Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft werden die Entwicklungen auf der Halbinsel Krim mit großer Anspannung verfolgt. Es geht nicht nur um Erdgas, sondern auch um Export: Auch für deutsche Pharmahersteller sind Russland und die Ukraine wichtige Absatzmärkte. Noch geben sich die Unternehmen aber gelassen.
Für Stada ist Russland nach Deutschland der zweitwichtigste Markt – noch. Denn während das Geschäft zu Hause in den ersten drei Quartalen um 8 Prozent auf 314 Millionen Euro zurückging, legten die Umsätze in Russland um ein Viertel auf 292 Millionen Euro zu. Währungsbereinigt lag das Plus sogar bei 31 Prozent. Damit liegt der Anteil des russischen Geschäfts am Konzernumsatz bei 20 Prozent – nur 2 Prozentpunkte weniger als Deutschland.
2013 könnte damit das letzte Jahr sein, in dem Deutschland für Stada ganz vorne steht. Schon vor zwei Jahren hatte Konzernchef Hartmut Retzlaff angekündigt, dass Russland voraussichtlich 2015 der größte Markt für den Hersteller sein werde. Stada hatte 2005 die russische Firma Nizhpharm übernommen, zwei Jahre später die Pharmagruppe Makiz.
Vergleichsweise unbedeutend ist für Stada der ukrainische Markt: Mit 25 Millionen Euro in den ersten neun Monaten machen die Erlöse nur knapp 2 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die Krise zwischen den beiden Ländern sieht man in Bad Vilbel noch entspannt: „Bisher haben wir keine Einbußen in Russland zu verzeichnen“, sagt ein Sprecher. „Unsere Geschäftsaktivitäten sind nicht beeinträchtigt.“
Auch bei Bionorica schlagen die politischen Probleme noch nicht auf das Geschäft durch: „Aktuell spüren wir keine Krise. Die Kaufkraft ist da“, sagt eine Firmensprecherin. „Wir erwarten, dass es uns, wenn überhaupt, später als andere Branchen trifft.“ Die Menschen sparten zunächst an Konsumgütern wie Auto oder Urlaub. Arzneimittel würden bei Krankheit aber benötigt.
Bionorica macht rund 78 Millionen Euro in Russland und 23 Millionen Euro in der Ukraine*. Das macht ein Drittel beziehungsweise 10 Prozent des Gesamtumsatzes aus, allerdings sind die Wachstumsraten zweistellig. Dem Phytohersteller kommt zugute, dass die Nachfrage nach pflanzlichen Arzneimitteln in den ehemaligen Sowjetrepubliken sehr groß ist.
Das bayerische Familienunternehmen ist mit Repräsentanzen in Moskau und Kiew vertreten und plant eine neue Fabrik in Woronesh. Die Stadt liegt im Südwesten von Russland, rund 300 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Außerdem sollen in diesem Jahr in beiden Ländern 130 Phytotheken in Apotheken entstehen.
Noch größer ist die Abhängigkeit von der Entwicklung in den beiden Ländern für Berlin-Chemie. Mit einem Umsatz von rund 400 Millionen Euro, entsprechend einem Anteil von 43 Prozent am Gesamtumsatz, ist Russland ein wesentlicher Stützpfeiler für die Tochterfirma des italienischen Familienunternehmens Menarini. Schon seit Jahrzehnten vor allem mit seinen Rx-Präparaten präsent, waren die Wachstumsraten zuletzt aber nur noch einstellig.
Die Ukraine ist der zweitwichtigste Auslandsmarkt. 2013 dürften die Erlöse zwar formal zurückgegangen sein; dies ist allerdings einem Vorzieheffekt geschuldet: Wegen regulatorischer Änderungen hatte der Hersteller 2012 für einzelne Medikamente erweiterte Lagerbestände aufgebaut und damit den Umsatz um 30 Prozent auf 104 Millionen Euro gesteigert. Um diesen Einmaleffekt bereinigt, lagen die Erlöse mit 80 Millionen Euro 9 Prozent über Vorjahr.
Dass im Ernstfall ein Embargo deutsche Pharmafirmen treffen könnte, glaubt man beim hessischen Hersteller Biotest nicht. Allerdings sei dies am Ende eine Frage der Produktpalette: Biotest vertreibt über eine Kooperation mit Merz in Russland Notfallmedikamente, zum Beispiel zur Behandlung schwerster Verbrennungen. Bei vergleichbaren Situationen in anderen Staaten habe es nie Probleme gegeben, solche Mittel weiterhin zu liefern, erklärt eine Sprecherin.
* Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags wurden falsche Umsatzzahlen für Bionorica in Russland und der Ukraine berichtet. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
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