenherpes“ eingesetzt werden können und der Wirkstoff „L-Lysin für die ernährungsmedizinische Behandlung von Lippenherpes“. Das Landgericht München (LG) gab der Klage eines Wettbewerbsvereins statt.

Weber & Weber sah keinen Verstoß und verwies auf die Übergangszeit bis zum 22. Februar 2019. Doch auch das OLG entschied gegen den Hersteller: Die Ausnahmeregelung sei alleine mit Blick auf den Abverkauf noch vorhandener Warenbestände bezogen gewesen und nicht auf die Zulässigkeit der Werbung an sich. Revision wurde ist nicht zugelassen.

„Aus unserer Sicht ist der Urteilsspruch nicht gerechtfertigt“, sagt Juniorchef Hans Rittinghausen. Die streitbaren Werbeaussagen seien nach neuem Recht bewertet worden, obwohl laut Übergangsfrist noch das alte Recht hätte Anwendung finden müssen. „Aus diesem Grund wurde das Urteil nicht nur von uns, sondern auch von anderen Experten kritisch gesehen.“

Er verweist auf eine Einschätzung des Münchener Rechtsanwalts Andreas Meisterernst, der das Urteil „verblüffend“ findet: So habe der Bundesgerichtshof (BGH) 2009 im Fall von Priorin entschieden, dass Pflichtangaben nicht als unlauter angesehen werden können. Die Formulierung sei als Zweckbestimmung nach altem Recht eine Pflichtangabe gewesen; durch die Übergangsregelung sei auch die Werbung abgedeckt, da explizit nicht der Begriff des Inverkehrbringens, sondern des Vermarktens gewählt worden sei.

Weber & Weber hat mittlerweile auf die neue Formulierung umgestellt; Lyranda ist damit zum „Diätmanagement bei Lippenherpes“ angezeigt. Die Kautabletten sind seit 2013 im Handel. Enthalten sind neben der Aminosäure L-Lysin, Selen, Zink und Riboflavin, die B-Vitamine B6, B12 und Folsäure sowie die Vitamine C und D. Bis zur vollständigen Abheilung sollen pro Tag drei Tabletten gekaut werden.

Die Erstinfektion mit Herpes-simplex-Viren Typ 1 (HSV1) verläuft oft unbemerkt und findet bereits im Kindesalter statt. Wer sich mit HSV1 infiziert hat, bleibt lebenslang Träger des Virus, denn es nistet sich in die Nervenzellen des Rückenmarks ein und schlummert dort, bis es irgendwann reaktiviert wird. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind Träger des Virus, jedoch bricht er nur bei etwa 20 bis 40 Prozent im Laufe des Lebens aus. Kommt es zur Virusaktivierung, können Kribbeln, Spannungen und Juckreiz auftreten, bis sich schließlich erste Bläschen bilden.

Beim ersten Kribbeln sollte bereits mit der Behandlung begonnen werden, denn die Virusvermehrung findet hauptsächlich in den ersten 48 Stunden nach dem Ausbruch statt. Sind die Bläschen bereits aufgeplatzt, ist es meist zu spät für die antiviralen Wirkstoffe. Aciclovir wird fünfmal täglich im Abstand von vier Stunden aufgetragen. Der Arzneistoff wird von der Virus-DNA-Polymerase in die Virus-DNA eingebaut – es kommt zum Kettenabbruch. Penciclovir wird im Abstand von zwei Stunden und mindestens sechsmal täglich aufgetragen. Der Wirkstoff soll auch noch in der Papel- und Bläschenphase wirksam sein und die Replikation der Virus-DNA hemmen. Die Virusvermehrung wird gestoppt, der Heilungsprozess vorangetrieben und Schmerzen vermindert.

GSK ist mit Zovirax Marktführer im Bereich der Herpescremes; allerdings ist die Konkurrenz dem Original dicht auf den Fersen: Aciclovir Ratiopharm, Aciclostad und Pencivir liegen allesamt in der Größenordnung zwischen 1 und 1,4 Millionen Packungen. Nach Umsatz liegen Zovirax und Pencivir (Penciclovir, Omega) wegen des höheren Preises mit circa 30 Prozent Marktanteil weit vor der Konkurrenz. Von untergeordneter Bedeutung unter den Aciclovir-haltigen Cremes sind Hexal (Acic) sowie Aliud und Heumann. Insgesamt gibt es 40 weitere Mitbewerber. Das älteste Mittel ist übrigens Lomaherpan, das seit August 1983 auf dem Markt ist und seit zwei Jahren zu Infectopharm gehört. Der Melissenextrakt verhindert Studien zufolge das Eindringen der Viren in die Zelle und hat einen Marktanteil von circa 5 Prozent.

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