L-Thyroxin Tropfen: Henning wieder an Bord Cynthia Möthrath, 06.08.2019 12:14 Uhr
Seit einigen Jahren gibt es Probleme Levothyroxin als Tropfen: Sanofi konnte die flüssige Form von L-Thyroxin Henning lange Zeit nicht liefern, Aristo schloss 2016 schließlich die Versorgungslücke. Nun sind auch die Tropfen von Henning nach jahrelangem Fehlen wieder lieferbar.
Die Tropfenform ist vor allem für kleine Kinder und Risikopatienten bedeutend: Bei Neugeborenen und Kindern mit angeborener Schilddrüsenunterfunktion ist ein rascher Hormonersatz besonders wichtig, um eine normale geistige und körperliche Entwicklung zu erzielen. Für diese Form der Schilddrüsenunterfunktion wird in den ersten drei Monaten der Behandlung eine tägliche Dosis von 10 bis 15 µg/kg Körpergewicht empfohlen. Auch für Patienten mit Schluckbeschwerden oder bestimmten Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes erleichtert die Darreichungsform die Einnahme. Ebenso profitieren Patienten, bei denen eine Feineinstellung der Dosis angezeigt ist. Die Versorgung dieser Patientengruppen war lange Zeit schwierig.
Nach über einem Jahr der Nichtlieferbarkeit schloss Aristo die vorhandene Versorgungslücke: Seit dem 15. Juni 2016 ist Eferox in Tropfenform auf dem Markt. Sie enthalten 20 µg Levothyroxin pro Milliliter – das Konkurrenzprodukt von Sanofi ist mit 100 µg/ml fünfmal so stark konzentriert. Bei Aristo will man mit der niedrigeren Konzentration eine feinere Dosierung ermöglichen. Das Sanofi-Produkt kann in Intervallen von 5 µg titriert werden; bei Eferox enthält ein Tropfen entsprechend 1 µg. Dazu gibt es eine Dosierspritze.
Ab sofort ist das Präparat von Sanofi wieder an Bord. Die flüssige Form steht in zwei Größen zur Verfügung: Als Einzelflasche zu 30 ml oder im 3er-Pack mit insgesamt 90 ml. Die Flaschen verfügen über einen Senkrechttropfer, welcher eine einfache, feingradige Dosierung ohne Applikationshilfe möglich machen soll. Außerdem soll durch den Einsatz das Risiko für mikrobiologische Verunreinigungen minimiert werden.
Sanofi hatte bereits seit September 2014 Probleme mit der Auslieferung: Damals musste der Hersteller 13 Chargen zurückrufen. Zwei Apotheken hatten bei der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) Ausflockungen gemeldet, beim Hersteller waren offenbar weitere Reklamationen eingegangen. Nach Untersuchungen war klar, dass es sich um ausgefallenen Wirkstoff und nicht um Verunreinigungen mit anderen Stoffen oder eine Kontamination mit Keimen handelte. Seit dem Rückruf ist der Markt weitgehend leergefegt.
Der Hersteller hatte damals empfohlen, auf Einzelimporte auszuweichen oder Tabletten in den Dosierungen 25 bis 200 µg als Alternative einzusetzen. Bei Kindern, die eine niedrigere Dosierung benötigten, könnten die Tabletten mit der geringsten Wirkstärke halbiert werden. Bei Bedarf sei auch eine Suspendierung möglich. Wer unbedingt eine Lösung benötigt, hatte bislang das Nachsehen: Denn auch die Rezeptursubstanz war nicht lieferbar. Levothyroxin gilt als Herausforderung für die Hersteller. Der Wirkstoff ist in seiner reinen Form stabil und gekühlt über mehrere Jahre haltbar. Als konjugiertes Tyrosin-Derivat ist das Molekül jedoch sauerstoff-, licht- und temperaturempfindlich.
L-Thyroxin wird eingesetzt bei Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), benigner beziehungsweise nichttoxischer diffuser Struma, Hashimoto-Thyreoiditis und zur Begleittherapie einer Schilddrüsenüberfunktion, die erfolgreich mit Thyreostatika behandelt wird. Bei Schilddrüsentumoren wird das Hormon vor allem nach Operation eingesetzt, um ein erneutes Tumorwachstum zu verhindern. Außerdem ist der Einsatz als Diagnostikum möglich, um Fehlregulationen der Schilddrüsenfunktion rechtzeitig zu erkennen.