Dürfen Apotheken auch an Sonn- und Feiertagen eingehende Bestellungen bearbeiten und Tütchen an Fahrradkuriere aushändigen? Mit dieser Frage musste sich heute der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Eigentlich müssten die Richter die Sache wohl wegen eines Formfehlers an die Vorinstanz zurückverweisen, aber eigentlich wollen sie das allen Beteiligten ersparen.
Die Richter verwiesen gleich zu Beginn der Verhandlung darauf, dass das Urteil der Vorinstanz möglicherweise gar nicht „existent“ sei. Offenbar habe es Probleme bei der formalen Verkündigung gegeben, eine elektronische Aktenführung sei auch nicht vorhanden. „Da ist etwas schiefgelaufen“, so der Vorsitzende Richter. Ohne offizielle Weisung wäre auch die Zustellung an die beteiligten Parteien im Grunde gar nicht möglich gewesen. Nachdem das Ganze aber mehr als fünf Monate zurück liege, könne man auch keine Änderung im Protokoll mehr vornehmen.
Kurzum: Eigentlich müsste das Verfahren wegen der Pannen an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Aber: „Ich weiß, dass den Parteien nicht daran gelegen ist.“
Also stieg man nach einer Viertelstunde doch in die Erörterung ein. Laut Senat könnte das Angebot des Apothekers aus Köln in Zusammenarbeit mit dem mittlerweile insolventen Lieferdienst Mayd als Verletzung des Ladenöffnungsgesetzes NRW einzustufen sein. „Dafür spricht einiges.“
Denn laut Vorschrift ist eine Ruhe an Sonn- und Feiertagen vorgesehen und es darf keine wahrnehmbare Arbeit geben.
Die Verteidigung argumentierte: „Die Regelung wirkt aus der Zeit gefallen.“ Denn in Köln seien sonntags nur vier Apotheken dienstbereit – viel zu wenig. Im Übrigen herrsche generell in Köln an Sonn- und Feiertagen wenig Ruhe, „vor allem im Karneval und wenn der 1. FC spielt“. Die Arbeit in der Apotheke sei nicht wahrnehmbar, da die Ware im Backoffice bereitgestellt und über die Notdienstklappe an den Boten abgegeben werde.
Der Richter verwies auf die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), nach der Apotheken grundsätzlich auch am Sonntag offen haben müssen und nur von der ständigen Dienstbereitschaft befreit werden können. „Wenn man eine Apotheke betreibt, muss man auch mal sonntags arbeiten“, so seine Lesart.
Die Wettbewerbszentrale erwiderte, dass ApBetrO und Ladenschlussgesetz unterschiedliche Fragen betreffen.
Der Anwalt des Apothekers wies mehrmals darauf hin, dass die Apotheken gegen den Onlinehandel wettbewerbsfähig bleiben müssten und deshalb neue Vertriebswege brauchten.
Danach ging es mit anderen Verfahren weiter. Wie im Fall der Apotheker weiter verfahren wird, wird später bekannt gegeben.
Die Wettbewerbszentrale hatte Verstöße gegen § 3 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage in Nordrhein-Westfalen und §§ 4 und 7 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten NRW gesehen.
Das Landgericht Köln folgte dieser Auffassung und stellte fest, dass sich der Apotheker durch sein Handeln einen Wettbewerbsvorteil verschaffe, indem er sich über die Schließungsanordnung hinwegsetze und gemeinsam mit dem Lieferservice Arzneimittel absetze. Dabei mache er sich den Umstand zunutze, dass der Wettbewerb durch die Schließungsverfügungen der zuständigen Apothekerkammer ausgeschaltet sei und Konkurrenz nur noch in Apotheken bestehe, die zum Notdienst eingeteilt sind. Dies bedeute einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für alle Mitbewerber, die an Sonn- und Feiertagen unter Beachtung der Schließungsverfügungen keine Arzneimittel vertrieben. Ein Recht zur Öffnung seiner Apotheke auch an Sonn- und Feiertagen folge entgegen seiner Rechtsauffassung auch nicht aus der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).
Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung: Auch aus der Neufassung der ApBetrO im Jahr 2012 ergebe sich nicht, dass der Bundesverordnungsgeber eine abschließende Regelung für die Befugnis der Apotheken treffen wollte, an Sonn- und Feiertagen unabhängig von den Ladenöffnungszeiten der Länder zu öffnen. Das Gericht ließ die Revision mit Blick auf die grundsätzliche Bedeutung der zu klärenden Rechtsfragen zu.