Am 1. und 15. eines Monats wird es hektisch in Deutschlands Apotheken:
Dann fragen Kunden und Besucher, wie sie es in Funk und Fernsehen
gelernt haben, nach der neuen „Apotheken Umschau“. Nicht zuletzt dank
der TV-Werbung, die sich seit gut zehn Jahren zur besten Sendezeit über
die eigentlichen Abnehmer hinweg direkt an die Kunden richtet, hat der
Wort & Bild Verlag aus Baierbrunn mit der Umschau Deutschlands
Leitmedien überholt. Mit einer Reichweite von 20 Millionen Lesern - das
ist jeder dritte Deutsche über 14 Jahre - ist das Heft nach Angaben des
Herausgebers heute Deutschlands meistgelesenes Gesundheits-Magazin.
1956 zum ersten Mal in einer Auflage von 50.000 Exemplaren erschienen, ist die Umschau in ihrer Geschichte kontinuierlich gewachsen. Im Abstand von jeweils ungefähr zehn Jahren, teilweise sogar weniger, gelang es Verlagsgründer Rolf Becker, den monatlichen Absatz zu verdoppeln.
1998 fiel die 5-Millionen-Grenze; im dritten Quartal des vergangenen Jahres wurden monatlich mehr als 9,6 Millionen Exemplare verkauft. Zum Vergleich: Der Spiegel erscheint in einer wöchentlichen Druckauflage von knapp 1,3 Millionen Exemplaren, der Stern mit 1,2 Millionen, Focus mit 800.000 Heften.
Verkauft wird die Umschau als Kundenbindungsinstrument an die Apotheken, die die Hefte dann gratis an ihre Kunden abgeben. Der Verlag bewirbt sein Produkt bei den Verbrauchern - und befeuert so die Nachfrage: Neun von zehn Apotheken halten die Umschau parat; rein rechnerisch kaufen 19.500 Apotheken dem Verlag alle zwei Wochen jeweils 250 Hefte ab. Der Einkaufspreis liegt, je nach Vertrag, irgendwo zwischen 30 und 50 Cents pro Heft.
Die unangefochtene Marktführerschaft schlägt sich auch in den Geschäftszahlen nieder. 2007 erwirtschaftete das Familienunternehmen, das mittlerweile von Hartmut Becker, dem Sohn des Verlagsgründers, geführt wird und rund 200 Mitarbeiter beschäftigt, einen Umsatz von 118 Millionen Euro: 37 Millionen Euro stammten aus Anzeigengeschäften; knapp 81 Millionen Euro waren Vertriebserlöse.
Neuere Zahlen liegen nicht vor, doch seitdem ist alleine die Auflage der Umschau um 9 Prozent gewachsen - und mit ihr auch der Anzeigenpreis auf derzeit rund 60.000 Euro pro ganzer Seite.
Bei diesem Tempo konnten selbst die anderen Publikationen des Hauses nicht mithalten: Während die Auflage der Umschau seit 2000 um 71 Prozent gewachsen ist, legten Senioren- und Diabetiker-Ratgeber um jeweils rund 3 Prozent auf knapp 1,9 beziehungsweise 1,3 Millionen Exemplare zu. Die Auflage von Baby & Familie sank um 8 Prozent auf rund 800.000 Hefte, die von Medizini sogar um 15 Prozent auf knapp 1,8 Millionen Hefte.
In Baierbrunn wollte man auf Nachfrage gegenüber APOTHEKE ADHOC all diese Zahlen nicht kommentieren, da Interna des Verlag berührt würden. Auch zur Geschäftsentwicklung gibt man sich zugeknöpft.
In der Branche ist der Erfolg des Verlagshauses nicht unumstritten, zumal sich so mancher Apotheker durch die Endkundenansprache zur Abnahme genötigt sieht. Als „effiziente und erfolgreiche Imagewerbung für die Apotheke“ bezeichnete dagegen unlängst Chefredakteur Peter Kanzler gegenüber der Wochenzeitung „Die Zeit“ das eigene Produkt.
Und so bleibt es bei eher kleinen Gesten, etwa Gummibärchen im Lieferkarton. Um Apotheken zu helfen, die sich über die Nachfrage durch Nicht-Kunden ärgern, hat der Verlag auf seiner Website fünf Mustertexte zum Download hinterlegt. „Damit erreichen Sie alle, die Sie zunächst 'nur' wegen des Gesundheitsmagazins aufsuchen und steigern die Chancen, dass sie oder er Ihre Apotheke künftig als 'richtiger' Kunde besucht.“
Das Prinzip funktioniert auch hier: In vier der fünf Texte verspricht der Apotheker dem zu gewinnenden Verbraucher, ihm als Kunden automatisch die jeweils neuesten Umschau-Ausgabe zu reservieren.
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