Lieferdefekte

Jenapharm lässt Gehe leerlaufen Alexander Müller, 11.03.2016 14:57 Uhr

Berlin - 

Der Großhändler Gehe kann derzeit keine Präparate der Bayer-Tochter Jenapharm liefern. Hintergrund ist ein Streit um Konditionen zwischen Großhändler und Hersteller. Gehe-Kunden können derzeit nur direkt bestellen. Der private Großhändler Kehr hatte unlängst dieselben Probleme mit Jenapharm.

Der Hersteller hatte dem Vernehmen nach wenige Tage vor Weihnachten seine Konditionen gegenüber dem Großhandel zurückgefahren und dies zur Voraussetzung für eine Belieferung ab Januar gemacht. Die Großhändler wollten aber erst verhandeln und bestellten unter Vorbehalt zu den alten Konditionen.

Jenapharm akzeptiert solche Bestellungen nicht. Bei Gehe ist es deswegen jetzt zu Engpässen gekommen. Der Stuttgarter Großhändler informiert die Apotheken direkt, dass Jenapharm derzeit nicht liefert. „Bayer/Jenapharm behindert mit diesem Vorgehen die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Stand heute können wir keine Produkte der Firma Jenapharm liefern“, heißt es in dem Schreiben des Großhändlers.

Und weiter: „Der Grund dafür ist, dass die Firma Bayer im Auftrag von Jenapharm einseitig Einkaufskonditionen verschlechtern will.“ Die Verhandlungen mit dem Großhandel führt für gewöhnlich Bayer Vital für Jenapharm.

Dr. Peter Schreiner, Geschäftsführer Procurement bei Gehe, bestätigte auf Nachfrage: „Die Nichtbelieferung durch Jenapharm hält an.“ Man sei daher bei gängigen Kontrazeptiva wie Valette oder Maxim derzeit nicht lieferfähig. „Wir bestellen weiter wöchentlich bei Bayer zu den bisher gültigen Konditionen, erhalten aber keine Ware“, so Schreiner.

Gehe will nach eigenem Bekunden vermeiden, dass sich in der Folge auch die Konditionen für die Apotheken verschlechtern. „Wir sind immer zu Gesprächen bereit, werden aber die einseitig und kurzfristig erklärten schlechteren Einkaufsbedingungen nicht einfach so hinnehmen“, so Schreiner.

Bisher habe man sich nach außen bedeckt gehalten, um die Verhandlungen nicht zu stören, so Schreiner. Jetzt war es aus Sicht des Großhändlers aber an der Zeit, die Apotheken zu informieren. „Die ersten Reaktionen auf unser Schreiben waren zum Glück durchweg positiv.“ Natürlich werde man weiter versuchen, sich mit Bayer zu einigen.

Bei Jenapharm war bislang niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Dem Vernehmen nach hat der Hersteller die Konditionen aber flächendeckend und gegenüber allen Großhändlern gleichermaßen gekürzt. Andere haben sich darauf eingelassen und werden auch beliefert.

Bei Gehe setzt man dagegen weiter auf Verhandlungen: „Alle Versuche, Bayer/Jenapharm zu einem Einlenken zu bewegen, blieben bis dato ohne Erfolg“, heißt es in dem Schreiben von Gehe. Die Apotheken könnten daher im Moment nur direkt bei Bayer bestellen. Ein vorgefertigtes Fax liegt dem Schreiben von Gehe bei. Der Großhändler hat noch einen Tipp: „Nutzen sie gerne auch die Gelegenheit, auf diesem Wege zu äußern, dass Sie die Produkte sehr gerne wieder auf dem üblichen Wege, nämlich über die Gehe Pharma Handel GmbH, beziehen würden.“

Bereits Ende Januar bekamen Apotheken von Kehr Berlin mehrere Präparaten von Jenapharm nicht mehr, weil sich Großhändler und Hersteller nicht einig waren. Betroffen waren etwa Maxim, Valette, Aida und Nebido. Eine Kundin hatte vom Großhändler auf Nachfrage erfahren, dass der Defekt mit aktuellen Vertragsverhandlungen zu tun hatte. „Diese Vereinbarung wird auf dem Rücken der Apotheker ausgetragen“, kritisiert sie. Apotheken stünden am Ende der Lieferkette.

Ob sich die Situation bei Kehr entspannt hat oder weitere Großhändler von Engpässen betroffen sind, ist derzeit nicht bekannt. Dass Hersteller sich mit Großhändlern anlegen, kommt immer wieder vor. Im vergangenen Jahr hatte Wörwag Ärger mit der Noweda, davor hatten Novartis, AstraZeneca und Novo Nordisk einseitig das Skonto gekürzt und nach Protesten der Großhändler die Belieferung vorübergehend eingestellt.

Jenapharm ist mit seinem Angebot an Kontrazeptiva führend. Der Mutterkonzern Bayer rangiert auf Platz 3. Der Markt wird angeführt von den Präparaten Valette/Maxim, Aida, Minisiston und Trisiston, Gravistat, Microgynon und Yasmin/Yasminelle/Yaz. An zweiter Stelle steht Gedeon Richter.