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Pro Generika: Anreize gegen Lieferengpässe Julia Pradel, 24.03.2015 15:00 Uhr

Berlin - 

Letztlich geht es allen gleich: Auch andere Länder haben mit Lieferengpässen zu kämpfen und versuchen mit ähnlichen Methoden, sie zu verhindern. Doch auch der Blick über die Grenze bietet keine Ideallösung. Das ist das Ergebnis einer Studie des Marktforschungsunternehmens IMS Health, das der Branchenverband Pro Generika in Auftrag gegeben hat. Aus Sicht von Vorstandschef Wolfgang Späth rückt daher die Mängelverwaltung in den Vordergrund. 

IMS hatte die Situation in acht Staaten untersucht, neben Deutschland wurden sieben Länder mit vergleichbarer Situation gewählt: Finnland, Frankreich, Kanada, die Niederlande, die Schweiz, Großbritannien und die USA. Das Fazit: Lieferengpässe treten in all diesen Ländern auf und haben verschiedene Ursachen. Besonders im generischen Bereich spielt aus Sicht von IMS der Preis- und Kostendruck eine Rolle.

Analysiert wurden neben den Ursachen die verschiedenen Maßnahmen. In allen Ländern gibt es ein Melderegister, ähnlich wie das des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Allerdings sind die zu meldenden Produkte und „Engpass“ an sich unterschiedlich definiert, und nicht immer sind die Hersteller verpflichtet, Engpässe zu melden. Späth hält Listen ohnehin für kein sinnvolles Instrument: Sie änderten nichts daran, dass der Patient sein Arzneimittel nicht habe.

Aus Sicht von IMS-Chef Dr. Frank Wartenberg muss sich Deutschland mit seinen Maßnahmen nicht verstecken. Auch hierzulande gibt es der Analyse zufolge verpflichtende Mindestlagerbestände, Importregelungen für Präparate aus dem Ausland und die Pflicht, die Außervertriebnahme von zugelassenen Arzneimitteln zu melden. Eine Liste essentieller Arzneimittel und ein Multi-Stakeholder-Ansatz seien im Entstehen.

Eine solche direkte Zusammenarbeit aller Akteure hält Späth für den sinnvollsten Ansatz. Die verschiedenen Akteure müssten auf jeder Handelsstufe zusammenwirken, fordert er. Vorbilder gebe es beispielsweise in Kanada oder den Niederlanden. Dort gebe es Ansätze, alle betroffenen Akteure an einen Tisch zu bringen.

In anderen Ländern gibt es zudem eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulassungsbehörden, um etwa behördliche Prozesse zu beschleunigen. Auf diese Weise könnten Medikamente oder sogar Produktionsanlagen schneller zugelassen werden. Eine neue Fabrik an den Start zu bekommen, dauere im Durchschnitt fünf Jahre, erklärt Wartenberg diesen aus seiner Sicht mittelfristigen Ansatz.

In Großbritannien gibt es zudem ein Preisregime für von Engpässen bedrohte Produkte: Falls ein Medikament wegen Lieferproblemen nicht zum festgelegten Erstattungspreis beschafft werden kann, wird ein höherer Preis erstattet. Ein solches Signal, dass man bereit sei, mehr zu zahlen, habe es in Deutschland noch nicht gegeben, so Wartenberg.

Insgesamt sind die Ursachen und die Instrumentarien aus Sicht von Wartenberg in den verschiedenen Ländern begrenzt. Ein wichtiges Kriterium seien daher die politischen Rahmenbedingungen. Laut Wartenberg muss der „Dreiklang aus Qualität, Produktion und Preis“ stimmen. Nur bei einem ausgewogenen Verhältnis der drei Faktoren sei Versorgungssicherheit gegeben, ansonsten erhöhe sich das Risiko von Lieferengpässen.

Er kritisiert, dass sich Deutschland mit Netto-Ausgaben von 7 Cent pro Einzeldosis „am untersten Ende der Preisskala“ bewege. Für diesen Wert wurden von den Ausgaben die Einsparungen aus Rabattverträgen und gesetzlichen Abschlägen abgezogen.

Besonders im Rabattvertragsmarkt unterliegt die Liefersicherheit laut IMS großen Schwankungen. Das Marktforschungsunternehmen hat untersucht, wie oft bei 25 Top-Substanzen statt des Rabattarzneimittels ein anderes Präparat abgegeben wurde: Der Wert lag von Januar 2010 bis Mai 2014 zwischen 100.000 und knapp 850.000 Fällen im Monat und zuletzt bei rund 250.000 Fällen. Die betroffenen Substanzen sind laut IMS zu 83 Prozent rabattgeregelt. Innerhalb des Rabattsegments entfallen zwischen 80 und 98 Prozent Marktanteil jeweils auf die drei führenden Hersteller.

Späth kritisiert mit Blick auf die Generika eine asynchrone Entwicklung: Einerseits übernähmen die Hersteller mehr Verantwortung, andererseits wendeten die Krankenkassen immer weniger dafür auf. Gleichzeitig stiegen die Aufwendungen für Qualitätssicherung und die Erfüllung regulatorischer Anforderungen. Dies hat laut Späth zur Folge, dass sich nach einem Patentablauf immer weniger Unternehmen an dem Wettbewerb um die Generikamärkte beteiligten. Der Markt verenge sich. Durch die Rabattverträge werden zudem die Planbarkeit der Produktion erschwert. Inzwischen würden etwa Open-House-Verträge direkt nach Patentablauf oder Rabattverträge über komplexe Produkte abgeschlossen. Auch für Biosimilars gebe es direkt nach der Markteinführung Verträge.

Aus Sicht von Späth ist eine Lösung im Kampf gegen Lieferengpässe erfolgreich, die bei der Ursache ansetzt – und die größte Ursache ist der Kostendruck. Er fordert daher eine „Schonfrist“ für Generika: Nach Patentablauf soll es ein zweijähriges Ausschreibungsmoratorium geben. In dieser Zeit sollen Markteintritte erfolgen, Vielfalt entstehen und sich Wettbewerb entwickeln. Außerdem sollten aus seiner Sicht mindestens sechs Monate zwischen der Zuschlagserteilung und dem Start von Rabattverträgen geben. Auf diese Weise könnten die Unternehmen die Produktion planen.

Daneben sollten nach Späths Meinung Marktmechanismen, die zur Marktverengung führen, überprüft werden – besonders bei versorgungskritischen Wirkstoffen. Er forderte ein nachhaltiges Preisniveau und eine Honorierung der Liefersicherheit beim Einkauf durch Kliniken. Schließlich sollten Unternehmen durch Sicherung und Ausbau der Produktionskapazitäten versuchen, den steigenden Bedarf zu decken.