Kurs explodiert: Börsengang zu billig? APOTHEKE ADHOC, 17.08.2020 16:18 Uhr
Letzten Freitag feierte das wegen seines Corona-Impfstoffkandidaten bekannt gewordene Tübinger Biotechunternehmen Curevac an der US-Technologiebörse Nasdaq einen Rekordeinstieg in den Aktienhandel. Im Zuge seines Börsengangs wurden wie erhofft deutlich mehr als 200 Millionen US-Dollar von Investoren eingesammelt. Der erste Kurs lag mit 44 Dollar weit über dem Ausgabepreis der Aktie von 16 Dollar. Zu Handelsschluss betrug der Kurs knapp 60 Dollar. Jetzt machen sich Börsenexperten Gedanken darüber, ob die Curevac-Aktien viel zu billig an den Markt gebracht wurden.
„Der Börsengang von Curevac war überfällig“, schreibt etwa Kai Brüning von Apo Asset, einer Tochterfirma der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank): „Wenn man die Börsenbewertung der beiden nächsten Wettbewerber Moderna und BioNTech zugrunde legt, erschien der Emissionspreis deutlich zu günstig.“
In der Tat – denn beide Firmen, die ebenfalls an einem Corona-Impfstoff arbeiten, werden mit 24 beziehungsweise 12 Milliarden Dollar bewertet. Im Unterschied zu BioNTech habe Curevac aber noch keine kommerziellen Partner zur klinischen Entwicklung und zur Vermarktung des Covid-Impfstoffes, so Brüning weiter. Allerdings verfüge Curevac in GlaxoSmithKline über einen Partner, der mit Eigenkapital beteiligt sei und andere Projekte operativ unterstütze.
Brüning: „Aus unserer Sicht rechtfertigt das aber nicht den immer noch deutlichen Bewertungsabschlag.“ Erfreulich sei der Börsengang im Übrigen nicht nur für institutionelle Investoren wie Apo Asset mit einer Zuteilung, sondern auch für den deutschen Steuerzahler. Die vielfach kritisierte Beteiligung der KfW habe nun einen Buchgewinn von circa 1,7 Milliarden Euro erbracht.
War also der Ausgabekurs zu niedrig – oder war die letzte Finanzierungsrunde das Problem? Denn erst Mitte Juli hatte sich unter anderem die staatliche KfW mit 343 Millionen Euro an Curevac beteiligt. Zeitgleich stieg GSK mit 171 Millionen Euro und Katars Staatsfonds mit 126 Millionen Euro ein. Alle drei können sich jetzt über die Kursgewinne freuen – noch erfreulicher wäre freilich gewesen, wenn auch die gemeinsame Beteiligung in entsprechendem Umfang profitiert hätte.
Aufgrund des Einstiegs wurde Curevac Mitte Juli noch mit einem Marktwert von unter zwei Milliarden Euro deutlich niedriger bewertet. Also wäre ein deutlich höherer Ausgabekurs als 16 Euro pro Aktie nur schwer darstellbar gewesen. Inzwischen hat Curevac aber einen Börsenwert von 8,4 Milliarden Dollar erreicht. Wer hat davon profitiert? In wenigen Tagen wird die US-Börsenaufsicht SEC die Details des Börsengang veröffentlichen. Dann kann man nachlesen, welche Investoren zum Zuge kamen und fette Gewinne einstreichen konnten – und auch, ob der Hauptinvestor von Curevac, SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp, gekauft hat. Angekündigt hatte Hopp, bis zu 100 Millionen Euro in Curevac zu stecken.
Ein zentrales Ziel des Börsengangs ist, Geld für die Entwicklung des Corona-Impfstoffs einzusammeln. Curevac ist bei der Suche nach einem Impfstoff gegen Sars-CoV-2 einer von mehreren Hoffnungsträgern weltweit – und nicht der einzige, der dafür frisches Geld an der Börse hebt. Finanzchef Pierre Kemula betonte, dass mit dem Börsengang der Bedarf an frischem Kapital noch lange nicht gedeckt sei. „Wir werden uns immer nach zusätzlichen Finanzierungsquellen umsehen“, sagte er. Als Biotechfirma ohne signifikante Umsätze sei Curevac das gewohnt. Curevac verbuchte im vergangenen Jahr einen Verlust von knapp 100 Millionen Euro bei rund 17,5 Millionen Euro Umsatz.
Der Corona-Impfstoff von Curevac ist derzeit in einer Phase-I-Versuchsreihe, deren Ergebnisse im Schlussquartal dieses Jahres vorliegen sollen. Aktuell testet Curevac das Mittel hauptsächlich in Europa, in der nächsten Versuchsrunde mit 20.000 bis 30.000 Personen will die Firma auch nach Südamerika, Afrika und Asien gehen. Es ist geplant, diese größere Testreihe Mitte 2021 abzuschließen. Dann könnte es auch in einigen Ländern außerordentliche Genehmigungen geben, den Impstoff zu verabreichen. Der Corona-Impfstoff von Curevac soll in kleineren Dosen als bei Konkurrenten verabreicht werden – damit könnte die Firma bei gleichen Produktionsmengen mehr Menschen versorgen.
Über die Beteiligung des Bundes war heftig diskutiert worden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte im Juli, die Beteiligung sei industriepolitisch von hoher Bedeutung. Wichtige Forschungsergebnisse und Technologien würden in Deutschland und Europa gebraucht. Hintergrund sei auch das Konjunktur- und Zukunftspaket der Bundesregierung in der Corona-Krise. Hopp erklärte damals, er freue sich, dass auch von staatlicher Seite die Bedeutung der Biotechnologie erkannt und diese Schlüsselindustrie über die frühe Forschung hinaus unterstützt werde.